keuchend anstarrte, wischte ich die Blutspritzer von meinen Titten, dem Bauch und den Oberschenkeln. Ich streifte die rote Rotze am ohnehin versauten Laken ab. Jetzt registrierte ich auch erst, wie verschwitzt ich schon wieder war.
»Ok, erst mal duschen gehen!«
Er würde mir schon nicht weglaufen. Während ich das dachte, musste ich unweigerlich grinsen. Ich schaute nochmal, ob nicht noch irgendwo sein Blut von mir runter tropfte und ging dann ins Bad.
II.
Als ich, nackt wie ich war und schön erfrischt, wieder ins Schlafzimmer kam, war natürlich alles noch so, wie ich es verlassen hatte: Die Luft heiß und stickig mit einer Duftnote von Sex; der kleine Ventilator kämpfte auf verlorenem Posten. Und er lag dort im Bett, tot und blutüberströmt. Zum Glück starrte er nicht noch in die Gegend; seine Augen waren geschlossen.
Einen Moment lang betrachtete ich mir sein Gesicht: Es sah friedlich aus, als würde er schlafen. Keine Spur von Entsetzen, Überraschung oder Schmerz. Tod beim Geschlechtsverkehr war ja eine Wunschvorstellung vieler Männer. Aber wahrscheinlich eher hochbetagt und verursacht durch einen Herzinfarkt. Nicht von einer Irren mit einem Küchenmesser abgestochen. Vielleicht hatte ihm ja der Fick trotzdem ein sanftes Hinübergleiten ermöglicht? Sein eingefrorener Gesichtsausdruck machte auf mich jedenfalls den Eindruck.
Ich schaute auf seinen Schwanz: Jetzt hatte er keinen harten Prügel mehr. Nie mehr. Oder?
Mir gingen oft wirklich sehr unpassende und auch überflüssige Gedanken durch den Kopf, aber das machte mich jetzt doch neugierig. Mein alter Biolehrer hätte wohl die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, aber ich wollte es wissen und es erregte mich auch irgendwie schon wieder.
Ich kniete mich vorsichtig auf das Bett, darauf achtend, kein Blut an meinen frisch geduschten Körper zu bekommen, und nahm ›ihn‹ in die Hand. Ich machte meine fachmännische Bewegung; auf und ab. Auf und ab. Nein, da tat sich nichts. Jetzt war er tatsächlich auch in diesem Punkt ein Schlappschwanz.
»Schluss mit den Spielchen!«, sagte ich mir dann, »Es gibt viel zu tun.«
Es ist diese lästige Scheiße wie beim Kochen: Erst macht es Spaß, stundenlang in der Küche zu stehen, zu schnippeln, zu würzen, zu blanchieren und tranchieren und für sich und andere die tollsten Leckereien zu zaubern. Aber am Schluss bleibt da immer die versiffte Küche, die man sauber machen muss, wozu man aber eigentlich überhaupt keinen Bock hat. Ich gebe zu, diesen Vergleich zu bemühen, war gerade, was meine Person angeht, eher unpassend. Ich konnte nicht kochen. Meine Freunde waren der Pizza-Lieferservice und McDonalds.
Aber ich musste ihn natürlich jetzt aus dem Bett schaffen, bevor er anfing zu stinken. Und bei dem schwülen Wetter, fürchtete ich, würde das schon recht bald der Fall sein. Das würde Insekten und vielleicht die Nachbarn anlocken. Außerdem hatte ich ja nicht den ganzen Tag Zeit.
Ich schaute auf den Radiowecker: Es war kurz nach acht morgens. Wann hatte ich ihn abgestochen? Das war so gegen 7.45 Uhr.
»Ja, um 7.45 Uhr hat er seinen letzten Abgang gehabt.«
Wieder musste ich grinsen. Dann stöhnte ich kurz, weil ich merkte, dass ich mich nicht länger um die Arbeit drücken konnte.
Ich begann damit, das Bettlaken zu lösen und ihn darin einzurollen. Scheiße, das Blut war tatsächlich durchgesickert. Aber die kluge Frau hatte ja vorgesorgt: Unter dem Laken hatte ich beim Betten machen eine Bauplane um die Matratze gespannt. Die hatte ich gestern Vormittag erst im Baumarkt geholt und mir noch von dem Arsch dort einen dummen Spruch anhören müssen.
»Wofür brauchst du die denn, Mädchen?«, hatte er gefragt und mich dumm angegrient. »Willst du dich einwickeln, damit Du länger so knackig frisch bleibst?«
Naja, ich gebe zu, dass mein nuttiges Outfit nicht unbedingt nahegelegt hatte, dass ich handwerklich geschickt bin: Ich hatte Hotpants und ein bauchfreies, weißes Top mit einer knallroten Erdbeere darauf getragen, die sich über meine Titten gespannt hatte.
Die Folie hatte beim ›final Fuck‹ sogar ein bisschen geknistert, aber das hatte er natürlich in seinem Hormonrausch gar nicht erst wahrgenommen. Sie hatte auf jeden Fall ihre Aufgabe erfüllt und sein Blut von der Matratze abgehalten. Jetzt durfte ich mich nur nicht zu ungeschickt anstellen.
Ich holte also die zweite Folie aus dem Schrank, wo ich sie zwischen meinen Winterklamotten versteckt hatte, und breitete sie vor dem Bett aus. Sie war groß genug, dass ich ihn darin wie einen Burrito einwickeln konnte. Ich stieg aufs Bett und schob ihn, eingerollt im blutdurchtränkten Laken, zum Rand. Durch die Folie unter ihm ging das glücklicherweise ganz gut und ohne übermäßigen Kraftaufwand. Sein toter Körper zog eine schmierige rote Spur auf der transparenten Bauplane. Ich ging um das Bett herum und zog ihn durch das Laken am Arm auf die Folie am Boden. Er machte ein dumpfes Geräusch, als er aufplumpste. Ich rollte ihn zur Mitte der Plane und schlug ihn dann wie ein Weihnachtsgeschenk darin ein: Erst links, dann rechts, dann den Kopf und zuletzt die Füße. Kein Blut war bisher auf den Boden getropft. Soweit, so gut. Aber dann fiel mir siedend heiß ein, dass ja die Wand was abbekommen hatte.
»Scheiße!«
Ich schaute hoch und betrachtete mir den etwa wallnussgroßen Fleck, direkt oberhalb des Kopfendes. Würde wohl doch nicht ganz so einfach werden. Ich würde nochmal in den Baumarkt stapfen müssen.
»Trocknet Farbe bei der schwülen Hitze überhaupt?«
Egal, darüber wollte ich mir jetzt noch nicht weiter Gedanken machen. Eins nach dem anderen. Denn ich musste ihn ja zunächst aus dem Schlafzimmer, die kleine Treppe runter, durch das Wohnzimmer und den Flur bis zur Kellertreppe schaffen. Dann wollte ich ihn da runter schleifen und erst mal in die große Kühltruhe legen.
Gerade, als ich mir überlegte, ob ich das unhandliche Paket überhaupt alleine die Treppe runter kriegen würde, passierte etwas, das ich nicht einkalkuliert hatte: Es klingelte an der Tür.
III.
»Fuck!«, fluchte ich.
Wer war das? Ich erwartete sicher keinen Besuch und für den Postboten war es eindeutig noch zu früh. Hektisch lief ich ins Wohnzimmer und streifte mit den Morgenmantel über. Ich vergewisserte mich, dass ich nirgendwo Blutflecken am Körper hatte, schaute nochmal kurz auf die eingewickelte Leiche am Boden und lief dann zur Haustür. Vorsichtig schaute ich um die letzte Ecke. Im Normalfall hätte ich ja einfach so getan, als sei ich nicht da. Das hätte ich sicher in neunundneunzigkommaneun Prozent aller Fälle getan. Aber nicht jetzt.
»Ach du Scheiße!«
Es war Ashley, meine beste Freundin. Hatte sie da ein blaues Auge? Weinte sie? Tatsächlich konnte ich durch die geschlossene Tür ein leises Schluchzen hören. Verdammt, was war denn los mit ihr? Sofort hatte ich den Abgeschlachteten vergessen. Ashley ging vor. Hatte Mike sie etwa wieder verprügelt? Natürlich hatte er das. Warum sonst sollte sie so früh zu mir kommen? Sie klingelte nochmal energisch und ich machte einen Satz zur Tür.
»Hey, Süße. Was ist denn mit dir los?«, fragte ich sie gleich. »Komm rein!«
Ashley und ich waren seit fast fünf Jahren dick befreundet. Wir hatten uns bei einem Straßenfest ganz in der Nähe kennengelernt und uns auf Anhieb sympathisch gefunden. Sie war witzig, schlagfertig und, im Gegensatz zu mir, wesentlich bodenständiger. Zumindest damals. Zu der Zeit war sie auch noch mit Roger zusammen gewesen, einem Börsenmakler. Aber den hatte sie dann irgendwann in den Wind geschossen, als sie herausgefunden hatte, dass er ihre Katze vergiftet hatte. Einfach, weil ihm das Vieh lästig gewesen war. Sicher hätte ich ihm, wenn ich an Ashleys Stelle gewesen wäre, dann auch irgendwann ein bisschen Arsen oder Salzsäure oder keine Ahnung was in den Morgenkaffee getan. Ich hatte nämlich zu der Zeit auch ein Haustier, einen Hund, und wusste, wie wichtig einem so ein Tier sein konnte.
Hatte ich eigentlich die Schlafzimmertür zu gemacht?