Gabriele Schillinger

Eine mysteriöse Entführung


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das, wir schaffen das, …“.

      Einen Monat später durfte Helene endlich wieder nach Hause. Karl kam, um sie abzuholen. Während der Autofahrt herrschte Stille. Es war einfach nicht mehr wie zuvor.

      Karl sperrte die Haustüre auf, stellte seiner Frau die Tasche ins Wohnzimmer, küsste sie auf die Stirn und ging wieder. Helene schaute ihm traurig nach. Wollte er einem Gespräch über die Zukunft aus dem Weg gehen, oder konnte er Helenes Nähe nicht ertragen?

      Das Haus fühlte sich irgendwie fremd an. Früher war es immer ein Ort der Geborgenheit und Wärme, doch nun strahlte es Kälte und Leere aus. Helene ließ sich weinend auf das Sofa fallen.

      In den nachfolgenden Tagen vermied Karl weiterhin, lange mit seiner Frau alleine in einem Raum zu sein. Manchmal blieb er sogar die ganze Nacht über weg. Seine Abwesenheit begründete er mit Arbeit. Es wäre zurzeit einfach viel zu tun und manche Geschäftsleute bevorzugten beim Abendessen über diverse Vertragsinhalte zu reden. Da dies zwar die Abende erklärte jedoch nicht die Nächte, vermutete Helene, eine andere Frau hinter sein Fernbleiben. Bald darauf bemerkte sie unbekannte Damendüfte auf seiner Kleidung.

      Als sie Karl damit konfrontierte, stritt er es nicht ab. Er meinte, dass sie derzeit ihren Ehepflichten nicht nachkommen konnte und er die Lücke mit anderen Frauen füllen musste. Obwohl er Helene versicherte, sie nicht weniger als zuvor zu lieben und er die Frauen nur für sein sexuelles Verlangen hatte, konnte sie dies nicht willigen. Karl legte aber noch nach. Er machte seiner Frau klar, dass er sie nicht um Erlaubnis fragen würde. Er hätte sie lediglich informiert, damit sie sich keine Sorgen machte, wenn er nachts nicht nach Hause kam.

      Helene konnte es nicht fassen. Kränkte sie mehr das Wort „Ehepflichten“, oder weil er erwartete, sie würde seine Seitensprünge so einfach tolerieren? Helene verstand schon, dass er Bedürfnisse hatte, doch sollten Eheleute Entscheidungen dieser Art nicht vorher miteinander besprechen?

      Helene verfiel in eine schlimme Depression.

      Sie lag den ganzen Tag über im Bett, hatte keine Lust mehr aufzustehen. Nachts geisterte sie im Haus herum und überlegte, was ihr Ehemann gerade machte. Dann kamen die Vorwürfe, weil sie damals hochschwanger mit dem Auto einkaufen fuhr. Obwohl sie den Autounfall nicht verursacht hatte, gab sie sich trotzdem die Schuld daran. Ebenso stellte sie ihr ganzes Dasein in Frage und schließlich sehnte sie sich nach dem Tod.

      Der Hausarzt machte sich Sorgen, verschrieb ihr Tabletten gegen die Depression und beauftragte Karl, einen Termin bei einem Gesprächstherapeuten auszumachen. Anfangs ging man von einer Hormonstörung aus, die noch von der abrupt beendeten Schwangerschaft her rührte, doch nachfolgende Untersuchungen bestätigten dies nicht.

      Es lag an Karls Verhalten, seinen Frauengeschichten, die sachlichen Begegnungen mit ihm und der dominante Vertrauensmissbrauch. All dies nagte, neben dem Verlust des Babys, an Helenes Zustand. Die Therapeutin versuchte ihr bewusst zu machen, dass Karl bislang immer ihr Fels in der Brandung war und sie sich zu sehr darauf verließ, dass es immer so sein würde. Sein Verhalten nach der letzten Fehlgeburt war zwar nicht richtig, aber auch er litt unter den vielen Rückschlägen. Erst nach vielen Therapiestunden realisierte Helene, dass sie ihren Ehemann nie mehr so zurückbekommen würde, wie er einmal war.

      Mit dem Schicksalsschlag fiel ein Verhaltensschalter bei ihm hinunter, der nicht mehr aufzuheben war.

      Immer wieder war sie am Rande ihrer Kräfte, lag Lebensverneinend den ganzen Tag lang im Bett. Dann wiederum strotzte sie vor Energie, wollte alles ändern, bis sie erneut leer in den Raum starrte. Selbst der Kontakt zu Freunden gestaltete sich als kompliziert. Helene weinte viel und mit diesem Zustand konnten die meisten nicht gut umgehen. Bald stellte sich heraus, dass ihre Freunde eher Bekannte waren, die sich vor Schicksalsschlägen anderer gerne abwanden.

      Endgültig zerrüttet

      Helene bekam Karl kaum mehr zu Gesicht, denn entweder war er in der Firma oder bei einer seiner Liebschaften. Ab und zu kam Ed vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Er brachte sie zu Arztterminen, ging einkaufen und hielt Helene fest, wenn sie vor Kummer weinte. Er war der einzige, der sich als Freund bewährte. Helene vertraute Ed all ihre Sorgen an, selbst über Karls Verhalten sprach sie mit ihm.

      Mancher würde denken, es wäre die ideale Gelegenheit seine Liebe zu gestehen, doch Ed wollte die Situation nicht ausnutzen. Beziehungen, die aus Kummer entstehen, gingen meist in Brüche, also würde er noch abwarten. Es lag ihm fern ein Trostpflaster zu sein, welches nach Abheilen der Wunde wieder weggeworfen wird.

      Es dauerte zwei Jahre bis sich Helenes Zustand langsam besserte. Karls nächtliche Ausflüge waren nicht gerade förderlich für die Erholung seiner Frau. Sie fühlte sich nach wie vor von ihm in Stich gelassen, womit sie auch Recht hatte.

      Als Helene wieder kräftig genug war, verlangte sie von Karl die Scheidung. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass er nicht einwilligte. Niemals wollte er die Trennung. Er schrie seine Frau an und erinnerte sie an ihre Verpflichtung die sie mit der Heirat einging. Eine Scheidung kam für ihn nicht in Frage. Für ihn war es eine Verbindung bis in den Tod.

      Helene schaute ihn mit aufgerissenen Augen an. Wann war ihr Ehemann blos so verrückt geworden? Hatten doch weder er noch sie wirklich etwas von dieser Ehe. Alles, was sie verband, war bereits verloren gegangen.

      Ed meinte, sie sollte beharrlich sein. Irgendwann käme die Zeit, in der Karl wieder vernünftig denken konnte und in die Scheidung einwilligte. Zumindest hoffte er darauf.

      Einige Zeit später fand Helene heraus, dass Karl eine seiner Liebschaften schwängerte. Er hielt nicht hinter den Berg damit, meinte, warum Helene sich derart darüber aufregte, sie konnte ihm ja kein Kind mehr schenken. Sie sollte einfach sein außereheliches Kind akzeptieren. Wie stellte er sich blos ein weiteres Zusammenleben vor?

      Karl erwartete, dass sich seine Ehefrau mit ihm freute, immerhin wurde er Vater. Merkte er nicht, wie abartig sie sein Verhalten empfand?

      Monate danach stand er plötzlich mit einen Baby am Arm im Wohnzimmer. Er erzählte Helene von seinem Plan, das alleinige Sorgerecht einzuklagen und dann könnte sie den Kleinen als ihr eigenes Kind adoptieren. Helene war fassungslos. Dachte er wirklich, das würde ihre Ehe wieder in Ordnung bringen? War das etwa die ganze Zeit über sein Plan?

      Obwohl Helene über den Vorschlag geschockt war, wollte sie darüber nachdenken.

      So viel wie an diesem Abend hatten die beiden schon lange nicht mehr miteinander geredet.

      Nächsten Tag machten sich die ersten Zweifel breit. Helene bemerkte, dass sie Überwindung zu groß war. Das Kind konnte zwar nichts für die Umstände, aber sie würde es nie wie ein eigenes lieben können. Zudem war viel zwischen ihr und Karl passiert. Sie konnte ihm einfach nicht verzeihen.

      Karl klagte währenddessen das alleinige Sorgerecht ein. Die leibliche Mutter war alleinstehend und arbeitslos. Er sah sich bereits als Gewinner. Dem Richter erzählte er, dass Helene und er das Kind gemeinsam aufziehen würden. Helene dementierte dies jedoch, was das Gerichtsverfahren ins Stocken brachte.

      Karl begann erneut täglich den Bogen zu überspannen und was schließlich das Fass zum Überlaufen brachte, war, als eine fremde Frau mit einem kleinen Kind vor der Türe stand.

      Sie wollte Karl sprechen, weil er für sein Kind zahlen sollte. Also ein zweites Kind war Helene dann wirklich zu viel, sie reichte die Scheidung ein.

      Karl stürmte mit dem Brief vom Anwalt in der Hand ins Haus. Er drohte, Helene zu zerstören, wenn sie den Antrag nicht sofort zurückziehen würde. Sie tat es dennoch nicht.

      Die Streitereien vor Gericht zogen sich drei Jahre hin. Helene schöpfte bei ihren Therapiegesprächen Kraft für diese schwierige Zeit.

      Inzwischen hatte Karl drei Kinder von unterschiedlichen Frauen. Da er gerade in Scheidung mit Helene lebte, waren die Anträge auf das alleinige Sorgerecht chancenlos. Er redete auf seine Frau ein, dass er nur mit den Frauen schlief, um ein Kind für sie gemeinsam zu haben. Er meinte doch wirklich, er hätte es für seine Ehefrau getan. Langsam zweifelte Helene