Gabriele Schillinger

Eine mysteriöse Entführung


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wurde klar, dass es noch zu früh war um an einen Job zu denken. Ein Misserfolg am Arbeitsplatz könnte sie nur noch mehr schwächen und ihr einen Rückschlag versetzen. Es war nicht gut, die Lebensfreude nur an eines zu knüpfen. Zuerst sollte Helene wieder die Schönheiten ohne Verpflichtungen finden. Musik und Natur sollten da gut helfen. Es wurden ihr daher lange Spaziergänge, Schaumbäder und Musikabende verordnet. Zuerst belächelte Helene die Vorschläge, doch bald bemerkte sie, dass es ihr gut tat.

      Karl wurde zunehmend nervöser. Seine Exfrau legte entweder gleich wieder auf, wenn er anrief, oder sie hielt das Telefonat derart kurz, dass er nichts Neues über sie herausbekam. Selten hatte er die Möglichkeit ihr Selbstbewusstsein zu boykottieren. Er war überzeugt, dass sie ohne ihn nicht leben konnte, nichts alleine auf die Beine stellen konnte. Seine Selbstwahrnehmung war im Laufe der Jahre getrübt und sein Sexleben hob das Ego, höher als gut für ihn war. Karl vergaß, dass Helene einen großen Anteil bei der Gründung der Firma hatte und ebenso an deren Wachstum. Alleine wäre er beruflich nie so weit gekommen. Er veränderte die Vergangenheit durch Selbstmanipulation und bemerkte es nicht einmal. Genauso wenig fiel ihm das Schrumpfen seines Kontoguthabens auf. Die vielen Liebschaften kosteten eine Menge Geld. Immerhin gab er sich als angesehener Mann, da konnte er sich schlecht kleinlich benehmen. Ebenso erzählte er von seiner ungerechten und undankbaren Exfrau. Nur die engsten Vertrauten und langjährigen Mitarbeiter kannten die Wahrheit über das ursprünglich geglaubte Traumpaar.

      Karl merkte seine zunehmende innere Unruhe. Es machte ihn wahnsinnig nicht zu wissen was Helene tat. Er musste etwas unternehmen.

      Barbara wurde zu ihrem persönlichen Motivator. Sie baute Helene nahezu jeden Tag auf, indem über Helenes Erfolge bei der damaligen Firmengründung geredet wurde. Da Barbaras Fuß wieder in Ordnung war, bestand sie darauf, vier Mal die Woche mit ihrer Freundin einen Spaziergang zu unternehmen. Die frische Luft und die Sonnenstrahlen taten beiden gut.

      Als Helene wieder einmal von einem Therapiegespräch nach Hause kam, bemerkte sie, dass ihre Wohnungstüre nicht verschlossen war. Hatte sie etwa vergessen abzusperren?

      Kurz darauf erstarrte sie. Jemand war in ihre Wohnung eingebrochen und hinterließ sie in einem furchtbaren Zustand. Mit zittrigen Fingern wählte sie die Nummer der Polizei.

      Die Beamten klopften an jede Türe im Stockwerk um die Nachbarn zu befragen, aber niemand wollte etwas von dem Einbruch bemerkt haben. Nicht einmal Barbara, die ansonsten sehr aufmerksam war, hatte etwas Ungewöhnliches gehört. Der Verbrecher hatte es in diesem Haus wohl leicht, denn der Lärmpegel war ziemlich hoch und so fügten sich die Einbruchsgeräusche wahrscheinlich dem ein.

      Sowohl den Polizisten als auch Helene war unklar, weshalb gerade in ihre Wohnung eingebrochen wurde. Sie hatte keine Wertgegenstände, außer dem Fernseher und der war noch an seinen Platz. Meist hatten es die Täter in solchen Häusern auf elektronische Gegenstände abgesehen, doch hier schien nichts zu fehlen. Es sah fast aus, als hätte der Einbrecher etwas Bestimmtes gesucht. Der Inhalt von Kommoden und Kästen befanden sich verstreut am Boden. Geschirr und Bilder wurden mutwillig zerbrochen. Wer hatte es auf Helene abgesehen?

      Barbara nahm ihre Freundin in den Arm.

      Helene hatte Angst, lieber wäre es ihr gewesen, wenn es die Einbrecher auf Wertgegenstände abgesehen hätten.

      Am nächsten Tag half Barbara ihr bei den Aufräumarbeiten. Vom Geschirr blieb kaum etwas übrig, was noch zu verwenden war. Sogar die Bekleidung war zum Teil kaputt. So wie es schien, war der Einbrecher voller Zorn gewesen. Das neue Schloss an der Türe beruhigte Helene nicht wirklich, denn es war genauso leicht zum Aufbrechen wie das zuvor.

      Barbara fühlte mit ihrer Freundin mit, versuchte sie auf andere Gedanken zu bringen und verbrachte nun noch mehr Zeit mit ihr. Aber jedes Mal, wenn Helene das Haus betrat kam ihre Angst wieder hoch, ob erneut die Türe aufgebrochen sein könnte. Nachts erschrak sie bei jedem noch so kleinen Geräusch. Sie bereute, nicht um einen angemessenen Teil bei der Scheidung gekämpft zu haben, jetzt könnte sie das Geld gut für eine andere Wohnung brauchen. Karl nutzte damals schamlos ihre seelische Verfassung aus. Niemals hätte sie gedacht, dass er sich zu einem derartigen Ekel entwickeln würde.

      Als Karl sich telefonisch wieder einmal meldete, wollte er sein Bedauern über den Einbruch bei Helene ausdrücken, doch woher wusste er überhaupt davon?

      Er bot ihr im Zuge dessen doch tatsächlich an, dass sie wieder bei ihm einziehen könnte. Was dachte er sich blos dabei? Niemals zog Helene dies in Betracht.

      Karl glaubte wirklich daran, Helene könnte eines Tages wieder an seiner Seite stehen und die Mutter für seine außerehelichen Kinder spielen.

      Helene unterrichtete die Polizei von ihrem Verdacht, Karl könnte hinter den Einbruch stecken. Bei dem Gedanken an seine eigene Exfrau huschte den Beamten ein grinsen über die Lippen. Niemals würde er sie wieder zurückhaben wollen. Helene bemerkte seine Skepsis, hoffte aber trotzdem darauf, ernst genommen zu werden.

      Die Angst in der eigenen Wohnung brachte sie in den Wahnsinn. Selbst auf der Straße drehte sie sich ständig um, weil sie an einen Verfolger dachte. Jeder, der sie auch nur kurz ansah, war verdächtig. So konnte es nicht weiter gehen.

      Die Ärztin verschrieb ihr Schlaftabletten. Anscheinend dachte sie, dass der Schlafentzug ihre Phantasie übertrieben anregte. In Helenes Wohngegend wurde oft eingebrochen, auch wenn es ein wenig seltsam war, dass nichts gestohlen wurde, so glaubte die Therapeutin nicht an einen gezielt persönlichen Akt. Wahrscheinlich war die Wahl der Wohnung nur Zufall. Ein paar Jugendliche, die sich gegenseitig mit Vandalismus beeindrucken wollten.

      Die Schlaftablette wirkte rasch. Helene schlief tief und fest, doch brauchte es ein paar Tage. bis sie sich daran gewöhnte. Anfangs taumelte sie und hätte 24 Stunden durchschlafen können. Diese Nebenwirkungen verschwanden aber bald.

      Barbara kümmerte sich unterdessen ums Kochen. Helene vergaß meist etwas zu essen, also brachte sie ihr täglich etwas hinüber, damit ihre Freundin wieder zu Kräften kam.

      Wenn Helene wieder einmal teilnahmslos vor sich hinstarrte, zerrte Barbara sie von der Couch und ging mit ihr an die frische Luft.

      Die Polizei hatte noch keine Neuigkeiten was den oder die Einbrecher betraf. Der Kommissar machte auch keine großen Hoffnungen, dass sie den Fall je abschließen konnten.

      Helene kam zunehmend wieder auf die Beine. Sie begann sich wieder für Themen zu interessieren, die nichts mit ihrem eigenen Schicksal zu tun hatten. Auch die Lust auf Essen meldete sich und manchmal stellte sie sich sogar zum Herd um etwas zu kochen. Sollte sich nun alles wieder zum Guten wenden?

      Helene musste ihren Pass verlängern. Bei der Vernehmung wegen des Einbruchs hatte sie sich ausgewiesen und dabei bemerkte, dass er schon abgelaufen war. Am Amt waren Unmenge Leute also konnte sie sich auf eine lange Wartezeit einstellen. Sie kam mit einer anderen Frau in der Warteschlange ins Plaudern. Eigentlich waren es nur belanglose Themen, aber es tat gut mit jemanden zu reden, die nichts von ihren Problemen wusste. Genau genommen lästerten sie ein bisschen über die anderen Leute in der Warteschlange. Da war eine ungepflegte Frau, dort wiederum ein Mann mit dicker Jacke, obwohl es ziemlich heiß im Gebäude war, oder eine Mutter die ihre Kinder nicht im Griff hatte. Immer wieder fand sich ein neues Opfer zum ab lästern. Doch da gab es auch einen Mann, der einfach nur auf einer der Bänke saß. Er hatte eine Schirmkappe auf, die weit ins Gesicht gezogen war. Es war nicht zu erkennen, ob er eingeschlafen war oder auf jemanden wartete.

      Die Zeit verging schneller als gedacht und endlich war Helene an der Reihe. Mit ihren Fingerabdrücken war alles aufgenommen und in ein paar Tagen würde der neue Ausweis fertig sein.

      Als sie das Amt wieder verließ, bemerkte sie, dass der Mann mit der Schirmkappe ebenfalls ging. Seltsamerweise hatte er den gleichen Weg wie sie und gleich kam der Gedanke an einen Verfolger wieder hoch. Helene beschloss spontan in eine Konditorei zu gehen und setzte sich dort für eine Tasse Kaffee in den Schanigarten. Der Mann setzte sich auf eine Parkbank, mit guter Sicht zum Café. Das konnte doch kein Zufall sein!

      Helene beobachtete die seltsame Gestalt und nach einiger Zeit ging er seines Weges.

      Ein wenig