Christoph Hoenings

DAS GESCHÄFT - TEIL 1


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spreche nicht von einer Handvoll von Trawlern. Die kommen mit zwanzig, dreißig und mehr Schiffen, darunter Fabrikschiffe, auf denen der Fang sofort verarbeitet wird. Die peruanische Flotte ist zu klein und überaltert, um reagieren zu können. Chavez liegen Berichte vor, nach denen beim Erscheinen seiner Marine die Fischereischiffe sich über den Horizont und aus unserer Zweihundertmeilenzone davonmachen. Die sind schneller als unsere Marineeinheiten."

      "Señor Fernandez, hierfür käme man auch mit Fischereischutzbooten aus. Solch einfache Schiffe sind preiswerter und leichter zu beschaffen. Wenn wir allein über Fischereischutz sprechen, ist der Wunsch nach Korvetten überzogen. Bei Korvetten reden wir selbst bei nur leichter Bewaffnung über Schiffe mit einem Stückpreis von mindestens hundert bis hundert fünfzig Millionen Dollar."

      „Señor Graf, das ist Chavez bewusst. Der Druck auf Chavez kommt nicht nur aus dem Fischereiministerium. Peru ist von der Fläche her ein großes Land, aber wirtschaftlich ein Zwerg. Wir haben enorme Probleme, was Armut in weiten Teilen der Bevölkerung angeht. Die Fischerei ist wesentlicher Bestandteil unserer Wirtschaft. Wir stehen unter Druck der USA, mehr zur Bekämpfung des Drogenschmuggels zu tun. Unser Nachbar Chile hat sich wirtschaftlich erholt und baut eine eigene Rüstungsindustrie auf. Ecuador im Norden macht Ärger. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass wir ungeklärte Grenzverläufe im Amazonasgebiet haben. Auch wenn im Moment das Verhältnis zu beiden Ländern friedlich ist, es ist keinesfalls freundschaftlich. Chavez sieht die Chance, jetzt ein solches Projekt durchzubringen. Neue Schiffe braucht er ohnehin. Verteidigungsminister General Urraca hat ihm Unterstützung zugesagt. Nur, wenn wir dieses Vorhaben offiziell angefragt hätten, hätten Sie wahrscheinlich eine Absage erteilt. Ich kann angesichts der Lage unseres Landes und unserer Auslandsverschuldung Ihre Skepsis verstehen.“

      Graf sah Fernandez mit ausdruckslosem Gesicht an, sagte aber nichts.

      „Insofern ist Rogerio Chavez dankbar, dass Sie sich der Mühe der Reise hierher unterzogen haben. Die deutsche Industrie hat genügend oft bewiesen, dass sie auch für ärmere Länder Finanzierungskonzepte hat finden können. Deshalb hat Chavez mich gebeten, Kontakt zu Ihnen zu suchen. Er sieht jetzt eine Chance, seine Marine mit modernen und schlagkräftigen Schiffen auszurüsten."

      "Señor Fernandez, die Ausarbeitung eines Angebotes für militärische Schiffe und die Verfolgung eines Projektes bis zum Vertragsschluss kostet mehrere Millionen Dollar. Da möchte ich sicher sein, dass wir über eine seriöse Sache sprechen, bevor wir soviel Geld ausgeben. An der Ernsthaftigkeit des Interesses von Admiral Chavez habe ich keinen Zweifel. Aber wie stellt sich Ihre Regierung dazu? Was sagt Ihr Finanzminister, Ihr Parlament? Außerdem sehe ich nicht, wie ein Projekt dieser Größe von Kabinett und Parlament genehmigt werden soll, wenn nicht auch Ihr Präsident dies eindeutig befürwortet.“

      Graf nahm noch einen Schluck Wein.

      "Señor Graf," auch Walter Fernandez trank einen Schluck aus seinem Glas, bevor er fortfuhr, "Wir haben uns hierüber Gedanken gemacht. Was Wege ebnen wird, werden die uns aus dem Geschäft zufließenden Mittel sein, die wir hierfür einsetzen können."

      Fernandez nahm einen weiteren Schluck.

      Aha, dachte Graf, ich hab mich schon gefragt, wann er damit herauskommt.

      ---

      Oberst Carlos Garcia Alvarez pfiff vergnügt zur Melodie aus dem Autoradio. Er war gut gelaunt. Er hatte zugesehen, wie Graf sich im Sheraton Hotel registrierte. Danach

      war er über die Via Expresa in den Stadtteil San Isidro gefahren und hatte in der Nähe des Einkaufszentrums vor einem der kleineren Häuser geparkt, in denen ein Teil des Mittelstandes von Lima wohnt, Lehrer, Beamte, Angestellte.

      Roxana wusste von seiner Familie. Sie wusste Namen und Geburtstage seiner vier Kinder. Roxana arbeitete für Garcia, nicht als seine Sekretärin, aber für seine Abteilung. Dass sie kein Wort Deutsch verstand, machte nichts. Sie wusste, dass sie ihren Job ihm zu verdanken hatte, ebenso wie die für ihre Tätigkeit unangemessen hohe Bezahlung. Garcia war stolz auf dieses Arrangement, das ihm ermöglichte, sich eine Geliebte auf Kosten des peruanischen Staates zu halten. Das war das Schöne beim Geheimdienst: Es wurden keine Fragen gestellt.

      Roxana war eine schöne Frau, mit heller Haut, aber fast schwarzen, mandelförmigen Augen. Ihr langes schwarzes Haar trug sie jetzt offen, normalerweise war es zu einem Knoten am Hinterkopf aufgesteckt. Sie wusste sich geschmackvoll zu kleiden. Ein paar Mal hatte er sie zu Empfängen bei ausländischen Botschaften mitgenommen, zu denen er eingeladen wurde. Er hatte sie aber stets als Mitarbeiterin, nie als Freundin vorgestellt, Gottseidank, als ihn jemand in Gegenwart seiner Frau auf die attraktive Begleitung ansprach, mit der er gesehen worden war.

      Garcia selbst war unscheinbar, wenn er keine Uniform trug. Mit seinen sechsundvierzig Jahren litt er darunter, dass von seinem früher vollen Schopf nur noch ein spärlicher Haarkranz übrig war. Dies versuchte er zu kaschieren, indem er sich das Haar von der Seite quer über den Schädel kämmte und mit Pomade festklebte. Er war nicht groß, neigte aber zur Körperfülle.

      "Ich muss dich um etwas bitten. Dienstlich."

      Roxana hatte sich zunächst verwundert gezeigt.

      "Heute früh ist ein Geschäftsmann aus Deutschland angekommen, dem ich auf die Finger sehen will. Er heißt Graf, Rupert Graf. Ich möchte, dass du versuchst, mit ihm bekannt zu werden und ihn aushorchst. Er wohnt im Sheraton. Ich bin sicher, dass, wenn er vom Abendessen zurückkommt, er in der Hotelbar noch einen Drink nimmt. Ich will wissen, was er hier tut."

      "Wie soll ich ihn kennen lernen?"

      "Du setzt dich in die Bar und wirfst ihm schmachtende Blicke zu. Das sollte genügen."

      "Und dann?"

      "Sprich mit ihm. Männer sind geschwätzig, wenn sie mit einer Frau zusammensitzen. Sie sind froh, von sich zu erzählen, und dankbar, wenn ihnen jemand zuhört."

      „Bist du auch dort?“

      „Nein, ich habe ein Essen in der Familie. Ich will wissen, warum er hier ist, wen er trifft, was er bespricht. Sein Aufenthalt hat mit einem Regierungsgeschäft zu tun."

      "Spricht er Spanisch?"

      "Keine Ahnung. Aber du kannst dein Englisch an ihm ausprobieren. Schließlich lernst du das auf Kosten unserer Behörde."

      "Wie erkenne ich ihn?"

      "Ich weiß, wo und wann er zu Abend essen wird. Wir fahren bei dem Restaurant vorbei. Ich zeige ihn dir. Er ist groß, schlank und völlig kahl. Die Deutschen essen immer früh. Setz dich später am Abend in die Hotelbar und warte. Vor elf Uhr brauchst du nicht dort zu sein."

      "Warum interessierst du dich für den Mann?"

      "Das überlass mir!“

      Garcia hatte Roxana diese Aufgabe nicht gerne übertragen.

      Aber wenn die Geschichte lief, wie er sich das dachte, würde eine Menge Geld für ihn drinstecken. So blöd wie bei den Schützenpanzerwagen würde er nicht nochmal sein. Damals hatte er sein Wissen gemeldet. Die Deutschen hatten den Preis nachgelassen, aber längst nicht in der Größenordnung, die er der peruanischen Seite vorgegeben hatte. Jemand hatte die Differenz eingestrichen.

      Diesmal wollte Oberst Carlos Garcia Alvarez an sich denken.

      ---

      "An welche Größenordnung denken Sie, Señor Fernandez?" fragte Graf. Ludwig Kinzel war gerade dabei, Getränke nachzuschenken. Das Hausmädchen wurde jetzt nicht gebraucht.

      "Señor Graf, Rogerio und ich haben uns lange beraten. Fünfzehn Prozent."

      Walter Fernandez griff nach seinem Whiskyglas.

      Graf verzog keine Miene. Bei einem Auftragswert von 500 Millionen Dollar, wenn er von vier einigermaßen ausgerüsteten Korvetten ausging, wollte dieser Mann 75 Millionen!

      „Sie wissen, dass in Europa mittlerweile das Zahlen von Schmiergeldern an Amtsträger auch im Ausland verboten ist?“ fragte Graf.

      „Es ist kein Schmiergeld, Señor