HaMuJu

Paulo und Liang (7)


Скачать книгу

Liang auch bei der Lese seiner deutschen Trauben helfen. Die Weinlese begänne in zwei Tagen, sagte Liang, sein Vater, seine Mutter und sein Bruder würden helfen, vielleicht könnte er noch einige Bekannte aus dem Dorf gewinnen, es gäbe Lohnarbeiter, die ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten, er würde sehen. Die Trauben, die Liang da aus Deutschland hatte, waren meiner Meinung nach vielversprechend, aber ich war ja kein Sommelier. Liang hatte schon eher das Vermögen, Weine auf ihren Gehalt hin zu beurteilen, aber es gab ja noch keinen Wein, sondern zunächst nur die Trauben an den Weinstöcken.

      Die Sonne beschien den Hang den ganzen Tag über, nachts war es kühl, insgesamt war es niederschlagsarm, zur Bewässerung diente das Schmelzwasser aus dem Tienshan, optimale Bedingungen also, um einen guten Tropfen zu erhalten. Wir gingen wieder nach Hause und Liang zeigte mir den großen Bottich im Gerätehaus, er überprüfte die Spindelpresse auf ihre Funktion hin. Dann untersuchte er den Wagen, mit dem die Trauben geholt würden, kontrollierte den Luftdruck in den Reifen und die Tragekiepen, ob bei ihnen die Schulterriemen in Ordnung waren. Ich half Liang dabei, besonders als es darum ging, den Bottich zu reinigen. Ich stellte mich hinein und schrubbte den hölzernen Boden und die Wände mit einer Wurzelbürste. Am Nachmittag war die Arbeit erledigt und wir setzten uns in die Laube. Ich fragte Liang, was er an den Deutschen mochte und was er an ihnen nicht mochte. Liang überlegte eine ganze Zeit lang, bevor er antwortete, dann sagte er, dass er die Strebsamkeit und den Arbeitswillen an den Deutschen gut fände. Jedem wäre klar, dass es ein Leben ohne Arbeit nicht gäbe, alle müssten in einer Volkswirtschaft an der Erstellung des Bruttosozialproduktes beteiligt sein. Nicht so gut hätte er gefunden, dass viele verbissen und verbohrt wären, auch Fremdenfeindlichkeit hätte eine Rolle gespielt, als er sich im Rheingau aufgehalten hätte, es gäbe in Deutschland zu wenig Gelassenheit. Wie ich denn die Chinesen fände, wollte Liang dann im Gegenzug von mir wissen.

      Ich überlegte auch eine Weile und sagte, dass ich, um mir ein gründliches Urteil über die Chinesen erlauben zu können, noch nicht lange genug in China wäre, eines wäre mir aber schon in der kurzen Zeit meines Aufenthaltes aufgegangen, das Vorurteil behaftete Bild von China, wie es in Europa noch bei weiten Teilen der Bevölkerung verbreitet wäre, das würde so nicht mehr stimmen. Es gab den gleichförmigen Ameisenstaat nicht mehr, wie er unter Mao zur Zeit der Kulturrevolution propagiert wurde, auch in China würde Individualität betont, allerdings hätte ich mir Gedanken zur chinesischen Nationalitätenpolitik gemacht. China wäre wegen seiner Größe schon ein besonderes Land mit vielen Volksgruppen, Kulturen und Religionen und von daher schon nicht so einfach mit einem europäischen Land zu vergleichen. Dann wollte Liang, dass wir uns Gedanken zu einem Fernsehclip machten, er wollte sich nicht einfach einem Fernsehmacher ausliefern und etwas eigenes vorweisen können. Ich war einverstanden und wir saßen mit Papier und Bleistift in der Laube und überlegten. Liang meinte, dass wir uns einen Werbespruch überlegen sollten, der zöge, der in das Herz der Chinesen zielte. Man müsste zuerst überlegen, was den Chinesen heilig wäre, dann käme man schon auf ein Werbemotto. Heilig wäre den Chinesen ihre Familie, das müsste im Kern der Werbebotschaft angesprochen werden, man müsste eine Verbindung zwischen dem Wein und der Familie herstellen. Damit war in meinen Augen alles klar. Der Clip müsste ein Ehepaar mittleren Alters mit einem Kind zeigen, das sich in seinem Wohnzimmer aufhielt und sich wohlfühlte. Dann müsste die Frau eine Flasche Wein aus der Küche holen und beiden ein Glas einschenken. Mann und Frau würden sich zuprosten, ob sie sich auch küssen dürften, müsste Liang entscheiden, das Kind spielte mit seinem neuen Spielzeug und war glücklich, das wäre alles. So ein Clip dürfte in der Regel ja nur dreißig Sekunden dauern! Liang fand die Grundidee hervorragend, er glaubte, dass mit dem Familienklischee viele angesprochen würden. Auch jungen Leuten würde man damit aus der Seele sprechen, eine glückliche Familie strebten schließlich alle an.

      Wir schrieben unsere Werbeidee auf und fertigte ein paar Zeichnungen zu den Räumlichkeiten an. Es sollte ein typisches Wohnzimmer sein, ein Sofa, ein Wohnzimmertisch, vor dem Tisch lag ein Teppich, auf dem der Junge (!) mit seinem Spielzug spielte. Der Mann war das Familienoberhaupt und das sollte auch vermittelt werden, er machte es sich auf dem Sofa bequem, die Frau umsorgte ihn. Das traditionelle chinesische Rollenverständnis durfte nicht angetastet werden, es musste im Gegenteil im Werbespot betont und so bestätigt werden.

      Wir dachten beide, dass der Clip in seiner Grundstruktur stand. Es ging dann noch um einen Namen für den Rotwein und einen für den Weißwein. Es gab schon Namen wie „Drachenperle“ oder „Stutenauge“, diese Namen waren für den europäischen Geschmack aber eher ungewöhnlich, aber „Kröver Nacktarsch“ oder „Liebfrauenmilch“ waren auch nicht gerade gewöhnlich. Die Namen mussten das Leichte und Spritzige betonen.

      Die Namensfindung stellte sich als schwerer heraus, als ich gedacht hatte. Namen wie „Stierblut“ oder „Mädchentraube“ schieden aus, sie suggerierten Schwere und gehaltvolle Süße. Auf der anderen Seite musste man an den Geschmack der Chinesen denken und da war ich mir sehr unsicher, ich konnte den chinesischen Zeitgeist nicht einschätzen.

      Vielleicht sollte der Clip etwas Deutsches enthalten, denn die Deutschen wurden in China geachtet. Wir schoben die Namensfindug noch etwas vor uns her, so sehr eilte das ja auch nicht. Liang setzte sich aber mit dem Fernsehen in Verbindung und vereinbarte ein Treffen mit den Fernsehleuten in der nächsten Woche.

      Liangs Mutter rief uns zum Tee ins Haus, sie hatte gebacken und ließ uns von ihren köstlichen Kuchen probieren. Liangs Vater saß auf dem Sofa, trank eine Tasse Tee und rauchte eine seiner stinkenden filterlosen Zigaretten. „Weiße Perle“, sagte Liangs Mutter mit einem Male, das wäre doch ein passender Name für einen leichten Weißwein. Liang schaute mich an, ich nickte und fand den Namen sehr eingängig und passend, den würden wir nehmen, sagte Liang und dankte seiner Mutter. Dann sagte ich, dass ich für den Rotwein „Roter Flammenberg“ ganz treffend fände und Liang stimmte mir zu. Merkwürdig war, dass wir zuerst in der Laube gesessen und uns lange die Köpfe zerbrochen hatten und dann einem plötzlich innerhalb von Minuten die Namen einfielen.

      Zugegeben, sehr kunstvoll oder einfallsreich war der Name „Roter Flammenberg“ nicht, und man hätte in Deutschland sicher Schwierigkeiten, einen Wein mit einem solchen Namen zu verkaufen, der Name war aber ein Hinweis auf die Lage und den Charakter des Weines und wenn Liang mit dem Namen einverstanden wäre, würden wir den Namen auch nehmen. Nach dem Tee gingen wir wieder in die Laube, Liang sagte, dass er am nächsten Tag wieder Trauben in Turpan verkaufen müsste. Ich würde ihn begleiten, sagte ich.

      Am nächsten Morgen fuhr uns Akuma mit dem LKW zum Stadtrand, von wo aus wir mit dem Karren ins Zentrum liefen. Der Karren war voll bepackt mit frischen kernlosen Trauben und mit Rosinen. Als wir in Höhe des Tulufan Museum waren, stellte Liang den Karren an den Straßenrand, nahm eine Kiste und setzte sich darauf. Werktags war in Turpan mächtig etwas los, wenn ich da an den zurückliegenden Sonntag dachte, als sich kaum jemand auf der Gaochang Road blicken ließ. Der Traubenverkauf lief sehr gut, am Mittag war schon das meiste weg. Die Alten kauften meistens Rosinen, während die Jungen Weintrauben nahmen und ihren Kindern davon gaben. Sie wuschen sie in einem der Brunnen an der Straße. Die Alten davon zu überzeugen, Wein zu trinken, würde sicher sehr schwer werden, aber wer wusste schon, wie die Werbung anschlagen würde?

      Es gab in China schon fünf Regionen, in denen Weintrauben angebaut wurden, das North Eastern Plateau, die Bohai Bay, die Ancient Yellow River Area, die North Western Area und Shacheng. Aber nirgendwo in China gab es extensiven Weinbau, es fehlte einfach der Markt. Die natürlichen Voraussetzungen waren in China wenigstens in den genannten Regionen gegeben. Die Chinesen tranken aber lieber Reiswein, Pflaumenwein, Reisschnaps und Pflaumenschnaps. Diese Konsumgewohnheiten zu durchbrechen, darin sah Liang seine Aufgabe.

      Am Nachmittag hatte Liang seine Tauben verkauft und etwas Geld verdient, viel war das nicht, es würde aber reichen, um zwei, drei Tage über die Runden zu kommen. Reich konnte man mit dem Traubenverkauf nicht werden, so viel war klar. Aber Liang wollte an der Situation etwas ändern, nicht dass er unzufrieden gewesen wäre, aber er dachte durchaus daran, sich einmal ein Auto oder ein Häuschen zu kaufen. Mit dem Traubenverkauf war das nicht möglich. Als wir wieder zu Hause waren, setzten wir uns auf ein Bier in die Laube. Am nächsten Morgen müssten wir früh zur Weinlese aufstehen. Akuma hatte im Dorf noch einen Bekannten angeheuert, der gegen Lohn mithelfen würde. Wir aßen zu Abend und gingen