Peter Schottke

Patrick und die Grubengnome


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nicht, aber insgeheim fragte er sich, ob es ihm gelungen wäre, einen solchen Brocken aus dem Sumpf zu hieven.

      „Ich heiße Pek”, stellte sich der Mann vor. „Was hast du hier im Großen Modder verloren?”

      „Vielleicht fischt er gerne im Trüben”, kicherte jemand. Patrick wandte sich um und erblickte einen zweiten Kahlköpfigen, ebenso wie der erste in Fell und Leder gekleidet. Dieser war dünner und hatte ein schelmisches Grinsen aufgesetzt. Seine Stimme klang scheppernd, als ob ständig ein Gekicher unter der Oberfläche köchelte.

      „Ich habe auf jemanden gewartet”, sagte Patrick.

      „Dafür gibt es hübschere Orte.”

      „Das konnte ich mir leider nicht aussuchen.”

      „Gehört das dir?” Der Stämmige hielt Patrick ein ramponiertes Objekt vor die Nase.

      „Mein Plauderbalg!” Patrick nahm ihn dankbar entgegen. Wenigstens etwas, das ihn an die verlorenen Gefährten erinnerte.

      Der Dünne sagte: „Wir haben ihn dort gefunden, wo das Sumpfgebiet beginnt. Daraufhin dachten wir uns, wir sollten mal nachschauen, ob der Eigentümer nicht im Sumpf oder in Schwierigkeiten oder in beidem steckt.” Er kicherte wieder.

      „Gak ist ein Witzbold”, erklärte Pek. Dann ließ er seinen Blick über den Morast gleiten und runzelte die Stirn. „Wir sollten jetzt von hier abhauen.”

      Patrick wandte ein: „Ich kann nicht weg! Ich muss hier warten!”

      Gak grinste. „Auf die da?” Er deutete nach unten, wo ungefähr ein Dutzend Schlickschlangen aus dem Schlamm krochen und sich auf Patricks Füße zuringelten.

      Patrick sprang entsetzt beiseite. „Beißen die?”

      „Nur wenn sie Hunger haben.”

      „Wann haben sie Hunger?”

      „Immer.”

      Patrick begann Gaks Humor zu hassen. Er rettete sich aus der Reichweite der Reptile und forderte Pek auf: „Worauf warten wir noch? Nichts wie weg hier!”

      Kapitel 3: Ganggegrummel

      Minimister Obeidian besichtigte die neuesten Schäden. Er hielt dies für seine Pflicht, wenngleich Derartiges genau genommen nicht in seinen Geschäftsbereich fiel. Doch solange der König bettlägerig war, wollte er wenigstens irgendetwas Nützliches tun, und so kraxelte er auf den Überresten des Osthanges herum, seine Amtsrobe mit der Hand etwas hochraffend, um nicht zu stolpern. Wieder und wieder schüttelte er den Kopf und schnalzte bedauernd mit der Zungenspitze. Der letzte Angriff des Riesen hatte nicht nur den Speisesaal und dessen Dach demoliert. Auch an den Berghängen rings um den Palast hatte die Riesenhand mehrmals herzhaft zugegriffen. Die ausgehobene Erde hatte sie achtlos über die benachbarten Ansiedlungen geschleudert; zahlreiche Häuser und Gehöfte waren verschüttet.

      Besonders tiefe Erdlöcher klafften hier an der Ostseite. Obeidian runzelte die Stirn. Es sah schlimmer aus, als er befürchtet hatte. Wenn das so weiterging mit diesen Riesenangriffen, dann …

      Ein grummelndes Geräusch irritierte ihn.

      Er wandte sich zu den drei Zwergen der Palastwache um, die ihn begleiteten. „Was war das?”

      Die drei zuckten die Achseln.

      Obeidian suchte mit den Augen die ausgedehnte Grube ab, die in den Berg gekerbt worden war. Überall ragten Wurzeln aus den Wänden und schroffe Felsspitzen waren freigelegt. Obeidian sah noch genauer hin. Zwischen den Felsbrocken, die in der Grubenwand steckten, waren Öffnungen.

      Sand rieselte.

      Das grummelnde Geräusch erklang erneut.

      Obeidian zückte sein Tuch. Er hob es zur Stirn, doch dann hielt er inne. Was wäre, so kam es ihm in den Sinn, was wäre, wenn diese Öffnungen nicht nur kurze Einschnitte in den Berg wären, sondern sich zu weiteren Hohlräumen fortsetzten? Was wäre, wenn dies Eingänge wären zu -

      Obeidian wurde schwindlig. Er steckte das Tuch unbenutzt in die Tasche zurück und lehnte sich gegen einen Felsbrocken. Geröll klockerte unter seinen Sohlen talwärts.

      Ihm wurde klar: Er musste sich der Wahrheit stellen. Eingänge war das falsche Wort.

      Wenn er mit seinen Befürchtungen recht hatte, dann handelte es sich um Ausgänge.

      Kapitel 4: Morastsumpf

      Prinz Nanobert kämpfte sich durch das wilde Gewirr von Moorgewächsen und Schlingpflanzen, auf der Suche nach seiner Schwester, die der Vulkandrache entführt hatte. Stechmücken fügten ihm tückische Stiche zu. Immer wieder schossen Schlickschlangen aus dem Morast und attackierten ihn mit ihren Giftzähnen. Wie Pfeile, von Unterwasserschützen abgefeuert, stachen sie hervor, und Nanobert hatte alle Mühe, sie mit seinem Kurzschwert abzuwehren.

      Er schwitzte. Die Luft war feucht und heiß.

      Wohin weiter? Nanobert sah vor sich nichts als dichten Dschungel. Die Bäume wurzelten im Sumpfgrund und erstreckten sich hoch bis zum Himmel, und sie standen jetzt so eng, dass er sich mit seinem Schwert kaum noch durchschlagen konnte.

      Eine braungrüne Wand aus Holz und Blattwerk stand vor ihm.

      Er fühlte seine Kräfte schwinden. Die Waldwand sah verteufelt undurchdringlich aus.

      „Milliane!”, heulte Nanobert auf. „Konntest du dir nicht einen zugänglicheren Unterschlupf aussuchen?”

      Keinerlei Echo. Der Sumpfdschungel schluckte jeden Hall.

      Er bahnte sich weiter den Weg durch die Baumbestände und schimpfte bei jedem Schwerthieb: „Schwestern! Schwestern! Niemals sollte man sich mit Schwestern einlassen!”

      Die Flüche erleichterten ihm seine Arbeit ein wenig, doch schon bald ließen seine Kräfte wieder nach. Nanobert fragte sich, wie man es nur schaffen sollte, in diesen Dschungel einzudringen. Wo war dieses dreimalverfluchte Drachennest?

      Und während er mit seinem Kurzschwert gegen den grünen Feind weiterfocht, kam ihm die Erkenntnis: Natürlich! Nur durch die Luft kann das gelingen! Drachen können fliegen, aber ich zu Fuß habe keine Chance!

      Er ließ sein Schwert sinken und setzte sich auf eine Baumwurzel. Seine Füße staken bis zu den Knöcheln im Sumpf. Da! Eine Schlickschlange zuckte heran und schnappte nach seinem Bein! Nanobert reagierte sofort und klatschte sie mit der flachen Schwertklinge beiseite. Das Reptil grub sich zurück in den Morast.

      Das konnte nicht mehr lange so weitergehen.

      Nanobert wischte sich den Schweiß von der Stirn und suchte eine Stelle, an der die Pflanzen nicht ganz so dicht beisammen wuchsen. Dann atmete er tief ein, straffte die Schultern und schlug sich den Weg frei.

      Kapitel 5: Boldbehausungen

      Der stämmige Pek schritt voran, der dünne Gak bildete die Nachhut. Patrick ging zwischen den beiden, den Plauderbalg umgehängt. Quakarotti lugte aus seiner Hemdtasche.

      „Wohin gehen wir?”

      „In unser Lager”, antwortete Pek.

      Eine Zeitlang herrschte Schweigen, dann erkundigte sich Patrick: „Gehört ihr zu den Grenzwachen?”

      Pek lachte rau. „Sehen wir aus wie Zwerge?”

      Das gab Patrick zu denken. Nein, Zwerge waren kleiner und hatten Haare auf dem Kopf. Und die Bekleidung dieser Gesellen wirkte derber, als seien sie an ein Leben in der freien Natur gewöhnt.

      „Wir sind Bolde”, sagte Pek und riss Patrick damit aus seinen Gedanken. „Wir haben mit Zwergen nichts zu tun. Und wir wollen auch gar nichts mit ihnen zu tun haben.”

      „Zwerge sind unter unserem Niveau”, bemerkte