Susanne Holzer Sybille Maier-Ginther

Hand aufs Herz


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noch weiser und (leider!) noch nicht mal ein bisschen weniger müde machen. Was es jedoch vielleicht kann, ist dich im allumfassenden Babychaos wieder mal zum Lachen zu bringen. Vielleicht auch dazu, dir beruhigt zu denken: Es geht nicht nur mir so! Möglicherweise hat es auch nur den Effekt, dass du nachher mit dem Finger auf uns zeigen und sagen kannst: „Die beiden kriegen das ja noch viel weniger auf die Reihe als ich!“

      Und genau das wünschen wir uns. Ersteres vielleicht ein bisschen mehr als Letzteres, aber im Prinzip geht es uns darum, dass sich frisch gebackene Mütter nicht mehr so alleine fühlen mit ihren Sorgen, Ängsten und Nöten. Dass sie endlich sagen können: „Genau so ist es! Warum hat mir das keiner vorher gesagt?!“

      Uns hat das nämlich alles vorher auch keiner verraten. Und deshalb stellen wir uns als lebendes Beispiel dafür zur Verfügung, dass es die perfekte Mutter nicht gibt – und dass das auch vollkommen in Ordnung so ist. Wir erzählen, wie es bei uns war, wie uns die Naturgewalt Kind teilweise den Boden unter den Füßen weggezogen, die Lachtränen in die Augen getrieben, die grauen Haare sprießen und das Herz aufgehen lassen hat. Wir erzählen von den schönen und den schauerlichen Seiten des Kinderkriegens und hoffen, dass du dich in einigen davon wiederfindest.

      Den ersten Schritt hin zur perfekten Mutter hast du übrigens schon geschafft: Offensichtlich war dein Kind gerade lang genug brav, dass du dieses Vorwort lesen konntest!

      Gruppenhecheln: Bestens vorbereitet!

      Bei der ersten Schwangerschaft macht man ja gern noch jeden Scheiß mit. Man ist so richtig schön Lifestyle-schwanger und rennt vom Schwangerschafts-Yoga zum Akupunktieren und vom Shiatsu zum Himbeerblättertee-Kauf. In den letzten Wochen war meine Schwangerschaft mit Noah regelrecht zum Ganztagsjob mutiert: Wo sollte zwischen Heublumensitzbädern, Yogi-Tee und Babypflege-Workshops denn noch mein nächster Akupunktur-Termin reinpassen?

      Zum Teil macht man diese ganzen Sachen aus einer einzigen Hoffnung heraus: Die Geburt möge möglichst kurz, schnell und schmerzlos verlaufen. Man studiert Internetseiten und befragt Ärzte, Hebammen und Freunde – und jede Möglichkeit, die „helfen" soll, wird unweigerlich ausprobiert. Dabei sind das bei Gott nicht alles schöne Freizeitbeschäftigungen. Nie werde ich das Gefühl vergessen, als ich meiner Familie zu Beginn die frohe Botschaft überbrachte und daraufhin von meiner Schwägerin in der 13. Schwangerschaftswoche eine Flasche Damm-Massage-Öl geschenkt bekam...

      Besonders rückblickend bin ich natürlich froh, dass ich fleißig akupunktiert, massiert, geölt, gecremt, getrunken und was weiß ich noch alles habe – schließlich hat mir das alles beim Notkaiserschnitt sehr geholfen...! Aber man soll ja nicht zynisch sein – vielleicht HÄTTEN mir alle diese Sachen ja geholfen, wären die Dinge etwas anders gelaufen.

      Was mir jedoch nicht wirklich weiterhalf, waren die vielen Kurse, die ich im exzessiven Schwangerschaftswahn einen nach dem anderen belegte. Beim Schwangerschafts-Ernährungs-Workshop wurde ich nicht von den Socken gehaut von der Erkenntnis, dass ich jetzt mehr Gemüse und weniger Schokolade essen sollte und beim Schwangerschafts-Yoga kamen mir ernste Zweifel, als mir beim Versuch, eine Kerze zu machen, mein Bauch ins Gesicht fiel.

      Als mir meine Ärztin in der 30. Schwangerschaftswoche eröffnete, dass ich lieber kein Yoga mehr machen sollte, war ich also nicht allzu traurig – alleine schon deswegen, weil ich jeden Kurs in der ständigen Angst durchlebte, dass dieses Mal ICH die Schwangere sein könnte, der beim „Herabschauenden Hund" ein lauter Furz entwich.

      Nahtlos wechselte ich also vom Yoga-Kurs zum Geburtsvorbereitungskurs, der dem Ganzen in gewisser Weise die Krone aufsetzte. Ich hatte ja schon zahlreiche Schauergeschichten von Gruppen-Hecheln und frischen Plazentas gehört, die als Schauobjekt extra aus dem Kreißsaal herangebracht wurden, deshalb ging ich zum ersten Treffen gelinde gesagt mit gemischten Gefühlen.

      Der Eindruck wurde nicht unbedingt besser, als ich gemeinsam mit 10 anderen Schwangeren in einem Keller ohne Sitzgelegenheiten (Schwangere müssen nicht sitzen, das wird überbewertet!) erst mal 20 Minuten auf die Kursleiterin warten musste. Als sie endlich herbeirauschte, nahm die weitere Desillusionierung ihren Lauf.

      Wir wurden in einen miefenden Gymnastikraum gescheucht, in den wir uns alle selber einen schweren Holzsessel tragen durften (Schwangere können ruhig schwer tragen, das wird überbewertet!) und bildeten dort einen Sesselkreis. Reihum stellten wir uns vor und jede erzählte ein wenig vom bisherigen Verlauf ihrer Schwangerschaft. Nachdem ich mit keinen besonderen Wehwehchen oder tollen Geschichten glänzen konnte, beschloss ich, mich auf andere Weise hervorzutun – das Mittel meiner Wahl war natürlich wie immer das nächstbeste Fettnäpfchen.

      Als die Schwangere neben mir also berichtete, dass es ihr eigentlich recht gut gehe und sie lediglich mit dem Pupp-Syndrom zu kämpfen habe, lachte ich laut los. Von der durchaus unangenehmen Hautkrankheit hatte ich noch nie etwas gehört und stattdessen „Pups-Syndrom“ verstanden – ich dachte einfach, dass sie ihre Schwangerschafts-Blähungen lustig umschrieben hätte...! Als die anderen im Raum alle betretene Gesichter machten, merkte ich zwar schnell, dass ich offensichtlich etwas falsch verstanden hatte und tarnte meinen Lachkrampf als Hustenanfall, aber am liebsten wäre ich in Wahrheit schon in diesem Moment schreiend aus dem Gebäude gelaufen.

      In Anbetracht der Tatsache, welche Geschichten danach folgten, wäre das wohl auch die bessere Wahl gewesen – denn weder die 80er-Jahre Schautafeln über den Geburtsvorgang, die Berichte über Einläufe, Dammrisse und Saugglocken, noch das Plastik-Becken, durch das eine Babypuppe gepresst wurde oder die liebevoll aus Wolle gestrickte Plazenta nahmen mir die Angst vor der Geburt, im Gegenteil.

      Für meinen Geschmack war die leitende Hebamme einfach ein Stück zu ehrlich: Ich hätte mir gewünscht, dass sie uns liebevoll die Hand tätscheln und dabei versichern würde, dass wir das alles locker schaffen würden – stattdessen verkündete sie uns in ihren Glitzerstiefeln und engen Röhrenjeans (na warte, du wirst auch noch mal schwanger und fett!!), dass das schon alles ziemlich schlimm werden würde.

      Auch die Besichtigung des Kreißsaals führte bei mir nicht zur Gewissensberuhigung, sondern zu mittelschweren Panikattacken. Während die anderen interessiert alle Geräte beäugten und schlaue Fragen stellten, wippte ich schweißgebadet auf meinem Petzi-Ball und versuchte, irgendwie auszublenden, dass im Kreißsaal nebenan gerade eine Frau schrie, als würde ihr bei lebendigem Leib ein Bein ausgerissen („Ah, die dürfte gerade in den Presswehen sein", klärte uns unsere Kursleiterin wissend auf).

      Egal wie bunt die Vorhänge, wie schön der Ausblick, wie liebevoll die Einrichtung war: Das nächste Mal, wenn ich diesen schrecklichen Raum von innen sehen würde, wäre ICH diejenige, die um ihr Leben schrie – und das beruhigte mich in keinster Weise!

      In gewissem Sinne war der Geburtsvorbereitungskurs für mich also komplett sinnlos: Während ich für den Kaiserschnitt in den OP geschoben wurde, brauchte ich weder an Presswehen noch an Dammrisse oder Atemtechniken zu denken, aber irgendwie war er trotzdem nicht komplett umsonst. Allein schon deswegen, weil er mein „Schwanger 2013 – I did it“-Paket auf wunderbar kuriose Art komplettiert hat...

      Die Kraft der Visualisierung

      Ich empfinde gleichermaßen Faszination und Ekel gegenüber Partnern, die mit Videocam oder Panorama-Shot-geeichtem Smartphone einfach draufhalten, wenn das Wunder Geburt seinen Lauf nimmt, nicht selten begleitet von euphorischem Anfeuerungsgejohle: „Du schaffst das! Du hältst dich toll, Schatzi! Ja, press! Ja, mach, jaaa, ich seh schon den Kopf...!“ Mich persönlich hätte so etwas ganz ernsthaft dazu veranlasst, jemandem einen Schuss ins Genick zu jagen und zwar aus nächster Nähe – das heißt, wenn ich zufällig in meiner Ernstfalltasche zwischen all die rosa Strampler auch einen Revolver gepackt hätte.

      Ich konnte es in der tatsächlichen Nahkampf- oder besser Nahtod-Situation