Claus Beese

Piraten, Gouda und Genever


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hatte. »Die herrliche Ruhe am Steg solltest du nutzen«, schlug er ihm augenzwinkernd vor.

      »Angeln? Ich und angeln? Die Viecher haben ja alle Schuppen, also kann man davon ausgehen, dass sie eine ansteckende Krankheit haben. Und die will ich mir bestimmt nicht holen! Lass die Flossis man da, wo sie sind! Da habe ich sie nämlich am liebsten!«, brummte Wolfgang und überraschte alle mit seiner langen Rede. Mehr als einen Satz war man von ihm nicht gewöhnt.

      »Mit anderen Worten, du würdest dich uns gerne anschließen?«, folgerte Heinz und sein Grinsen wurde noch breiter. Wolfgang machte nie viel Worte. Er hatte es ganz gern, wenn man ihn fragte, und jetzt strahlte er übers ganze Gesicht.

      „Na klar, wenn ihr mich schon so freundlich um meine Gesellschaft bittet“, brummelte er und ignorierte die erstaunten Blicke. Nichts sprach gegen eine gemütliche Flottenausfahrt und die Aussicht auf ein geselliges Abenteuer. Vier Tage standen uns zur Verfügung, und es wäre doch gelacht, wenn wir die nicht zu nutzen gewusst hätten.

      Hach, war das herrlich! Wer die tidenabhängige, von Seeschiffen befahrene Unterweser bei Bremen mit ihren überwiegend grauen Granitufern kennt, erlebt oberhalb des Weserwehres in Hemelingen eine ganz neue Welt. Die Uferwiesen reichten direkt bis ans Wasser, und zwischen niedrigen Buhnen haben sich traumhaft schöne Buchten mit kleinen Sandstränden gebildet, die zum Baden einladen. Eine idyllische Marschlandschaft mit einer Vielzahl von Tieren, die zu beobachten sich Claudia vorgenommen hatte.

      »Papa! Papa! Guck mal, die Kühe da. Ich glaub, die wollen auch schwimmen!« Sie zeigte auf ein paar Rindviecher, die bis zum Bauch im Wasser standen und es zu genießen wussten, dass die von unseren Booten verursachten Wellen gegen ihre Körper klatschten. Ich saß wie immer bei gutem Wetter auf meinem Sonnendeck oberhalb des Ruderstandes und steuerte das Schiff mit den Füßen. Ich schaute hinüber zu den lebendigen Milchautomaten und schüttelte den Kopf.

      »Die wollen nicht schwimmen«, belehrte ich mein eigen Fleisch und Blut. »Das ist eine besondere Züchtung! Die wissen ganz genau, dass sie gute Milch geben sollen.«

      Claudia saß vorne am Bug und ließ die Beine durch das Geländer der Reling baumeln. Sie schaute mich mit großen Augen fragend an, und ich verkniff mir ein Lachen.

      »Ja, Maus! Du weißt doch, wenn man Milch nicht im Kühlschrank aufbewahrt, wird sie sauer. Und weil es heute so warm ist, werden die Kühe da hinten am Deich heute Abend beim Melken saure Sahne anstatt Milch geben. Aber diese hier stehen im Wasser, weil sie ihre Milch kühl halten wollen. Die sind einfach schlauer!«

      »Papa! Du willst mir doch nicht erzählen, dass es Kühe gibt, die unterschiedliche Arten von Milch geben?«, schnaubte meine Tochter empört. Kurt war auf unsere Diskussion aufmerksam geworden und steuerte seine GODEWIND auf Minimalabstand neben uns.

      »Dein Papa hat recht!«, lachte er. »Das hier sind die Schwarzweißen, deren Milch ist nur für den Kaffee bestimmt! Kondensmilch und Kaffeesahne wird daraus gemacht. Die reine Trinkmilch kommt von den weißen Kühen da hinten!«

      »Ach nee? Und was bitte geben die Braunen?«

      »Kakao!«, johlten Kuddel und ich gleichzeitig und fingen brüllend an zu lachen.

      »Mamaaaaa! Die ärgern mich schon wieder!«, beschwerte sich der Leichtmatrose unter Umgehung des Dienstweges direkt bei seiner Admiralität. Frauen haben keinen Humor, zumindest nicht den männlichen. So war es auch kein Wunder, dass unsere weiblichen Crew-Mitglieder bitterböse Blicke aus ihrer Augenartillerie abschossen.

      »Habt ihr vielleicht schon mal davon gehört, dass es auch ganz schwarze Kühe gibt? Was wird denn bitte aus deren Milch gemacht?«, versuchte Claudias weibliche Erziehungsberechtigte uns in die Enge zu treiben.

      »Zartbitter-Schokolade!«, johlten Kurt und ich und schlugen uns vor Vergnügen auf die Schenkel.

      »Und von welchen Kühen kommt dann bitte die Vollmilch-Schokolade?«, fragte sie mit lauerndem Unterton, denn nun meinte sie uns zu haben.

      »Von den lila Kühen!«, prusteten wir und freuten uns über den gelungenen Streich.

      Kleine Sünden bestraft der Liebe Gott immer sofort, und so dauerte das Vergnügen auch nicht lange, denn mit der Strömung schoss bereits das Verderben auf uns zu. Nur dadurch, dass ich auf meinem „Sonnendeck“ viel höher saß als Kuddel, entkamen wir knapp der Katastrophe. Von stromauf sah ich ein einsames Führerhaus über die Wiese heran gleiten, welches wohl einem Binnenschiff gehören mochte, das voll beladen tief im Wasser lag. Mein aufmerksam nach vorn gewandter Blick alarmierte auch den Skipper der GODEWIND, und seine Hand tastete sich zum Fahrthebel. Ein lang gezogener Ton meldete den „Großen“ an, und da kam er auch schon mit flotter Fahrt um die Flussbiegung gesaust. Schneller, als wir es uns hätten träumen lassen, war das Binnenschiff heran, und noch dazu auf unserer Fahrwasserseite. In den engen Kurven der Weser müssen die Lastkähne natürlich dem Verlauf der Fahrrinne folgen, und die Kurven weit ausfahren. Das war zwar logisch, doch Kuddel und mir standen in diesem Moment die Haare zu Berge. Ich tauchte blitzartig in meinen Fahrstand ab, während der Lange den Schubhebel auf den Tisch knallte und die GODEWIND einen rasanten Schwenk nach Backbord vollführte. Auch DODI bäumte sich unter der Gewalt der plötzlich erwachenden Pferdestärken auf, als ich den Fahrthebel ebenfalls nach vorn drückte. Größer als Kurts Boot, brauchte sie eine Sekunde länger um zu reagieren, und vor uns wuchs der Bug des Frachtschiffes schwarz und drohend in die Höhe. Unter voller Maschinenleistung preschte DODI aus der Gefahrenzone, während hinter uns PINGO und PUMMEL sich ebenfalls aus dem Fahrwasser retteten. Der Frachtkahn rauschte an uns vorbei und brachte die Boote zum Schaukeln. Ich vermied es, meinen Bestmann anzusehen, denn ich spürte die strafenden Blicke, mit der meine Seejungfrau mich gerade bedachte. Worte waren überflüssig. Kurt und ich konzentrierten uns von nun an mehr auf das Fahrwasser vor uns, als darauf, miteinander herumzualbern.

      Noch ein wenig blass um die Nase, und unter dem Eindruck des gerade Erlebten, steuerten wir unsere kleine Flotte bei Flusskilometer 326,59 über Backbord in die Aller. Das Navigieren in dem kleinen Fluss war nicht einfach, denn obwohl der Wasserstand wegen der Niederschläge der letzten Tage recht hoch war, waren es nicht die Tiefen unter dem Kiel, die wir von der Seeschifffahrtsstraße her gewohnt waren. Prompt trötete dann auch der Flachwasseralarm meines Echolots laut und vernehmlich los. Wir fuhren langsam das Flüsschen hinauf, und das ständige Plärren der Warnelektronik zehrte an den Nerven.

      »Wenn du es nicht tust, dann schalte ich ihn gleich ab!«, explodierte mein eheliches Naturereignis und schwang drohend einen kleinen Koteletthammer. Bei Njörd, dem Gott der Wikinger über Land und See, Sturm und Fischfang! Was wollte das Weib mit einem Koteletthammer auf meinem Schiff?

      »Eins von den wichtigen Dingen, auf die eine gute Hausfrau eben nicht verzichten kann«, hatte sie spitz geantwortet, als ich sie nach Sinn und Zweck dieses Utensils gefragt hatte. Na gut! Ich beschloss, das eigenartige Werkzeug auf meinem Schiff zu dulden. Wer wusste denn schon, ob es einem nicht mal im Falle einer Meuterei wertvolle Dienste leisten konnte? Möglicherweise war es auch als Einschlafhilfe in Vollmondnächten durchaus zu gebrauchen. Man konnte nie wissen, was die Zukunft an Überraschungen bereit hielt und welche Herausforderungen auf einen zukamen. Ich hielt es in diesem Moment für angebracht, das laut quäkende Alarmgeräusch abzuschalten, und dafür das Display mit der Tiefenangabe besser im Auge zu behalten, woraufhin meine Amazone ihr martialisches Kriegsgerät in der Besteckschublade verschwinden ließ.

      »Geht doch«, murmelte sie befriedigt.

      Ein Stück unterhalb des Doms lagen die Bootshäuser zweier Wassersportvereine und wir wählten die kleine Anlage des weiter flussaufwärts gelegenen Ruder-Clubs. Beinahe alle Boxen waren frei und luden zum Anlegen ein, was sich jedoch als gar nicht so einfach erwies. Man musste quer zur Strömung in die Fächer zwischen den Stegauslegern einlaufen. Derjenige, dessen Ausleger stromab lag, hatte es relativ einfach. Er brauchte nur mittig zu zielen, ließ sich einfach von der Strömung an den Steg drücken und lag. Aber der nächste, dessen Ausleger stromauf lag, musste ein wahres Kunststück vollbringen um das Boot in die schmale Lücke zwischen Ausleger und Nebenmann zu bugsieren. Mit vereinten Kräften, zwei Mann auf dem Steg, die an den Leinen zogen und zwei Mann auf den Schiffen, die das bevorstehende Malheur verhinderten, schafften wir es tatsächlich, ohne Schrammen und ohne jemanden zu versenken, in die