Claus Beese

Piraten, Gouda und Genever


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und Bootshaus und die Leute waren nett und freundlich. Wir sorgten für Strom um das Bier zu kühlen, und richteten uns gemütlich ein. Die Sonne meinte es gut und bescherte uns sommerliche Temperaturen. Kuddel und Claudia hielt es deshalb auch nicht lange auf dem Trockenen, sie sprangen begeistert in das eigentlich noch viel zu kühle Wasser und versuchten um die Wette gegen die Strömung an zu kraulen.

      »Wenn ihr mir nicht gleich aus der Fahrrinne geht, werde ich euch kielholen, vierteilen, ersäufen und den Rest im Masttopp zum Trocknen aufhängen! Verfluchtes Schwimmergesindel!«, dröhnte es unvermittelt über das kleine Flüsschen. Augenblicklich rannten alle Camper, die diese markante Stimme noch nicht kannten, am Ufer zusammen, um zu schauen, wer da die Ruhe der Flussauen mit seinem Geplärr störte. Was sie sahen, ließ Frauen und Kinder erstarren und die Männer erst an ihrem, dann am Verstand desjenigen zweifeln, der sich auf einem großen Motorboot den Fluss hoch gekämpft hatte. Mit Dreispitz und Augenklappe, umgeschnalltem Säbel und gehisster Piratenflagge fiel der Nachkomme des Schreckens der Meere, Piratenkapitän Carlos Flint in die ruhige Stadt an der Aller ein.

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      Während unsere beiden Wasserratten aus den Fluten krabbelten, halfen wir Kalli, seine LUIGI quer hinter unseren Booten zu vertäuen. Es gab keine Box, die für seinen Mafia-Kahn groß genug gewesen wäre.

      »Verdammt lange Reise!«, grölte der Hüne und sprang mit einem behänden Satz auf einen der Stege. Seine nicht unbeträchtliche Körperfülle brachte erst die ganze Anlage, und dann alle Schiffe ins Schwanken. Kalli schob uns einfach zur Seite, stampfte an Land und brüllte: »Ich denke, ich werde mir erst mal eines der Kinder greifen und grillen, das wird meinen ärgsten Hunger ein wenig besänftigen! Hahaha!«

      Kreischend flüchteten die Knirpse in ihre Zelte und Wohnwagen und trauten sich eine ganze Zeit lang nicht mehr raus. Der Piratenenkel hingegen lachte sich schlapp über seinen wieder einmal gelungenen Auftritt. Er liebte es, das Raubein zu mimen, konnte aber im Grunde seines Herzens keiner Fliege etwas zu Leide tun.

      »Komm her, du kleine Flunder! Mit dir fange ich an!«, röhrte er und griff sich Claudia, die vor Vergnügen quiekend, sich von ihm auf seine Schultern setzen ließ. »Bevor ich dich fresse, Knirps, musst du mir aber noch zeigen, wo ich mich anmelden kann. Muss ja schließlich mein Liegegeld bezahlen!«

      »Da lang, Onkel Kalli! Steuerbord und dann immer geradeaus«, jubelte mein Ableger und gab Onkel Kalli die Sporen, indem sie ihm ihre Hacken in die Rippen donnerte. Der Urururururenkel des berühmten Piraten und Seeräubers Flint setzte sich daraufhin in Trab und galoppierte mit ihr über den Platz in Richtung Hafenmeisterbüro davon. Kaum hatte er sein Liegegeld gezahlt, waren beide auch schon wieder da.

      »Leute, ich bin spät dran und es wird bald dunkel! Was gedenken die Herrschaften zum Nachtmahl zu sich zu nehmen?«, erkundigte er sich und witterte eine Menge hungriger Mägen, die er fürsorglich zu bekochen gedachte.

      »Kalli, wir wollten eigentlich ein wenig grillen, und haben uns deshalb auch alles mitgebracht«, wagte Heinz einzuwenden und erntete des Meisterkochs Unverständnis. Kallis Augen weiteten sich vor Entsetzen.

      »Grillen? Einfach so? Ohne Salate, Baguette und Saucen? Igitt! Das ist ja ekelhaft! Okay, die Kerle richten den Grill, Gina und ich gehen schnell ein paar Salate machen und die holde Weiblichkeit sorgt für gekühlte Getränke aller Art! Dodi weiß, wo sie zu finden sind, nich Schnuckelchen?«

      »Aye, aye, Walross!«, entgegnete mein weiblicher Bestmann ungerührt. Sie hatte inzwischen gelernt, mit dem groben Ton des Smutjes klarzukommen. Der Piratenspross war nämlich im normalen Leben ein vorzüglicher Koch, dem es Spaß machte, kleinere Gesellschaften aus dem Stegreif zu bekochen. Der Kombüsenmaat hingegen wusste ganz genau, dass sie es hasste, Schnuckelchen gerufen zu werden, aber sie revanchierte sich, indem sie auf seine frappierende Ähnlichkeit mit dem berühmten Fernsehwalross Antje anspielte, das ihm in Figur und Gesicht sehr ähnelte. Beide Antlitze zierte ein Schnauzbart von einem solchen Wuchs, dass die Bartspitzen sich bei Kalli immer weit abspreizten, wenn er grinste. Und jetzt gerade spreizten sie sich sehr weit. Es wurde ein herrlicher Abend, und wir saßen bis spät in die Nacht in fröhlicher Runde zusammen. Sogar einige der Camper hatten sich zu uns gesellt, und garten Ihre Würste auf Kallis riesengroßem Grill, der zur Bordausrüstung seines Schiffes gehörte.

      »Wisst ihr eigentlich noch, wann ihr mit der kleinen, der ersten DODI zu uns an den Steg gekommen seid?«, fragte Elfi und schaute mein holdes Weib und mich nachdenklich an. Heinz lachte. »Das weiß ich noch ganz genau, das war, als Wolfgang im Winter der Motor geplatzt war!«

      »Quatsch!«, brummte Wolfgang. »Mir ist noch nie was geplatzt, außer meinem Kragen! Das war, als euch das Getriebe den Dienst gekündigt hat!«

      »Nee, Wolfgang! Ich hatte noch nie ’nen Getriebeschaden«, korrigierte der Skipper der PINGO und ignorierte Wolfgangs skeptischen Blick. »Jetzt weiß ich es wieder! Es war das Jahr, in dem ihr den ollen Seeräuber da vorm Kentern bewahrt habt.«

      »Einen Kalli Flint muss man nicht vorm Kentern retten!«, protestierte der Piraten-Nachkomme und riss seinen Säbel aus der Scheide. »Ihr habt wohl einen Schluck aus dem Kompass genommen, ihr Süßwasser-Matrosen? Das war lediglich eine klitzekleine Schlepphilfe, damals!«

      »Schlepphilfe?« Wolfgang wedelte mit der Hand in der Luft herum, was wohl signalisieren sollte, dass er da ganz anderer Meinung sei.

       »Schluck aus dem Kompass?«, echote Heinz und begann vorsorglich, sich die Ärmel aufzukrempeln. Der warnende Blick seines angeheirateten Bootsmannes hielt ihn jedoch zurück, noch bevor er sich auf den dreisten Koch stürzen konnte. Er setzte sich wieder und seufzte dann Gott ergeben. Seine Elfi gönnte ihm aber auch nicht den kleinsten Spaß. Konsterniert griff er sich sein Fläschchen Bier und nahm einen gewaltigen Schluck. Dann schwieg er bedeutungsvoll. Mein weiblicher Bestmann schmiegte sich an mich und flüsterte: »Ist es nicht herrlich? Eine so ruhige und friedliche Nacht, um uns herum herrscht nur Freundschaft und geselliges Miteinander. Was will man mehr?«

      Gottes Fluch: Bootspolster

      Der nächste Morgen begann trotz der über Verden aufgehenden Sonne mit unvermuteten Schwierigkeiten. Ich hatte mir nächtens irgendwie den Rücken verkühlt, jedenfalls litt ich höllische Schmerzen, als ich versuchte, mich aus der Koje der Vorderkabine zu rollen.

      »Du hast dich verlegen!«, grinste Wolfgang, rammte mir sein Knie ins Kreuz und zog meine Schultern nach hinten. Es knirschte unangenehm, krachte dann einmal satt im Gebälk und ich konnte mich wieder bewegen.

      »Ich sag dir nur eins: Schiffspolster! Du solltest dir endlich neue zulegen. Die alten sind doch nun wirklich völlig durchgelegen.«

      »Weißt du eigentlich, was das kostet?«, fragte ich entsetzt. »Bei einem Boot dieser Größe knöpfen sie dir ein Vermögen ab.«

      »Dafür aber nie wieder Hexenschuss«, lockte der Stegwart und setzte sich mir gegenüber an den Kaffeetisch, den unsere treu sorgenden Ehefrauen für uns gedeckt hatten.

      »Aber irgendwie scheinst du da deine eigenen Erfahrungen gemacht zu haben, wie?«, vermutete er.

      »Pass mal auf«, lachte ich, wandte mich grinsend an meine bessere Hälfte und rief ihr zu: »Dodi! Schiffspolster!«

      Mein mir angetrautes Eheweib verlor wie auf Kommando alle Farbe im Gesicht und wurde kreidebleich.

      »Oh, nein! Nicht dieses Wort! Und schon gar nicht beim Frühstück«, röchelte sie.

      »Siehst du, Wolfgang? Soviel zu deinem Vorschlag.« Ich setzte die Kaffeetasse an und verbrühte mir die Lippen. »Donnerwetter! Wer hat denn dieses Gebräu so höllisch heiß gemacht?«, schimpfte ich und Kallis strahlendes Gesicht tauchte hinter der Windabdeckung auf, hinter der er sich provisorisch eine Land-Kombüse eingerichtet hatte.

      »Kaffee muss so sein! Schwarz wie die Nacht, heiß wie die Sünde, und mit so viel Milch, dass man den vielen Zucker nicht mehr sehen kann!«, deklamierte er salbungsvoll. »Alles andere ist Abwaschwasser!«

      »Also, was war denn nun mit den