Norman Dark

Aus dem Totenreich


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und schwarzen Haaren, die an poliertes Ebenholz erinnerten, schritt wie eine Königin durch den Raum. Sich ihrer Wirkung voll bewusst, sah sie ihn dabei nicht an. Diesmal wollte er sich trauen, sie anzusprechen und in ein kurzes Gespräch zu verwickeln, um etwas mehr über sie zu erfahren.

      »Wie schön, dass Sie wieder den Weg zu mir gefunden haben«, sagte er zweideutig.

      »Nun, das war nicht allzu schwer«, antwortete sie mit einer verführerisch rauchigen Stimme, »Ihr Laden ist ja nicht zu übersehen, weil er sich deutlich von den anderen abhebt.«

      »Gnädigste interessieren sich für kostbare, ausgefallene Stücke?«

      »Ja, sonst wäre ich doch nicht hier, nicht wahr? Ich muss sagen, Ihr Angebot gefällt mir außerordentlich. Wenn meine Wohnung nicht schon mit antiken Schätzen überladen wäre, würde ich kaum widerstehen können, Ihnen das eine oder andere abzukaufen.«

      »Vielleicht könnte ich etwas davon in Zahlung nehmen oder von Ihnen erwerben, damit Platz für Neues entsteht. Dürfte ich Sie einmal aufsuchen?«

      »Das wird schwer möglich sein. Ich lebe auf Zypern und besuche nur hin und wieder meine Verwandten hier.«

      »Schade, allerdings wäre mir für Sie kein Weg zu weit …«

      »Wir werden sehen … Was wird wohl Ihre Frau sagen, wenn Sie mich in meiner Wohnung aufsuchen?«

      »Oh, ich lebe allein, seitdem ich vor zwei Jahren Witwer geworden bin. Außerdem ist es in meinem Gewerbe durchaus üblich, Besichtigungen in Privaträumen vorzunehmen.«

      Ihre heute wieder grün schimmernden Augen zeigten einen Ausdruck, als habe er ihr nichts Neues erzählt. Und das bezog sich weniger auf sein Gewerbe, als auf seinen privaten Status.

      »Das tut mir leid mit Ihrer Frau. Ich lebe auch allein und weiß, wie einsam man mitunter sein kann.«

      »Verzeihen Sie, wenn ich das sage, aber keiner würde auf den Gedanken kommen, dass eine so attraktive Frau wie Sie ohne Partner ist.«

      »In der heutigen Zeit ist das wahrlich nichts Besonderes. Man wundert sich, dass es überhaupt noch Familien gibt. Ich heiße übrigens Azila.«

      Er hätte sich nie gewagt, sie nach ihrem Namen zu fragen, und war umso erfreuter, dass sie ihn von sich aus nannte. Azila war ein Name, der indirekt im Koran vorkam. Ein Grund mehr für ihn, Gefallen an der fleischgewordenen Versuchung zu finden.

      »Sehr angenehm, ich bin Orestis«, sagte er mit trockener Kehle.

      Azila nickte ihm freundlich zu und wendete sich dann wieder der Glasvitrine zu, in der schöner alter Schmuck ausgestellt wurde. Scheinbar außerordentlich interessiert, ließ sie ihren Blick über die Auslage schweifen, bis sie plötzlich innehielt.

      »Die Brosche ist ja wundervoll. Ist das ein echter Stein?«, fragte sie fast beiläufig.

      »Aber natürlich. Wo denken Sie hin? Sie gehörte einer adligen Dame, die ich persönlich kannte. Ihr außergewöhnlich sicherer Geschmack ließ sie nur die kostbarsten Stücke erwerben. Ihre Erben hatten nicht viel Sinn für den Schmuck und boten mir das eine oder andere an. Das Juwel würde hervorragend zu Ihnen passen.«

      »Davon bin ich überzeugt. Aber bevor ich eine weitere Anschaffung tätige, werde ich noch einmal in mich gehen. Wenn sie mir bestimmt ist, wird sich kein anderer Käufer finden.«

      Sie machten noch etwas Smalltalk, wobei sich Azila deutlich zurückhielt, als habe sie schon zu viel von sich preisgegeben. Doch als sie den Laden verließ, trug sie die Brosche in einer kleinen Schatulle bei sich. Orestis hatte sie ihr geschenkt, ohne lange nachzudenken.

      Azila hatte sich nicht lange geziert und Floskeln benutzt wie: das könne sie nicht annehmen. Andererseits gehörte sie nicht zu den Frauen, die Forderungen stellten. Das hatte er schnell erkannt. Vielmehr hatte sie eine Art, ihr Gegenüber zum Erfüllen ihrer Wünsche zu bringen, dass dieser glaubte, von selbst auf den Gedanken gekommen zu sein. Bei gründlicher Überlegung hätte ihm dieser Umstand mehr als unheimlich sein müssen, wenn nicht gar suspekt, doch er brannte viel zu sehr für die fremde Schönheit, die in ihm ein Feuer entfachte, das er schon verloren geglaubt hatte. Er hatte vom ersten Moment an das Gefühl, für diese Frau alles zu tun, vielleicht sogar zu morden.

      In Kolonaki, dem ehemaligen Botschaftsviertel von Athen, machte sich gerade eine junge Frau, Ende zwanzig, zum Ausgehen zurecht. Ihre edle Garderobe ließ darauf schließen, dass sie zur gehobenen Gesellschaftsschicht von Athen gehörte. Ihr schönes Gesicht war nur wenig geschminkt und ihr seidig schimmerndes Haar akkurat frisiert. Anders als an den meisten Tagen wollte sie nicht eines der zahlreichen Juweliergeschäfte oder eine der Nobelboutiquen, bis hin zu einer Filiale der vielen Labels der internationalen Haute Couture, aufsuchen. Auch nicht den Galerien, Cafés und Bars, in denen man die sogenannten Schönen und Reichen antreffen konnte, galt ihr Interesse. Nein, Eudokia Angelis wollte sich mit ihrem Geliebten, Dimitrios Bouglas treffen. Doch es sollte kein Schäferstündchen geben, sondern vielmehr eine Aussprache beziehungsweise Trennung.

      Eudokia kämpfte schon lange mit diesem Entschluss. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich eingestehen konnte, dass die Affäre mit Dimitrios rein sexueller Natur war. Ihr Herz oder ihre Seele wurden davon nicht berührt. Denn so seltsam es klingen mochte, ihre Liebe gehörte einzig und allein ihrem Mann Orfeas, der mit seinen welligen, braunen Haaren und seinen gütigen Augen ein gänzlich anderer Typ als Dimitrios war. Nur hatte der berühmte Opernsänger kaum Zeit für sie, weil er entweder auf Reisen oder vor Ort mit Proben beschäftigt war.

      Eudokia würde nie vergessen, wie sie ihn kennengelernt hatte. Die Einladung in die Oper war von ihrer Freundin Anastasia erfolgt. Hinterher hatten sie wie Schulmädchen vor dem berühmten Künstler gestanden. Nicht um ein Autogramm zu erbitten, sondern um ihn aus nächster Nähe zu sehen. Der knapp zehn Jahre ältere Mann hatte sie von Anfang an fasziniert. Und das nicht nur wegen seiner warmen, einschmeichelnden Stimme. Seine Augen hatten ihren Blick gesucht, und ihr waren kleine Schauer über den Rücken gelaufen, als sie erkannte, dass er offensichtlich Interesse an ihr zeigte. Fortan hatten sie öfter telefoniert oder waren zusammen essen gegangen. Nach weniger als zwei Monaten hatte er sie gebeten, seine Frau zu werden. Und Eudokia hatte ihr Glück nicht fassen können, dass ein Mann, der auf der ganzen Welt von Verehrerinnen umringt wurde, ausgerechnet sie erwählte.

      Dimitrios war so etwas wie ein Womanizer, groß, muskulös, mit dunklen, kurzgelockten Haaren und stets einem leicht arroganten Gesichtsausdruck. Männer hassten ihn aufgrund seiner Erfolge bei Frauen, doch das weibliche Geschlecht lag ihm zu Füßen, was er reichlich ausnutzte. In Eudokias Leben war er zu einem Zeitpunkt getreten, als diese sich wieder einmal grenzenlos vernachlässigt fühlte, denn sie hatte den Umstand, mit einem berühmten Künstler verheiratet zu sein, weitgehend unterschätzt. Orfeas trug sie zwar auf Händen und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab, wenn, ja wenn, er zugegen war. Und das war selten der Fall. Jenes Mal war er auf einer längeren Konzerttour gewesen und hatte sich nur des Öfteren telefonisch gemeldet. Ihn auf seinen Gastspielen zu begleiten hatte Eudokia schnell aufgegeben, weil er dabei kaum mehr Zeit für sie aufbringen konnte, als zu Hause in Athen. Und wenn sie sich schon langweilte, dann lieber in ihrer vertrauten Umgebung, als an einem fremden Ort.

      Der junge, feurige Dimitrios überrollte sie förmlich mit seiner Heißblütigkeit. Sie hatte es eine Weile genossen, derart begehrt zu werden, doch ihr schlechtes Gewissen gegenüber Orfeas sollte schneller als gedacht die Oberhand gewinnen. Ihr Mann verdiente es einfach nicht, hintergangen zu werden. Im Gegensatz zu ihr war er nämlich treu. Davon war Eudokia überzeugt, obwohl sich ihm die weiblichen Bewunderer förmlich anboten, weil sich keine dem Schmelz seiner Stimme entziehen konnte. Doch seine Liebe galt ausschließlich seiner Frau, die nicht nur seine Kunst verehrte, sondern auch die Privatperson, die dahinter stand. Das spürte er ganz deutlich. Und an flüchtigen sexuellen Abenteuern war er in seinem leicht fortgeschrittenen Alter nicht interessiert.

      »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass wir uns heute das letzte Mal sehen«, sagte Eudokia zu Dimitrios, als sie sich in einem kleinen, von Touristen kaum frequentierten, Café gegenübersaßen.

      »Und du glaubst, ich nehme das