Sabine Otto

Das Schicksal und andere Zufälle


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ihr die Kuschelecke. Kati hat eine Nische in ihrem Wohnzimmer abgeteilt und hinter einem Paravent versteckt. Dahinter waren rote, gelbe und orangefarbene Kissen um einen Glastisch herum verteilt und in der Ecke stand eine kleine Getränkebar aus Chrom.

      „So, dann lass uns mal einen Schlachtplan entwerfen.“ Kati entkorkte geschickt eine Flasche Rotwein. Sie kannte ihre Freundin gut genug, um gleich zu wissen, was diese bedrückte. „Ich schaue mir das ja schon eine Weile mit dir an, aber jetzt muss ich es dir doch einmal sagen. Ihr seid jetzt drei Jahre am Üben. Mit dir ist alles in Ordnung; es gibt also nur zwei Möglichkeiten. Entweder liegt das Problem bei Kai oder ihr beide passt biologisch einfach nicht zueinander.“

      „Das gibt es doch gar nicht. Wir lieben uns. Wahrscheinlich haben wir nur nie den richtigen Zeitpunkt erwischt.“

      „Das glaubst Du ja selbst nicht!“ Elli traf ein strafender Blick. „Wenn Du Dir ganz sicher bist, dass Du ihn liebst, solltest Du vielleicht mal die Möglichkeit ins Auge fassen, auf Kinder zu verzichten.“

      „Niemals!“

      Sie drehten sich, wie schon so oft, im Kreise. Nicht nur einmal hatten sie dieses Thema schon durchgekaut mit verschiedenen Lösungen, von Adoption bis hin zur Trennung von Kai. Nur etwas war diesmal anders. Sonst hatte Kati sie immer getröstet, gemeint, 'Du wirst sehen, beim nächsten Mal wird es klappen'. Alles leere Phrasen – aber es hatte immer geholfen. Elli war jedes Mal mit neuer Energie und Hoffnung nach Hause gegangen. Heute keine Spur davon.

      Kati schwenkte leicht das Rotweinglas in ihrer Hand und blickte ihre Freundin nachdenklich an.

      „Na sag schon, was Du ausgeheckt hast.“ Elli richtete neugierig den Blick auf ihr geheimnisvoll tuendes Gegenüber.

      Zuerst war sie nur empört über den Vorschlag, den ihre beste Freundin ihr zu machen wagte. Aber als die ersten Wogen geglättet waren, folgte Elli aufmerksam deren Gedankengängen. Klar war, dass sie ihren Freund liebte und mit ihm ein Kind wollte. Es war auch medizinisch bewiesen, dass es nicht an ihr lag, sie also gebärfähig war. Katis Vorschlag, sie musste von einem anderen Mann schwanger werden, schockierte Elli. Aber Kati redete unbeirrt weiter: Kai müsste natürlich glauben, er sei der Vater. Deswegen durfte der geeignete Kandidat selbst keine Kinder wollen, kein näheres Interesse an ihr haben und es sollte natürlich eine Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern vorhanden sein. Je öfter sie diesen Gedanken durchspielten, desto mehr freundete Elli sich mit dieser Idee an. Aber wo lernte man so einen Mann kennen? Die beiden Frauen redeten sich richtig in Rage, während sie diese Frage erörterten. Doch schließlich fanden sie die Lösung. Solch ein männliches Exemplar war am besten durch eine Annonce zu finden! Jetzt musste nur noch der Text verfasst werden. Nur noch war leicht gesagt! Das war gar nicht so einfach. Nach langem Hin und Her waren sie sich jedoch einig:

       GESUCHT

       Netter Mann mit Niveau

       zwecks Kinderzeugung ohne Konsequenz

      Sie waren richtig stolz auf ihren produktiven Abend. Auf dem Nachhauseweg kicherte Elli in gespannter Erwartung in sich hinein.

      So hatte Kai sich den Abend nicht vorgestellt. Verärgert strich er sich die Locken aus der Stirn. Sein Kollege Tim war mit den beiden einzigen Models, die nicht abgereist waren, verschwunden; wusste der Himmel wohin. Und er durfte den Abend mit Linda verbringen; der farblosen Kostümbildnerin. Die saß in ihren verwaschenen Jeans und einem ausgeleierten T-Shirt neben ihm am Tresen. Mit ihren kurzen braunen Haaren und ihrer knabenhaften Figur, konnte man sie von hinten auch für einen Kerl halten. Lustlos nippte er an seinem Whisky. Normalerweise trank er ja nur Wein, aber heute war ihm nach Whisky. Er erzählte Linda, den Spruch mit den drei Ws, dass er grundsätzlich nur Sachen mit W zu sich nahm, wie Wasser, Wein und Whisky. Taktvollerweise ließ er das vierte W, nämlich Weiber, weg. Linda verzog zu seiner Verwunderung keine Miene. Unsicher grinste er sie an.

      „Du musst keinen Smalltalk mit mir halten. Wenn Du etwas Besseres vorhast, dann tu Dir nur keinen Zwang an! Mach Dir mal um mich keine Sorgen!“

      „Aber nein, ich bleibe doch gerne bei Dir sitzen!“ Kai lächelte gönnerhaft. „Außerdem, wo soll ich denn hin? Sich zu zweit zu besaufen, macht doch viel mehr Spaß.“

      „Was gibt es denn für einen Grund, sich zu betrinken?“

      „Ich wüsste nicht, was Dich das angehen sollte!“

      „Na, dann wünsch‘ ich Dir noch viel Spaß heute Abend!“ - und weg war sie. Kai guckte ihr verdutzt hinterher. Verärgert, dass er nun gar keine Gesellschaft mehr hatte, bestellte er sich gleich noch einen Doppelten.

      Verschlafen rieb Elli sich die Augen, als die ersten Sonnenstrahlen ihr ins Gesicht schienen und versuchte die Ziffern auf ihrem Wecker scharf zu stellen. Was? Schon 8.00 Uhr! Gerade wollte sie ihre Beine aus dem Bett schwingen, da fiel ihr ein, dass ja heute Samstag war. Erleichtert ließ sie sich wieder auf ihr Kissen sinken. Normalerweise würde sie sich den Luxus gönnen und noch einmal einschlafen, aber heute wollte ihr das irgendwie nicht so recht gelingen. Das gestrige Gespräch mit ihrer Freundin schwirrte ihr im Kopf herum. Bei Tageslicht betrachtet, schien ihr der Plan doch zu absurd. Könnte sie sich überhaupt körperlich mit einem fremden Mann einlassen? Und wenn ja, dann war das ja eigentlich Betrug an ihrem Partner. Wie sollte sie überhaupt mit dem Wissen um ihr Vorhaben, Kai heute Abend in die Augen sehen? Da fiel ihr ein, dass sie ihm ja versprochen hatte, ihn vom Flughafen abzuholen. Wo hatte sie denn die verdammte Ankunftszeit aufgeschrieben? Ach in ihrem Bürokalender. Na toll! Da war natürlich jetzt keiner am Wochenende. In Kais Firma gab es doch immer eine Notbesetzung, fiel ihr ein. Tatsächlich, es nahm jemand ab. Ja, alle wären gestern schon angereist, nur Kai, Tim und Linda kämen erst heute, planmäßig um 17:15 Uhr an. Elli verdrängte das aufkeimende Misstrauen. Kai mag nicht perfekt sein, aber Untreue zählte sicher nicht zu seinen Fehlern. Außerdem kannte sie Linda. Sie war ganz bestimmt nicht sein Typ. Kai mochte weiblichere Frauen mit langen Haaren, so wie sie. Wie zur Bestätigung schaute sie in den Spiegel auf ihre blonde Lockenmähne. Aber wieso ist er dann nicht schon gestern mit den anderen gekommen, meldete sich eine leise Stimme in ihrem Inneren. Früher hätte er sie wenigstens angerufen und informiert, ganz davon abgesehen, dass er niemals verlängert, sondern die freie Zeit lieber mit ihr verbracht hätte. So langsam schlugen ihre Zweifel in Wut um. Ungerechterweise ließ sie völlig außer Acht, dass sie gestern noch froh war, einen ungestörten Abend mit ihrer Freundin zu verbringen. Der würde was zu hören kriegen, wenn er heute nach Hause käme. Mit einem Riesenschwung katapultierte Elli die unschuldige Abfalltüte neben den Eingang, um sie nachher mit nach unten zu nehmen. Mit Elan machte sie sich an den Abwasch. Das half ihr jedes Mal, wenn sie ihre Gefühle sortieren und über etwas nachdenken musste. Kai machte sich immer lustig darüber, denn sie hatten eine gut funktionierende Spülmaschine. Elli merkte wie ihre Wut langsam verrauchte und ihre Gedanken zu dem gestrigen Abend schweiften. Sie musste schmunzeln, bei der Vorstellung, wer wohl auf ihre Anzeige antworten würde. Das wird ein Spaß, mit Kati zusammen die Bewerber zu sichten! Sie könnte ja dann später immer noch entscheiden, ob sie antworten sollte, falls sich überhaupt jemand meldete. Auf alle Fälle würde sie am Montag gleich die Annonce für das kommende Wochenende in der lokalen Tageszeitung aufgeben und dann würde man ja sehen, wie die Dinge sich entwickelten.

      Ausgerechnet! Musste dieses dämliche Flugzeug auch noch Verspätung haben! Ihm blieb auch nichts erspart. Neben ihm die schweigsame Linda, über ihm die grelle Flughafenbeleuchtung, die seinem Kater nicht gerade förderlich war. Und jetzt mussten sie auch noch eine Stunde in dieser nüchternen Wartehalle verbringen. Ergeben schloss er die Augen. Hinter ihm hörte er eine weibliche Stimme in vorwurfsvollem Ton auf einen Mann einreden, der nur ab und zu mürrisch brummte, was wohl so viel wie „ja“ bedeuten sollte. Szenen einer Ehe, dachte Kai schmunzelnd und blickte sich unauffällig nach dem Paar um. Dabei fiel sein Blick auf Linda und er bemerkte, dass auch sie belustigt die Unterhaltung verfolgt hatte. Eigentlich ganz angenehm, dass sie nicht so eine Plappertasche war. Seine Gedanken wanderten nach Hause. Was ihn da wohl erwartete? Er dachte an letzten Sonntag, als Elli ihn abends zum Flughafen gebracht hatte. Er kannte sie gut genug um zu spüren, dass sie in ziemlich aufgewühlter Stimmung war. Und obwohl sie in unausgesprochener Übereinkunft