Sabine Otto

Das Schicksal und andere Zufälle


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Frage'. Sie hätte ihn sicher gleich angerufen, wenn die Nachricht positiv gewesen wäre. Oder? Auf einmal war er sich gar nicht mehr so sicher. Die Kommunikation zwischen ihnen war in letzter Zeit nur noch auf das Nötigste beschränkt. Aber in ihrem Gesicht konnte er immer noch lesen wie in einem offenen Buch. Mit Sicherheit würde er gleich, wenn er sie sah, wissen was los war, ohne dass sie ihm irgendetwas zu erzählen brauchte.

      Elli trommelte ungeduldig mit ihren Händen auf dem Lenkrad herum. Sie hatte nicht bedacht, dass um diese Uhrzeit die Straßen immer völlig verstopft waren. Die aktuelle Ankunftszeit von Kais Flieger hatte sie zu Hause schon im Internet nachgeprüft und war entsprechend später losgefahren, hatte sich dann aber zum Schluss etwas vertrödelt.

      Als sie endlich ihren Wagen in der Tiefgarage geparkt hatte und abgehetzt oben am Ausgang vor der Gepäckausgabe stand, war keine Spur mehr von Kai zu sehen.

      „So ein Mist!“ fluchte Elli laut, so dass sich einige Passanten nach ihr umdrehten. Sie hatte es sich so schön ausgemalt, wie sie Kai im Auto ins Verhör nahm, ohne Chance auf eine Flucht seinerseits. Allzu oft war es schon vorgekommen, dass Kai die Diskussion abgebrochen hatte, indem er einfach aus dem Zimmer ging und die Tür hinter sich schloss. Aber aus dem Auto konnte er nicht einfach aussteigen, da musste er sich ihr stellen.

      Bestimmt hatte er sich schon ein Taxi genommen oder war mit den anderen zusammen heim gefahren. Dadurch hatte sie ihm dummerweise einen taktischen Vorteil verschafft, denn er konnte ihr jetzt vorwerfen, dass sie ihr Versprechen, ihn vom Flughafen abzuholen, nicht eingehalten hatte.

      Während Sie den Rückweg antrat, legte sie sich schon einmal zurecht, was sie ihm alles sagen wollte. Vor allen Dingen sollte er ihr beantworten, wieso er nicht schon gestern zurückgekommen war und sie nicht einmal angerufen hatte. Das wäre auf jeden Fall eine gute Einleitung zu der grundlegenden Frage, was ihm ihre Beziehung denn noch wert sei und wie er sich die Zukunft mit ihr eigentlich vorstellte.

      Als sie die Haustür aufschloss, hörte sie Kai in der Küche herum hantieren. Also auf in den Kampf!

      „Hallo!“ Elli blieb in der Küchentür stehen.

      „Hallo, wie geht’s? Was gibt es Neues?“

      „Wo warst Du denn?“ Sie beschloss gleich zur Sache zu kommen. „Ich war am Flughafen um Dich abzuholen, aber Du hattest es wohl so eilig, dass Du nicht auf mich warten konntest.“ Vorwurfsvoll blickte sie ihn an.

      „Tut mir leid, ich konnte ja nicht ahnen, dass Du mich abholen wolltest. Ich habe mir ein Taxi genommen.“ Er versuchte einzulenken: „Komm, das ist doch nicht so schlimm!“

      „Tja wenn Du mich mal angerufen hättest, dann wärst Du auf dem Laufenden gewesen“, giftete sie zurück. „Außerdem, wieso bist Du denn nicht mit den anderen gestern zurück gekommen? Hattest wohl keine Lust, das Wochenende mit mir zu verbringen?“

      „Musst Du denn immer streiten? Anstatt Dich zu freuen, dass ich wieder da bin, machst Du mir nur Vorwürfe. Da macht es echt keinen Spaß nach Hause zu kommen!“

      „Du hast mir nicht geantwortet. Was ist los mit uns beiden? Wieso ziehst Du es vor, mit Deinen Arbeitskollegen noch einen Tag länger zu verbringen, vielmehr eine Nacht mehr? Liegt der Grund vielleicht bei einer Frau?“

      „Du wirst, wie immer, unsachlich. Ich habe keine Lust mehr, mir das länger zu geben. Ich lege mich jetzt schlafen.“ Mit diesen Worten ließ er sie stehen und verschwand im Schlafzimmer.

      Das war mal wieder typisch! Genau wie sie vorhergesehen hatte, haute er mitten im Streit ab. Nie konnte er einen Konflikt bis zum Ende austragen! Auch wenn sie sich eingestehen musste, dass er Recht hatte und sie etwas unsachlich geworden war, sah sie jedoch nicht ein, wieso sie ihm nun die Hand zur Versöhnung reichen sollte. Warum musste immer sie die Initiative zu allem ergreifen! Er konnte ruhig auch einmal etwas für ihre Beziehung tun. Bitte, dann würde sie sich eben noch einen schönen Film im Fernsehen anschauen und erst später, wenn er schon schlief, ins Bett gehen. Was er konnte, konnte sie schon lange. Dann ging sie ihm eben auch aus dem Weg.

      Elli schenkte sich eine Tasse Milchkaffee ein, während sie verstohlen im Anzeigenteil blätterte. Im Grunde kannte sie den Text ja in- und auswendig, aber es war noch einmal etwas anderes ihn schwarz auf weiß gedruckt zu lesen. Ein kurzer Blick auf Kai sagte ihr, dass er wie üblich mit dem Kulturteil beschäftigt war. Es war nun eine Woche vergangen, seit er aus Mallorca zurück war. Die letzte Woche war er nicht auf Reisen, sondern nur im Studio beschäftigt gewesen. Die Gelegenheit, sich häufiger zu sehen, wäre da gewesen. Aber irgendwie hatte Elli das Gefühl, dass Kai ihr aus dem Weg ging. Er war wieder häufiger auf seinen so genannten Geschäftsbesprechungen gewesen. Und wenn sie ehrlich war, kam ihr das sehr entgegen. Irgendwie hatte sie ein schlechtes Gewissen, obwohl ja eigentlich noch gar kein Anlass dafür bestand. Ah, da war sie ja!

       GESUCHT

       Netter Mann mit Niveau

       zwecks Kinderzeugung ohne Konsequenz

      Darunter stand die Chiffre-Nummer und die Aufforderung ein Lichtbild mit zu schicken. Sie hatte sich entschieden, keine weiteren Auswahlkriterien in die Anzeige zu schreiben, sondern lieber auf Grund der Fotos und, sollte es zu einem Treffen kommen, nach dem persönlichen Eindruck zu entscheiden. Ob diese Zeilen wohl die richtigen Kandidaten ansprachen? Im Laufe der nächsten Woche würde sie es wissen, versuchte sie ihre Ungeduld zu bremsen.

      Das Telefon riss sie aus ihren Gedanken. Kai saß näher daran und nahm ab.

      „Ja, ok, bis gleich.“ Zu Elli gewandt murmelte er etwas, das klang wie: „Muss noch mal kurz ins Geschäft, gibt ein Problem mit den Kontaktabzügen.“ Und weg war er.

      Ziemlich perplex saß sie immer noch auf ihrem Stuhl. Komisch er schien gar nicht überrascht, so, als ob das vorher schon verabredet war. Wieder stiegen Zweifel in ihr auf. War da vielleicht doch eine andere Frau im Spiel? Sie hatten doch eigentlich vereinbart, dass sie heute ein bisschen raus ins Grüne fahren wollten, um zu wandern. Es wäre eine tolle Möglichkeit gewesen, sich mal wieder näher zu kommen. Deprimiert rief Elli ihre Freundin Kati an. Alleinsein wäre wirklich das Allerletzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. 'Ach, Du hast Dich schon mit Jochen verabredet. Schade, na dann vielleicht ein anderes Mal.' Wie konnte sie auch erwarten, dass Kati an einem Samstag zu Hause saß und nur darauf wartete, dass sie anrief, um etwas mit ihr zu unternehmen. Wen kannte sie denn noch, der vielleicht nichts vorhaben könnte? Ihr fiel niemand ein. Alle in ihrem Bekanntenkreis waren Pärchen und hatten sicher schon etwas für das Wochenende geplant. Elli fühlte sich auf einmal ziemlich alleine. Bevor sie vollkommen in Selbstmitleid zerfloss, entschied sie sich, ins Büro zu fahren. Sie hatte ihre Arbeit in der letzten Woche sowieso ein bisschen schleifen lassen, und sie musste dringend diesen Werbetext für einen neuen potentiellen Kunden fertig stellen. Nächste Woche Mittwoch, sollte die Präsentation sein und ihr fehlte noch der zündende Funke. Es ging da um ein Parfum. Sie könnte natürlich auch zu Hause arbeiten, aber da gelang es ihr nicht so gut, sich zu konzentrieren.

      Kai war dankbar über Lindas Anruf gewesen. Er hatte Elli nur die halbe Wahrheit erzählt. Die Kollegen hatten sich zum Brunch verabredet. Jeder konnte seinen Partner mitbringen, aber das wollte er ihr nicht auf die Nase binden. Elli war zwar in den letzten Tagen in guter Stimmung gewesen, gab sich ihm gegenüber aber trotzdem ziemlich reserviert. Das konnte er auch. Sie musste ja nicht alles wissen!

      „Na, wo hast du denn deine Perle gelassen? Warum hast du Elli denn nicht mitgebracht?“ tönte es Kai entgegen, als er das Bistro betrat. Die anderen hatten schon ihre Gläser mit Sekt gefüllt und waren guter Dinge.

      „Sie hatte schon was anderes vor. Gibt’s denn was zu feiern?“

      „Peter tat sehr geheimnisvoll. Irgendetwas hat er uns wohl mitzuteilen. Der Sekt geht jedenfalls auf ihn, ließ er uns schon mal ausrichten.“ Ihr Boss war sonst nicht so spendabel. Es musste also schon einen besonderen Grund dafür geben.

      „Was ist mit Dir, Natascha? Keine Ahnung?“ Kai blickte fragend zu Peters Sekretärin, die sonst immer auf dem Laufenden war. Aber die zuckte nur bedauernd die Schultern. „Keinen