Myron Bünnagel

Schmutzige Hoffnungen


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Wagen hielt hinter dem Packard und sie stiegen aus, um zum Haus hinüberzugehen.

      „Ich mache mich schnell frisch, dann bin ich weg. Kann sein, dass ich es nicht pünktlich zum Abendessen schaffe“, erklärte Tony und stieg die Treppe zum Bad hinauf.

      Ira seufzte, aber Ray war sich nicht sicher, ob aus Resignation oder Erleichterung. „Wollen Sie ein Glas kalter Limonade, Ray? Ich bestimmt.“ Er nickte und sie führte ihn in die Küche, einem hellen Raum mit einem gusseisernen Herd und weißen Schränken. Der Tisch und die Spüle waren neu, alles war sauber und glänzte.

      Ira nahm einen großen Krug aus dem Kühlschrank und schenkte zwei Gläser voll zitronengelber Limonade. „Penny macht sie selbst. Ein Wundermittel bei einer solchen Hitze.“ Sie trank in kleinen, hektischen Schlucken.

      Ray hielt sein kaltes Glas in der Hand und beobachtete ihren Hals, als sie den Kopf zurücknahm um zu trinken. Ihre Haut war hell und glatt. „Schmeckt sie Ihnen nicht?“ Sie lächelte und fuhr sich mit der Zunge genießerisch über die Lippen.

      Er nahm einen Schluck. „Ein wenig sauer vielleicht.“

      „Tun Sie etwas Zucker hinein, dann ist sie nicht so sauer. Ich mag sie so am liebsten.“

      Nickend ging er zum Fenster hinüber und sah hinaus in den Garten.

      Ira trat neben ihn, das Glas frisch gefüllt. Ihr Pfirsichduft mischte sich mit dem der Zitronenlimonade.

      Sie sahen sich an, lächelten, ohne Worte zu finden und vertieften sich wieder in die Betrachtung des ausgetrockneten, braunen Rasens.

      Vorne im Haus schlug eine Tür, einige Augenblicke später startete ein Motor und ein Wagen fuhr davon. „Das war Tony. Vermutlich ist er wütend“, sagte Ira in Gedanken versunken. Dann schwiegen sie erneut, bis sie einen leisen Laut ausstieß und ihren Platz am Fenster verließ. „Ich zeige Ihnen jetzt die Karten und das ganze Zeug.“

      Er folgte ihr aus der Küche in den Flur und dann ins Arbeitszimmer. Sein Blick streifte die Photographien an der Wand und verweilte auf neuen, kahlen Stelle.

      „Es ist alles hier“, erklärte Ira und winkte ihn zum Schreibtisch herüber. Darauf lagen etliche Landkarten, manche vom Alter vergilbt, Papiere mit Zahlen und geologischen Analysen, die meisten aus den Dreißigern. „Hier in der Schublade sind noch mehr. Setzen Sie sich, Ray. Ich bringe Ihnen noch eine Limonade.“ Sie verließ das Zimmer und er nahm in dem alten Ledersessel Platz.

      Seine Finger strichen über die Blätter, schoben sie langsam hin und her. Er zog wahllos eines heraus und las es aufmerksam. Dann begann er die Papiere zu sortieren, legte sie in ordentlichen, dünnen Stapeln vor sich ab.

      Die Tür öffnete sich und Ira schlüpfte mit einem gefüllten Glas herein. Sie lächelte sanft, als sie den Mann bei der Arbeit sah. Vorsichtig stellte sie das Glas ab, strich einen Tropfen vom Rand und sagte: „In der ersten Schublade sind Papier und Stifte, falls Sie sich Notizen machen möchten, Ray.“

      Er sah zu ihr auf, wobei sein Blick zwangsläufig über ihren üppigen Busen glitt. Auch er lächelte: „Danke, ich komme schon zurecht.“

      Sie zögerte, musterte ihn einen Augenblick und nickte: „Gut. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie.“ Ray war bereits wieder in die Papiere vertieft, als sie das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss. Er breitete die Karten vor sich aus, studierte sie, legte einige der Gutachten daneben und fing an, sich in seiner kleinen, unruhigen Handschrift Notizen zu machen.

      Ray schlenderte durch den Garten und sog nachdenklich an seiner Zigarette. Er hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger, die Glutspitze in der Handfläche verborgen, während sich der dünne Rauch um seine Finger legte. Vor ihm zeichneten sich die Red Hills weich in der Nachmittagssonne ab. Die Hitze des Tages verlor langsam an Intensität, war aber noch immer eine pyretische Last. Die Grillen stimmten sich bereits auf den Abend ein.

      Er lehnte an einem der wenigen Bäume und betrachtete die mit trockenem Gras überzogenen Hügel. Der Wind wehte ihm den müden Geruch der endlosen Weite entgegen.

      „Geben Sie mir auch eine Zigarette, Mr. Corbin?“ Cora Reed stand plötzlich neben ihm, ihr blaues Kleid ein wohltuender Kontrastpunkt in der braun-roten Tristesse.

      Er fischte seine Packung aus der Hemdtasche, klopfte eine Zigarette heraus und hielt sie ihr entgegen. Sie nahm sie mit ihren schlanken Fingern und führte sie an die Lippen. „Haben Sie auch Feuer?“

      Er steckte die Packung wieder ein und gab ihr mit einem Streichholz Feuer. Sie beugte sich zu seiner Hand vor, hielt den Tabak an die Flamme und sah ihn unter ihren langen Wimpern hervor an. „Danke.“ Sie sog genüsslich den Rauch ein und ging langsam vor ihm auf und ab. Bei jedem Schritt konnte er ihre blassen, zarten Knöchel zwischen dem blauen Stoff sehen.

      „Kommen Sie voran, Mr. Corbin?“

      Er nahm den Blick von ihr und richtete ihn wieder auf die Hügel. „Ich verschaffe mir gerade einen Überblick. Karten studieren, geologische Gutachten lesen.“

      „Glauben Sie, dass Dad Recht hatte?“, fragte Cora und musterte ihn dabei aufmerksam.

      „Vielleicht. Ich weiß es noch nicht. Aber Jasper hatte eine feine Nase, was Gelddinge anging.“

      „Auch für Öl?“

      „Er wird schon seine Gründe gehabt haben, auch wenn hier seit mehr als zehn Jahren kein Barrel mehr gefördert wurde.“

      „Haben Sie schon mal Öl gefunden?“

      „Vor dem Krieg, ja. Ich war in Kanada und Texas. Aber nach dem Krieg war ich nicht mehr in den Staaten.“

      „Sie waren in Frankreich, oder?“

      Ray nickte und strich die Asche von seiner Zigarette.

      „Gab es da auch Erdöl?“ Leichter Spott in ihrer weichen Stimme.

      „Nein, aber Frauen.“

      Sie sah ihn an, ernst, mit etwas in den Augen, das an den Glanz von Eifersucht erinnerte. Dann lächelte sie: „Kann ich mir vorstellen.“

      „Ich glaube nicht.“

      „Sie halten mich für ein Kind. Ich bin aber keins mehr.“

      Er zuckte die Schultern.

      Sie schwiegen einige Zeit und lauschten den Grillen.

      „Kennen Sie ein bisschen was von Ashland?“

      „Nur das, was ich gestern Nacht gesehen habe. Und das war nicht besonders viel“, erwiderte er.

      „Hätten Sie Lust, sich von mir herumführen zu lassen? Ich langweile mich hier zu Tode und Sie könnten mir von Europa erzählen, Mr. Corbin.“

      „Ich weiß nicht.“

      „Kommen Sie, ich beiße nicht.“

      Nach einem kurzen Zögern antwortete er: „Von mir aus.“

      „Großartig. Ich zeige Ihnen die Stadt und dann fahren wir zum Cimarron, da ist es schön. Passt Ihnen morgen?“

      „In Ordnung.“

      „Danke, Mr. Corbin. Es wird bestimmt lustig.“ Sie lächelte vergnügt, drückte ihre Zigarette aus und ging zum Haus.

      Ray lehnte sich zurück und blieb noch einige Zeit im Schatten des Baumes stehen, ehe er an seine Arbeit zurückkehrte.

      Es klopfte und Ray sah von den Papieren auf. „Herein.“

      Ira stand in der Tür und lächelte ihn an. „Wir wollen zu Abend essen, kommen Sie auch, Ray?“

      Er rieb sich die Augen und nickte. „Natürlich.“ Sein Blick schweifte zum Fenster hinaus. Die Hügel leuchteten im Schein des Sonnenuntergangs in Rot, Braun und mattem Grün.

      Ira wartete auf ihn und ging zum Speisezimmer voraus. „Kommen Sie voran, Ray?“ Ihre Hüften bewegten sich weich hin und her. Sie hatte die Hose gegen