Myron Bünnagel

Schmutzige Hoffnungen


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      Die Luft war warm und trug den Geruch des Flusses mit sich. Tony ging zum Kofferraum, öffnete ihn und zog einen großen Picknickkorb hervor. „Das Wichtigste.“ Ira nahm ihn entgegen, während Tony zwei zitronengelbe Decken und einen weißen Panamahut zum Vorschein brachte. „Lasst uns dort unter die Bäume gehen“, schlug er vor und setzte sich den Hut auf.

      Sie folgten ihm in den Schatten. „Helfen Sie mir mal mit den Decken, Ray.“ Er warf dem anderen eine davon zu und sie breiteten sie nebeneinander aus.

      „Wollt ihr Männer zum Fluss runter gehen? Dann bereite ich alles vor“, sagte Ira und klappte den Korb auf.

      „Warum nicht? Kommen Sie, Ray.“ Sie ließen die beiden Frauen zurück. Ray spürte Coras Blick, der ihnen folgte, als sie den kleinen Hügel hinabstiegen.

      „Angeln Sie, Ray?“, fragte Tony. Er bot eine Zigarette an und gab ihnen beiden Feuer. Dann schob er den Hut zurück und schaute in die Ferne. „Gibt hier Forellen und so was.“

      Der Cimarron floss breit und träge dahin. Seine Ufer bestanden aus roter Erde und Steinen.

      „Nein, ich mache mir nicht viel aus Fisch oder Angelsport. Jagen liegt mir mehr.“

      Tony sah ihn lächelnd an und stieß den Rauch seiner Zigarette durch die Nase aus. „Beides nichts für mich. Ich meine, warum soll man so ein Vieh abknallen oder mit einem Haken aufspießen, wenn man es sauber zerlegt oder in praktischen Dosen verpackt im Laden kriegen kann?“

      „Bei der Jagd kann man großartig entspannen.“

      „Ich weiß nicht. Da fallen mir bessere Sachen ein.“

      „Bethany Miles zum Beispiel?“

      Tonys Lächeln gefror zu einer Grimasse. Seine Augen musterten Ray scharf. Dann nahm er die Zigarette aus dem Mund und fuchtelte damit vor ihm herum. „Beth ist ein nettes Ding, verstehen Sie? Warum soll man sich verhalten, als wäre man aus Stein?“ Das Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück. Ray sah ihn weiterhin an. Ein paar Schweißperlen glitzerten in Tonys Bart. „Ach, kommen Sie, Ray. Ich kaufe meine Zigaretten bei ihr, mehr nicht. Wollen Sie hier den Moralapostel spielen?“

      Ray nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und blies nachdenklich den Rauch in Tonys Richtung. „Bestimmt nicht.“

      Das Grinsen im Gesicht des Mannes ihm gegenüber wurde breiter. „Ah, Sie wollen mich aufziehen. Eins zu null für Sie.“ Tony schlug ihm freundschaftlich gegen den Arm.

      „Ja, wollte ich.“

      „Ich meine, wir jagen alle irgendetwas, nicht wahr? Tiere, Geld, Erfolg oder Frauen, Sie verstehen? Das tun Sie doch auch, Ray.“

      „Menschen“, bemerkte der andere trocken.

      Tony sah ihn mit großen Augen an, den Mund halb geöffnet. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann nickte er. „Ich verstehe, Ray. Ich verstehe Sie voll und ganz. Es ist, weil ich nicht im Krieg war. Das ist es, nicht wahr?“ Sein Gesicht nahm einen verstehenden Ausdruck an.

      Ray schwieg.

      „Das sehen Sie ganz falsch, Ray. Ich habe nicht wie Sie an der Front gekämpft, okay. Aber ich bin durch und durch Patriot. Patriot, verstehen Sie, Ray?“ Seine Stimme war lauter geworden.

      „Wenn Sie es sagen, Tony“, antwortete Ray und schnippte seine Zigarette in den Fluss.

      „Klar; das sage ich, weil es stimmt. Ich meine, ich finde gut, was dieser McCarthy da macht. Natürlich wird Kritik an ihm laut, versteht sich. Die ganzen Roten haben Panik. Er steckt sie ins Loch und das ist gut so. Die machen doch alles zunichte, wofür Sie da draußen eingestanden sind. Oder etwa nicht?“ Er sah Ray auffordernd an: „Oder etwa nicht, Ray? Diese Kommunisten machen doch alles kaputt.“

      „Vielleicht.“

      „Bestimmt tun sie das. Sie haben doch welche von denen gesehen, da drüben in Europa, Ray. Wie waren die?“

      „Wie andere Leute auch.“

      „Ach, kommen Sie, Ray. Wir wissen beide, dass die nur eins wollen: die Vereinigten Staaten zerstören. Den amerikanischen Traum beschmutzen.“

      Cora kam den Hügel hinunter. Das Gelb ihres Kleides wetteiferte mit der hoch am Himmel stehenden Sonne. „Kommt ihr zum Essen?“

      „Klar, natürlich. Kommen Sie, Iras Sandwichs werden Ihnen schmecken, Ray. Der wahre amerikanische Traum.“ Er lachte über seinen Witz und ging voran.

      Cora blieb neben Ray und wich kaum von seiner Seite, als sie zu den Bäumen hinüberschlenderten. Ihr Ausdruck war noch immer ernst, ihre Mundwinkel deuteten abwärts.

      „Ziehen Sie nicht so ein Gesicht, Ms. Reed. Das steht Ihnen nicht.“

      Sie sah ihn wütend an. „Was geht Sie das an, was mir steht und was nicht?“ Ihre Schritte beschleunigten sich und sie entfernte sich zur hintersten Ecke der Decke und ließ sich darauf nieder, ohne ihn anzusehen. Ray grinste.

      „Habt ihr euch gut unterhalten?“ Ira saß in ihrem gepunkteten Kleid zwischen Tellern, Bechern und Schälchen. Tony setzte sich neben sie und ergriff den Kaffee, den sie ihm hinhielt. „Ja, ganz ausgezeichnet. Sind uns klar geworden, dass wir beide Patrioten sind.“

      „Vermutlich hast du wieder über Politik gesprochen“, seufzte sie und reichte Ray eine gefüllte Tasse und einen Teller, auf dem ein dick belegtes Sandwich lag. Dabei zwinkerte sie ihm zu. „Ich kann Politik nicht ausstehen.“

      „Solltest du aber, Ira. Du hast immerhin das Wahlrecht.“

      Sie zuckte die Schultern. „Was interessiert es mich. Ich war noch nie wählen.“ Sie sprach das letzte Wort aus, als wäre es eine ansteckende Krankheit. Tony schüttelte den Kopf und vertiefte sich in den Verzehr seines Brotes.

      „Schmeckt es Ihnen, Ray?“, fragte Ira und biss ein kleines Stück von dem ihren ab.

      „Wirklich gut. Diese Soße ist einzigartig“, antwortete er.

      „Danke.“

      Cora betrachtete ihr Sandwich mit Widerwillen, hob es an, legte es zurück und ignorierte die anderen.

      Sie aßen ohne viele Worte, tranken ihren Kaffee und schauten über den Cimarron hinweg ins Land.

      „Was meinen Sie, Ray, wollen wir ein wenig spazieren gehen?“ Ira tupfte sich die Lippen mit einer Serviette ab.

      „Ohne mich. Sei so gut und reich mir doch mal die Zeitung aus dem Korb herüber“, meinte Tony, rutschte zu einem Baum und lehnte sich dagegen. Ira gab ihm eine zusammengefaltete Zeitung, die er mit viel Lärm auf seinen Knien ausbreitete. „Wetten Sie eigentlich, Ray?“, fragte er, ohne aufzusehen.

      „Nein, kein Interesse.“

      „Schade, hätte Ihnen ein paar Tipps für das nächste Rennen geben können. Ich setze immer mal einen Fünfer. Nie mehr und auch nur, wenn ich mir absolut sicher bin.“

      „Lassen Sie uns gehen, Ray. Wenn es um seine Pferdewetten geht, ist er zu nichts anderem mehr zu gebrauchen.“ Ira erhob sich und wartete auf ihn.

      Cora warf ihm einen kurzen, missmutigen Blick zu, dann spannte sie ihren Sonnenschirm auf, zog ein Buch aus ihrer Handtasche und begann zu lesen.

      Ray erhob sich und Ira und er gingen gemeinsam zum Fluss hinunter. Ein leichter Wind spielte mit ihrem Kleid und einer einzelnen Haarsträhne. Er zündete sich eine Zigarette an und sah zu, wie das Streichholz im Cimarron erlosch.

      „Wir hätten auch zum Baden herausfahren können. Weiter oben ist der Fluss etwas tiefer. Es gibt da eine Uferstelle, die ist wie ein kleiner Strand. Nicht so viele Steine. Ich liebe das Wasser. Als Kind lebten wir in Chicago und meine Mutter ist jeden Sonntag mit uns raus an den See gefahren. Warten Sie, Ray, wir wollen Steine springen lassen.“ Sie trabte zum Ufer hinab und suchte nach einem flachen Stein. Als sie sich vorbeugte, um einen aufzuheben, zeichnete sich ihr Gesäß unter dem hellen Rock ab.

      Ray