Myron Bünnagel

Schmutzige Hoffnungen


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ihn nicht. Er seufzte und sie blickten stumm zum Horizont.

      Schließlich öffnete sich die Tür erneut und Cora trat heraus. Sie war gekleidet in ein hellblaues Kleid, eine gerüschte Bluse und ein gestreiftes Jäckchen. An ihrem Arm baumelte eine winzige Handtasche. Sie hielt abrupt im Schritt inne, als sie die beiden Männer am Geländer stehen sah. Ihre Miene verdunkelte sich, dann blickte sie starr zu Boden und eilte die Stufen hinab. Rays Augen folgten ihren weichen Bewegungen, als sie die Zufahrt entlang lief.

      „Möchte wissen, was der für eine Laus über die Leber gelaufen ist. Vermutlich hat sie Streit mit Donald“, bemerkte Tony und streifte die Asche ab.

      „Meinen Sie?“

      „Was denn sonst? Sie ist halt noch ein Kind und ein ziemlich verzogenes dazu.“ Die Lippen unter dem Schnurrbart zogen sich über seine Zähne zurück, als er abschätzend grinste.

      „Vielleicht.“ Cora war hinter den Bäumen verschwunden. „Geht sie allein weg?“

      Tony schüttelte den Kopf: „Donny fischt sie auf und dann fahren sie nach Ashland, Freunde besuchen.“

      Sie schwiegen wieder. Noch immer war die Luft fiebrig warm.

      „Das Essen ist fertig.“ Ira steckte den blonden Schopf zur Tür heraus, lächelte und verschwand wieder.

      „In Ordnung.“ Tony zerdrückte seine Zigarette in einem Aschenbecher auf dem kleinen Beistelltisch.

      Gemeinsam gingen sie ins Haus und ins Esszimmer, in dem der Tisch bereits gedeckt war.

      Ira und das Hausmädchen waren gerade dabei, Platten mit gekochtem Fisch und Gemüse abzustellen. Beide trugen weiße Schürzen. „Setzt euch.“

      Die beiden Männer nahmen Platz und warteten, bis sich Ira zu ihnen gesetzt hatte. „Langt kräftig zu.“ Sie lächelte und verteilte geschickt den Fisch.

      Das Mädchen erschien im Durchgang zur Küche: „Der Nachtisch ist angerichtet, Mrs. Reed.“

      „Danke, Penny. Sie können dann Feierabend machen.“

      Sie verzehrten wortlos ihr Essen, lauschten auf das Klingen des Bestecks.

      Die Dunkelheit zog sich vor dem Fenster zusammen, sog die Grasflächen und Bäume in sich auf.

      „Sind Sie weitergekommen, Ray?“, fragte Ira und tupfte sich die Lippen sorgfältig mit einer Serviette ab.

      Er legte seine Gabel zur Seite und nahm einen tiefen Schluck Weißwein. „Ich denke schon. Das Material ist sehr umfangreich, einige der Expertisen widersprüchlich, vieles vage Vermutungen.“ Er machte eine Pause. Ira sah ihn mit glänzenden Augen an. Tony kaute nervös auf seiner Unterlippe. „Aber eine Chance besteht. In Ihrem Land wurden bisher keine Bohrungen vorgenommen. In den Nachbarfeldern ja, in Ihrem nicht. Die Ergebnisse der Bohrungen waren zufrieden stellend, wurden aber frühzeitig eingestellt.“

      „Was bedeutet das?“, fragte Tony.

      Ray zuckte die Schultern: „Das kann ich nicht voraussagen. Möglich, dass wir ein altes Feld anbohren, das noch nicht völlig erschöpft ist. Es würde uns einige Zeit Erdöl liefern, aber früher oder später austrocknen.“ Tony blickte enttäuscht. Ira saß unnatürlich starr auf ihrem Stuhl. „Oder wir finden eine neue Quelle, eine, die bisher übersehen wurde.“

      „Besteht eine solche Chance?“ Ihre Stimme war mehr ein Flüstern.

      „Eine geringe. Die Bohrungen hier im Umkreis bewegten sich in einer Tiefe von etwa achtzig Metern. Das ist für diese Region so üblich. Tiefere Bohrungen waren aufwendiger, zumindest Anfang der Dreißiger. Ein tieferes Vordringen ist schwieriger und zumeist teurer. Es passiert jedoch, dass sich Ölfelder überlagern. Unter einem leer gepumpten Feld könnte ein noch unberührtes liegen.“ Seine beiden Zuhörer atmeten hörbar aus. „Könnte“, betonte Ray. „Ich will Ihnen keine falschen Hoffnungen machen. Die Möglichkeit besteht, aber mehr auch nicht.“

      Sie schwiegen. Ray beobachtete Ira, deren Finger sich in eine zerknüllte Stoffserviette gekrallt hatten. Ihr Gesicht war angespannt und ernst, die Haut lag straff über ihren Wangenknochen und die braunen Sprenkel ihrer Augen waren deutlich zu erkennen.

      „Meinen Sie, es ist einen Versuch wert?“ Tonys Stimme war beinahe tonlos, als hätten ihr all die brüchigen Hoffnungen die Kraft geraubt.

      Ray sah ihn an und nickte langsam. „Es ist mit Unkosten verbunden und die Möglichkeit eines Misserfolgs besteht. Vermutlich benötigen wir mehr als eine Probebohrung, aber das sollte uns nicht den Mut nehmen. Ich habe mir das Material angesehen und halte es für möglich, dass wir fündig werden. Morgen besorge ich mir Gesteinsproben von Ihrem Feld. Ich hoffe, dass untermauert unsere Vermutung.“

      „Was müssen wir tun?“ Iras Finger lösten sich langsam aus dem zerknüllten Stoff.

      „Nicht viel. Jasper hat so ziemlich alles vorbereitet. Adressen und Materiallisten. Es fehlt nur noch Geld.“

      „Auch das ist da. Jasper hat es genau dafür zurückgelegt.“

      Ray nickte. „Das ist ein weiterer Punkt. Jasper hatte einen Sinn für Geschäfte. Er konnte Geld förmlich riechen. Wenn er sich sicher war, dass wir hier Öl finden würden, dann glaube ich es auch.“

      „Sie können über das Geld verfügen, Ray.“ Ira blickte ihn an.

      „Gut.“

      Sie seufzte. „Es ist unsere letzte große Rücklage. Wenn es aufgebraucht ist, haben wir nicht mehr viel.“

      Wieder schwiegen sie.

      Schließlich sagte Tony in die Stille hinein: „Ich könnte jetzt eine Zigarette vertragen. Kommen Sie mit, Ray?“ Er erhob sich.

      Der andere schüttelte den Kopf.

      „Sei aber gleich zurück, es gibt noch Nachtisch.“ Ira stand auf und ging in die Küche hinüber.

      Ray blieb nachdenklich sitzen und starrte auf seinen Teller. Seine Finger spielten abwesend mit einer silbernen Gabel, schoben sie in einen rechten Winkel zum Tisch.

      „Danke, dass Sie die Wahrheit gesagt haben, Ray.“ Sie stand neben ihm, eine Porzellanschüssel vor der Brust.

      Er zuckte die Schultern, ohne den Blick vom spiegelnden Glanz des Silbers zu nehmen. „Ich wollte Ihnen nicht zu viele Hoffnungen machen.“

      Ira stellte die Schüssel ab und beugte sich zu ihm herab. Ihr Atem strich über sein Gesicht, der leichte Pfirsichduft kitzelte seine Nase. „Sie geben uns immerhin Hoffnung. Allein könnten wir das nicht schaffen.“

      Er drehte den Kopf zu ihr. Ihre Gesichter waren sich sehr nah. Iras Lippen schimmerten feucht, ihre grünen Augen glänzten. Die winzigen Sommersprossen bedeckten Nase und Wangen. Sie sahen sich an, ein gespanntes Schweigen zwischen ihnen. Ray sah, wie sich ihre Brust hob und senkte, wie sich eine einzelne blonde Strähne sachte in ihrer Stirn bewegte. Er setzte an, etwas zu sagen, aber die Worte verloren sich, bevor er sie über die Lippen bringen konnte.

      Im nächsten Moment hatte er sie ergriffen. Ira versuchte sich ihm zu entziehen, dann blieb ihre Hand regungslos, wie verkrampft in seiner liegen. Sie atmete schwer, eine dunkle Röte stieg ihr in die Wangen. Ein Schleier glitt über ihre Augen. Smaragde in sanftem Nebel. Ihre Haut war sehr warm und weich. Ihre Zähne schimmerten hinter den roten Lippen. Langsam entspannte sie sich, schmiegte ihre Hand in seine Wärme.

      Die Haustür ging, ein gedämpfter Laut, der in der lastenden Stille klang wie ein Donnerschlag. Ira versuchte sich zurückzuziehen, einen Anflug von Angst in ihren gesprenkelten Augen. Ray hielt sie fest, mit beinahe brutaler Kraft. Sie wehrte sich für einen Moment, dann gab sie seinem harten Blick nach, die schimmernde Furcht unter einem Schleier bedeckt, ein leises Seufzen auf den Lippen.

      Als sich die Tür öffnete, entließ Ray sie und Ira trat mit brennenden Wangen von ihm fort, den Blick auf den Boden gerichtet.

      „Wenn man da draußen steht und zu den Hügel hinüber sieht, kann man fast