Myron Bünnagel

Schmutzige Hoffnungen


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lächelte und zeigte seine Zähne unter dem dünnen Bärtchen: „Für irgendetwas müssen diese Hügel ja gut sein.“

      Ira kam mit einer Kanne aus der Küche zurück und setzte sich neben Tony. Ihr Blick glitt zögerlich über Ray hinweg und wandte sich dann dem Redner zu: „Du mochtest die Red Hills noch nie.“

      „Warum auch? Sie sehen schmutzig aus.“

      „Reichen Sie mir Ihr Schälchen, Ray? Ich hoffe, Sie mögen Rote Grütze?“ In ihrer Stimme klang Unsicherheit mit.

      „Danke“, sagte Ray und beobachtete, wie sie ihm den Nachtisch servierte.

      „Da ist Vanillesoße. Bitte schön, Tony.“

      Sie aßen, wobei niemand ein Wort sprach.

      „Was haltet Ihr von etwas Radio? Ich habe den Empfänger heute abgeholt. Es dürfte Musik und ein Hörspiel geben. Was meinen Sie, Ray? Mögen Sie Hörspiele?“ Tony kratzte sein Schälchen geräuschvoll mit dem Löffel leer.

      „Vielleicht.“

      „Bestimmt. Jeder mag Hörspiele.“

      „Geht ihr schon vor, ich muss das Geschirr noch in die Küche bringen.“ Ira erhob sich und begann abzuräumen. Ray versuchte ihren Blick einzufangen, aber sie wich ihm aus.

      „Na dann, kommen Sie, Ray. Wir wollen den Kasten mal vorheizen.“

      Die beiden Männer verließen das Esszimmer und gingen hinüber in den Leseraum. Auf einer Kommode stand ein großes Röhrenradio. Tony stellte sich davor und tätschelte es liebevoll. „Die Röhre war kaputt und ich musste es zu Ben Stanton bringen, damit er es repariert. Setzen Sie sich in den Sessel dort, Ray. Da können Sie am besten zuhören.“ Er schaltete das Radio ein und drehte am Empfänger, während Ray Platz nahm. Nach kurzem Rauschen war die klare Musik von Duke Ellington zu hören. „Ich liebe den Duke. Der macht klasse Musik, finden Sie nicht, Ray?“ Dabei schlug Tony den Takt auf seinem Oberschenkel an.

      „Weiß nicht, ich interessiere mich nicht sonderlich für Musik.“

      Tonys Lächeln verzog sich und er ließ sich auf die Couch fallen. „Verstehe. Sie halten nicht viel von Kultur.“

      Ray zuckte die Schultern: „Ich lese gelegentlich ein Buch oder geologische Fachzeitschriften, mehr nicht.“

      „Ist ja auch nicht schlimm. Ich meine, man kann seine Zeit auch sinnvoller nutzen. Wie wäre es mit einem Drink?“

      Der andere nickte.

      Tony grinste, erhob sich und schlenderte hinüber zu einem kleinen Barwagen. „Bourbon?“

      „Akzeptiert.“

      Die Tür öffnete sich und Ira Reed trat ein. „Für mich auch einen, Tony.“

      „Klar.“

      Sie setzte sich auf die Couch, schlug die Beine übereinander und nahm das Glas entgegen, das ihr gereicht wurde. „Danke.“

      Ray nickte ihm zu und nahm einen Schluck.

      Tony trank ebenfalls, schnalzte anerkennend mit der Zunge und strich sich genießerisch über den dünnen Bart.

      Die Musik verstummte und ein Radiosprecher verkündete das weitere Programm. „Hammett. Das ist einer, der hat Ahnung. Hat klasse Geschichten geschrieben, auch wenn er ein Roter ist“, bemerkte Tony und lehnte sich zurück, einen Arm hinter Ira auf die Rückenlehne gelegt.

      „Mögen Sie Krimis, Ray?“, fragte die blonde Frau und stellte ihr leeres Glas ab.

      „Klingt mir zu sehr nach einer haarsträubenden Räuberpistole.“ Er beobachtete Ira, die sich an Tonys Arm schmiegte, die Lider halb geschlossen.

      „Mir gefällt es“, seufzte sie.

      „Warte ab, bis es ordentlich kracht.“ Tony grinste Ray an.

      „Ich mag mehr die Liebesgeschichten.“ Sie öffnete die Augen und musterte Ray eindringlich, ohne dass es Tony mitbekam. Ihre Augen schimmerten feucht, ihre Lippen waren halb geöffnet. Er erwiderte ihren Blick, ohne das Gesicht zu verziehen. Einige Momente versanken sie ineinander, dann schloss sie ganz langsam die Augen.

      Das Stück dauerte an, füllte das Zimmer mit Revolverschüssen, Schreien und theatralischen Stimmen. Tony hörte aufmerksam zu, die Augen weit geöffnet. Gelegentlich fuhr er sich mit der Zunge über die dünnen Lippen. Seine Hand ruhte auf Iras Schulter, die zu schlafen schien. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen.

      „Nichts für ungut, aber ich glaube, mir genügt es für heute Abend.“ Ray leerte sein Glas und erhob sich.

      „Wollen Sie nicht wissen, wie es ausgeht?“, fragte Tony erstaunt. „Das Finale ist immer das Beste am ganzen Stück.“

      „Lass ihn doch, Tony. Ray interessiert sich nun einmal nicht für Hörspiele.“ Iras Worte klangen träge, gestimmt von Behaglichkeit und Alkohol. Sie blickte ihn unter schweren, dunklen Lidern an.

      „Lassen Sie mich wenigstens Ihr Glas noch einmal auffüllen.“ Tony griff nach der Flasche, die auf dem niedrigen Tisch vor ihm stand und schenkte Ray reichlich ein.

      „Ich werde damit gurgeln.“ Ray grinste. „Gute Nacht, allerseits.“

      „Bis Morgen.“

      „Schlafen Sie gut, Ray“, hauchte Ira und schloss wieder die Augen.

      Er ließ die beiden mit dem Lärm des Radios allein.

      IV.

      Die Sonne setzte die Umrisse der Red Hills in Brand, ließ die braunrote Erde im grellen Licht fast schwarz und verkohlt erscheinen. Ein trockener Wind spielte unschlüssig im hohen Gras, als Ray auf der Veranda stand und rauchte. Der Packard war verschwunden, nur der verstaubte Pick-up stand auf dem Vorplatz.

      „Guten Morgen, Ray.“ Er blickte über die Schulter hinüber zu Ira Reed, die in der Eingangstür lehnte, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der einsamen Landschaft zu. Ein Raubvogel, nur ein winziger Punkt in der Ferne, zog seine geduldigen Kreise. Im Osten standen dünne Wolken am Himmel. „Guten Morgen, Ira.“

      Sie zögerte. „Wollen Sie nicht zum Frühstück hereinkommen? Ich … Tony ist unterwegs, Cora schläft noch und ich esse nicht gerne allein.“

      Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort, sog den Rauch seiner Zigarette ein und stieß ihn langsam wieder aus. „In Ordnung.“ Ohne Eile folgte er ihr ins Esszimmer.

      Ray nahm ihr gegenüber Platz. „Haben Sie gut geschlafen?“

      Er nickte. „Ist es gut ausgegangen?“

      Sie sah ihn verwirrt an, ihre Augen geweitet, als hätte er sie bei etwas Verbotenem ertappt. „Was meinen Sie?“ Ihre schlanken Finger spielten unruhig mit einer Serviette.

      „Das Hörspiel“, antwortete er und fixierte sie mit seinem Blick.

      „Ach so, das meinen Sie.“ Eine leichte Röte stieg in ihre Wangen. „Ich glaube schon. Diese Sachen gehen doch immer gut aus. Ich bin vor dem Ende eingeschlafen.“ Ihre Augen huschten unruhig umher, sahen auf ihren Teller, dann zum Fenster hinaus und schließlich zu ihm.

      Ray lächelte und sie erwiderte es scheu. „Fahren Sie heute raus, um Proben zu nehmen?“

      „Ja, direkt nach dem Frühstück.“

      „Nehmen Sie mich mit, Ray?“

      Er rührte in seinem Kaffee, dann schaute er sie an. In Iras Blick funkelte es. „Wenn Sie möchten.“

      „Gern. Ich habe heute ohnehin nichts zu tun. Penny wird uns eine Kleinigkeit zusammenpacken. Heute wird es schrecklich heiß.“ Sie aß ihr Frühstück mit sichtlichem Appetit, schaute gelegentlich zu ihm herüber.

      Als Ray fertig war, erhob er sich und ging zur Tür. „Sagen wir, in einer halben