Joachim Kath

Herr Fuchs (86) kauft ein Auto


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sollten und müssten, ausgerechnet von den Kleinsparern. Derivate, das wusste er, waren ja eigentlich einmal nur Versicherungen, aber dass sie dann Kreditpakete absichern sollten, die niemand mehr durchschaute, konnte natürlich nicht lange gut gehen. Nun, ein Auto wäre zwar auch nur noch die Hälfte wert, wenn man vom Hof des Händlers gefahren sei, also alles andere als eine sinnvolle Investition, aber auf was solle er warten? Auf Godot vielleicht? Das erschien ihm dann doch ein wenig voreilig.

      Also machte er sich auf zu dem nächsten Händler jener Marke, die er ins Auge gefasst hatte. Die neuesten Modelle standen wie üblich alle aufgereiht im Showroom mit der obligatorischen, seitens des Herstellers von seinen Vertragshändlern verlangten Glasfront gen Süden, die das lackierte Blech in der Sonne funkeln ließen. Doch, man kann sagen, die ganze Präsentation war nach seinem Geschmack. Ganz großes Kino! Denn er hielt es mit Oscar Wilde in diesen Dingen, und war auch nur mit dem Besten zufrieden. Wobei ihm allerdings klar war, dass es heute trotz Internet gar nicht so einfach ist, herauszufinden, was das Beste ist.

      Die geschniegelten Verkäufer saßen aufgereiht an ihren Schreibtischen und taten, was sie immer machten. Sie telefonierten. Herr Fuchs strich um das Vehikel seiner Begierde und öffnete schließlich die Fahrertür. Keiner der Verkäufer schien sich für ihn zu interessieren. Doch aus den Augenwinkeln taxierten sie ihn natürlich, denn schließlich würden sich bald einer von ihnen entscheiden müssen, ob es sich lohnt, aufzustehen. War das nun nur ein Sehmann oder vielleicht ein potenzieller Kunde? Noch hielten die Verkäufer ihre Füße still. Klar, der Herr schien sich tatsächlich zu interessieren. Man könnte ja mal fragen, ob man was für ihn tun könnte. Ein Prospekt oder so! Eine Tasse Kaffee vielleicht? Aber sah der Mann nicht ein bisschen alt aus für ein Hightech-Fahrzeug. Und konnte er sich einen solchen Schlitten dieser weltbekannten Premiummarke überhaupt leisten. Gewiss, die Alten hatten mehr Moneten als die Jungen. Seine Schuhe, Verkäufer schauen immer zuerst auf die Schuhe, die waren nicht von der ganz billigen Sorte und die Kleidung, na ja, nicht supermodisch, aber gediegen. Bestimmt würde dieser ältere Herr einer von denen sein, die ihren uralten Benzinfresser in Zahlung geben wollten und unverschämterweise viel mehr für die total ausgelutschte Kutsche angerechnet haben wollen als sie wert war. Dann müsste man wieder umständlich argumentieren und Beweise aus dem Internet liefern, was die Karre tatsächlich im Verkauf noch bringt. Nämlich genaugenommen nichts, wenn man den Einkaufspreis dagegen stellt. Alles das macht Arbeit! Doch andererseits, ohne Verkauf keine Provision! Die Verkäufer waren allesamt hin und her gerissen.

      Herr Fuchs saß inzwischen hinter dem Steuer des Autos, für das er sich innerlich bereits entschieden hatte. Denn genau dieses Modell dieser Marke war von den fünf Modellen verschiedener Marken übrig geblieben, er in Erwägung gezogen hatte. Er war bereits innerlich bereit zu kaufen, doch ihm war auch klar, dass er genau das dem Verkäufer nicht zeigen durfte, als der als Schatten auftauchte, mit der erwartbaren Frage: „Kann ich etwas für Sie tun, mein Herr?“

      „Kein schlechtes Auto!“ sagte Herr Fuchs und klopfte auf das Armaturenbrett. Er pflegte genau das immer zu sagen, wenn er etwas Klasse fand. Nicht schlecht war bei ihm erstklassig, darüber ging so gut wie nichts mehr. Außer vielleicht hochwertige Kunst oder unberührte Natur.

      „Ja, sogar ein ganz hervorragender Wagen, Sie beweisen exzellenten Geschmack, mein Herr! Möchten Sie einen Termin für eine Probefahrt vereinbaren?“ fragte der Verkäufer mit Schlips, weißem Hemd und dunklen Anzug.

      „Es ist, wie Sie sich möglicherweise denken können, nicht mein erstes Auto und ich gehe davon aus, dass es fährt!“ sagte Herr Fuchs.

      „Ja, natürlich, es fährt ganz ausgezeichnet, aber wir sind gehalten, eine Probefahrt anzubieten! Nur zu Ihrer Sicherheit, damit Sie die richtige Wahl treffen!“ beeilte sich der geschulte Verkäufer.

      „Danke!“ sagte Herr Fuchs, „ich habe die Erfahrung gemacht, dass man bei jedem neuen Auto einige Zeit benötigt, sich daran zu gewöhnen. Die Biester passen sich einem ja nicht an, wie neue Schuhe. Bei mir kann das eine Woche dauern, bis ich alle Knöpfe und Schalter kenne. Vielleicht auch zwei. Zunächst einmal sollten wir über die Zahlen sprechen!“

      „Dieser Wagen in seiner stärksten Ausführung hat 170 PS und fährt über 210 Stundenkilometer schnell!“ sagte der Verkäufer. „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten: Aber wozu wollen Sie so ein Geschoss?“

      „Nun, ich hatte eigentlich angenommen, Autos würden einem einzigen Zweck dienen, der Ihnen als Spitzen-Verkäufer im Verlaufe der Jahre nicht gänzlich verborgen geblieben ist!“

      „Ja, ich denke nur, es würde vielleicht auch für Sie ein etwas weniger motorisiertes Modell in Frage kommen, oder auch einer unserer werkstattgeprüften Gebrauchten, was sich natürlich auch preislich ganz erheblich auswirken würde!“

      „Ich gehe stark davon aus, dass Sie Rollatoren nicht im Programm haben und sicherlich muss ich Sie nicht darauf aufmerksam machen, dass die Straßenlage, der permanente Vierrad-Antrieb und die Geschwindigkeit beim Überholen nicht ohne Sicherheitsaspekte sind. Regen und winterliche Straßenverhältnisse kommen noch erschwerend hinzu. Außerdem meine ich nicht die technischen Daten, die kenne ich schon aus dem Prospekt, sondern wenn ich von Zahlen spreche, dann meine ich, was dieses Auto kostet und welchen Rabatt Sie mir großzügigerweise freiwillig einräumen.“

      „Dazu sollten wir uns zu meinem Schreibtisch begeben, dann kann ich Ihnen am Computer ganz genau ausrechnen, was ein für Sie nach Ihren Wünschen konfiguriertes Fahrzeug im Endeffekt bar oder im Leasing kostet“, sagte der Verkäufer gestelzt.

      Herr Fuchs hatte, das machte er schon immer so, vorher zu Hause das Auto im Internet auf der Herstellerseite nach seinen Wünschen zusammengestellt und wusste den offiziellen Betrag. Außerdem hatte er zum Vergleich bei Portalen, die Neuwagen anbieten, die Rabatte gecheckt. Jetzt wollte er zunächst weiter nichts als nur einmal hören, nachdem sie die ellenlange Zubehörliste durchgegangen waren, was da nun unter dem Strich herauskam. Es war ein fünfstelliger Euro-Betrag, klar, das ist heute so bei einem ganz normalen Auto. Und wenn man das für die Sicherheit und Bequemlichkeit nützliche Zeug vom Überflüssigen trennt, kommt noch ein gehöriges Sümmchen oben drauf. Darüber erschrak er keineswegs, auch wenn es ihm trotzdem zu teuer erschien.

      „Also, zunächst einmal geht es hier um einen Barkauf und nicht um Leasing! Ich bin Rentner und kein Unternehmer, der die Kosten teilweise bis ganz absetzen kann. Und um das gleich zu sagen: Ich bin auch nicht der Carsharing-Typ. Wenn ich fahren will, dann will jetzt fahren und nicht herumtelefonieren, vielleicht noch einen Tag auf ein freies Auto warten und kilometerweit irgendwo hinlaufen.“

      „Ja, aber bei Leasing bekommen Sie alle 36 Monate ein neues Fahrzeug!“ sagte der Verkäufer, der an Carsharing gar nicht gedacht hatte.

      „Richtig! Aber ich will nicht auf den Kilometerstand achten, ich will nicht über den Restwert verhandeln und ich will mir die Entscheidung vorbehalten, wann ich das Auto gegen ein Neues tausche. Vielleicht ist es mein letztes Auto, wer weiß!“

      „Sie sehen doch noch ganz rüstig aus!“ meinte der Verkäufer.

      „So entgegenkommend bin ich nicht, dass ich schon als Geisterfahrer aufgefallen wäre! Wie die falsch herum auf die Autobahn kommen, habe ich noch nicht herausgefunden. Meinen grauen, schon leicht zerfletterten Lappen mit dem vergilbten Jugendbild musste ich bisher auch noch nicht abgeben. Demenz scheine ich ebenfalls kaum zu haben, auch wenn ich manchmal Namen von Menschen und Pflanzen vergesse, von Tieren vergesse ich die Namen erstaunlicherweise nicht. Außerdem mache ich ab und zu den Test“, erwiderte Herr Fuchs.

      „Welchen Test, um Himmels Willen?“

      „Nicht den Idiotentest, wie Sie denken, sondern den Uhrentest! Demenzkranke können nämlich ab einem bestimmten Stadium das Zifferblatt einer Uhr nicht mehr richtig aufmalen. Sie erinnern nicht mehr genau wo die Zahlen stehen und wenn sie die Zeiger mit einer genauen Uhrzeit einzeichnen sollen, dann wird das für sie schwierig.“

      „Aber Sie können das?“

      „Ich habe nicht nur keinerlei Orientierungsschwierigkeiten, auch ohne Navi, ich habe auch keineswegs vergessen, dass Sie mir die Antwort auf meine Rabattfrage noch schuldig sind! Mein Kurzzeitgedächtnis