Wilma Burk

Die Liebe ist kein leichtes Spiel


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zaghaft, dann fester legte er seinen Arm um ihre Schulter. „Tut es dir nicht leid?“, fragte er.

      „Nein!“, versicherte sie und schmiegte sich an ihn.

      So gingen sie zusammen ihren Weg, weg von dem lärmenden Rummelplatz, weg von den Freunden. Sie sahen sich nicht einmal nach ihnen um.

      Halt, warte, bleib doch!

      Eigentlich sollte Toni längst dem Alter der Halbwüchsigen entwachsen sein. Doch noch immer trug er die Kluft derer, denen in ihren jungen Jahren die Kraft der Faust wichtiger war als die Stärke des Geistes. In ausgefransten, engen Jeans kamen sie daher und trugen lässige Jacken dazu mit einem aufreizenden Emblem auf dem Rücken. Auch Toni gehörte zu einer Gang, wie sie es nannten. Zusammen fühlten sie sich stark. Wenn sie herausfordernd lärmend umherzogen und spürten, wie die Menschen sich schweigend zurückzogen oder gar in Furcht vor ihnen duckten, dann erfüllte sie ein berauschendes Machtgefühl. Dabei war Toni einer der Schlimmsten von ihnen, wenn es galt, gefährliche Streiche auszuführen und damit gegen Welt und Gesellschaft zu trotzen. Das liebste Spiel aber war für alle, junge Mädchen zu erschrecken und einzuschüchtern. Gellend johlten sie dann den Fliehenden hinterher.

      Als Toni Britt zum ersten Mal begegnete, durchquerte er gerade einen Park. Er war allein, ohne seine Freunde und ohne den Halt der Gruppe. Da wirkte er keineswegs so wild und rauflustig wie sonst. Nur sein Aussehen verriet, wozu er gehören wollte. So lief er dahin, wie jeder andere, bis er sie sah.

      Sie kam ihm entgegen und leckte gerade genüsslich ein Eis. Ihre Blicke trafen sich. Sie konnten sie nicht wieder voneinander lösen. Britt vergaß das Lecken, je näher sie sich kamen. Das Eis begann zu tropfen.

      Toni verlangsamte seinen Schritt, als könnte er damit den Moment hinauszögern, bis er sie wieder aus den Augen verlieren musste. Festhalten wollte er sie, wenn es nur möglich wäre. Was war nur los mit ihm? Eine andere hätte er längst angerempelt, um auf seine Art mit ihr anzubandeln. Bei diesem Mädchen aber vermochte er das nicht.

      Auch Britts Schritte wurden zögernder. Wartete sie darauf, dass er sie ansprach? Doch als sie sich zum Berühren nah waren, beschleunigte sie ihren Schritt, schlug ihre Augen nieder und lief hastig an ihm vorbei.

      Toni sah ihr nach, sah ihre enge, über der Hüfte viel zu knapp sitzende Hose und die kurze Bluse dazu. Hatte das ihren Bauchnabel freigegeben? Er wusste es nicht. Er sah nur die langen, blonden im schnellen Gang wippenden Haare und machte schon die ersten Schritte, ihr zu folgen. Doch dann blieb er stehen und fuhr sich verwirrt durch seine kurzen Haare. Was war nur los mit ihm? Noch nie war er einem Mädchen nachgelaufen, als hätte er das nötig. Doch hier ... hier war es anders, das spürte er.

      In der nächsten Zeit, zog es ihn ständig in den Park. Oft richtete er es so ein, dass sich ihre Wege kreuzen mussten. Er kannte auch bald viele ihrer Ziele und wusste, wo sie wohnte. Fast war ihm dabei, als suchte auch sie jede Begegnung mit ihm. Er konnte nichts dagegen tun, dieses Mädchen zog ihn in seinen Bann. Er hatte sich unsterblich verliebt, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben.

      Dabei sprachen sie nie ein Wort miteinander. Wenn er es wagen wollte, wandte sie sich errötend ab. Warum nur? Er spürte doch, dass auch sie nicht mehr gleichgültig an ihm vorübergehen konnte. Oder irrte er sich, wenn er ihre Art, sich ihm zu nähern, als kokett und verstohlen lockend empfand? Sie war wohl noch scheu und unerfahren. Wie sollte er nur mit so einem Mädchen umgehen, das so anders war, als alle, die er bisher kannte? Er wusste es nicht. Irgendwann und irgendwie musste es ihm aber gelingen.

      War er danach mit seinen Freunden in der Gang zusammen, so befiel ihn jetzt oft ein unerklärliches Unbehagen. Noch machte er alles mit, auch als sie einmal wieder am Badestrand des Sees vor der Stadt entlangzogen, um Leute zu ärgern. Hier rannten sie einen um, dort spielten sie mit einem Korb Fußball oder zogen eine Decke weg. Sie lachten, wenn die Menschen sich ärgerten und schimpften. Sie grölten vor Vergnügen, wenn jemand schnell seine Sachen nahm und das Weite suchte. Und dann entdeckten sie drei Mädchen, die abseits, fast versteckt am Strand saßen.

      „Das wird voll krass! Los, kommt!“, rief einer und setzte sich in Bewegung. Die andern folgten.

      Doch kaum hatten die Mädchen sie gesehen, rafften sie so schnell sie konnten ihre Sachen zusammen.

      „Die wollen abhauen. Beeilt euch!“, erkannte einer. Sofort rannten alle los.

      In diesem Moment sah Toni entsetzt das Mädchen aus dem Park unter ihnen. „Halt, halt!“, rief er noch seinen Freunden nach - doch er konnte sie nicht aufhalten.

      Die Mädchen fanden keine Zeit mehr, alles aufzunehmen, da waren Tonis Freunde schon bei ihnen und warfen laut johlend die Sachen der drei wahllos in der Gegend herum. Sie stießen sich die kreischenden, in ihren knappen Badeanzügen halbnackten Mädchen gegenseitig zu oder balgten sich mit ihnen, wenn sie verzweifelt versuchten, ihnen etwas von ihren Sachen zu entreißen.

      „So hört doch auf!“, flehte Toni noch einmal. Er fand kein Gehör. Er sah, wie Britt aus den Armen des einen in die Arme des andern gestoßen wurde. Atemlos verfolgte er das. Er war es doch, der ihr so nah sein wollte, aber anders ... Nur, würde es jemals dazu kommen?

      Plötzlich reizte es ihn, sie einmal hautnah zu spüren, egal wie. Diese Gelegenheit dazu wollte er sich nicht entgehen lassen. Mit einem Satz war er mittendrin und griff nach ihr. Britt befreite sich. Er riss ihr einen Schuh aus der Hand, den sie sich vorher zurückerobert hatte, und hielt ihn hoch über seinen Kopf. Sie sprang danach an ihm hoch. Ihre Körper berührten sich. Was für ein Gefühl! Er ließ den Schuh fallen und griff erneut nach ihr. Er packte sie und hielt sie fest in seinen Armen. Entsetzt blickte sie zu ihm auf. Wie sie es auch versuchte, er ließ sie nicht los. Wie besessen, aufgepeitscht durch die hysterischen Schreie der anderen Mädchen, durch das triumphierende und lüsterne Johlen seiner Freunde, wollte er sie nur spüren, ihre Haut, ihre Wärme, ihre unmittelbare Nähe atmen. Britt aber zerrte und zerrte, sie wollte weg. Wie in einer Eisenklammer hielt er sie fest. Er tat ihr weh. Er zog sie näher zu sich heran, packte ihr Haar und neigte sein Gesicht über sie. Er wusste nicht mehr, was er tat.

      „Nein“, schrie sie, ,,nein!“ und trommelte dabei mit ihren Fäusten gegen seine Brust.

      Die nackte Angst blickte ihn dabei aus ihren Augen an. Panik ließ sie zittern. Er spürte es, sie fürchtete sich vor ihm, vor ihm, der sie lieben wollte. Da kam er zu sich und ließ sie los.

      Noch ehe sie aber wegrennen konnte, hatte ein anderer sie ergriffen, packte sie am Busen und zog an ihrer Badehose. Britt schrie auf und wehrte sich verzweifelt. Toni sah es und er sah rot. Er hob die Faust und schlug dem andern mitten ins Gesicht.

      Nur einen kurzen Moment taumelte der verblüfft und ließ von Britt ab. Dann schlug er zurück, einmal, zweimal, dreimal. „Du spinnst wohl“, schrie er dabei.

      Sogleich ließen alle von den Mädchen ab, die sofort wie gehetzt in den nahen Wald rannten.

      „Wer hat euch denn ins Hirn geschissen?“, fragte einer und ging zwischen die Streithähne.

      „Das musst du den fragen!“, antwortete der Angegriffene und trat Toni noch einmal zornig vors Schienbein.

      Toni taumelte, wäre fast gestürzt. Schon hob er die Faust, um zurückzuschlagen, doch ernüchtert ließ er sie wieder sinken. Eine Wunde über dem Auge schmerzte ihn und Blut sickerte daraus über sein Gesicht.

      „Was ist denn in dich gefahren?“, fragte ihn einer.

      „Ach, Komm, lass ihn! Der hat se nicht mehr alle.“ Noch einen verachtenden Blick auf Toni, dann hielt sich der Geschlagene ein Tuch an die blutende Nase und ging mit den andern davon.

      Toni blieb allein zurück. Er humpelte hinunter zum Wasser, zog Schuh und Strumpf aus, setzte sich in den Sand und streckte sein schmerzendes Bein ins Wasser, um es zu kühlen. Was war nur geschehen? Britt hatte sich vor ihm gefürchtet. Aus Angst war sie vor ihm geflohen. Wie konnte er das nur zulassen? Er wischte sich das Blut aus dem Gesicht und merkte nicht, dass er damit auch Tränen abwischte.

      Vorsichtig