und aufstand. Da stoben sie davon, nur ein Paar Schuhe blieben zurück, Britts Schuhe.
„Halt! Die Schuhe, ihr habt die Schuhe vergessen“, rief er ihnen nach, nahm sie auf und versuchte, ihnen humpelnd nachzulaufen.
Sie aber sahen sich nicht um, nur weg strebten sie von ihm.
Es hatte keinen Zweck, er konnte sie nicht einholen.
„Blöde Gänse!“, schrie er und zu Britt noch: ,,Dann renn doch barfuß nach Hause!“ Wütend warf er die Schuhe an die Erde, zog sich Strumpf und Schuh wieder an und humpelte davon. Bald jedoch überlegte er es sich anders, drehte um und nahm die Schuhe mit nach Hause. Welch ein Pfand war damit in seinen Händen. Wenn er ihr die Schuhe wiedergeben wollte, musste er eine neue Begegnung mit ihr suchen. Dann musste sie bei ihm stehen bleiben und er könnte ihr alles erklären. Vielleicht könnte sie dann besser verstehen, was da am Strand geschehen war und ihm verzeihen. Was war denn auch schon passiert? Sie hatten die Mädchen erschreckt, ihren Spaß dabei gehabt, und er hatte sich mit einem Kumpel geschlagen. Na und? Sie musste es doch begriffen haben, dass er dem nur ihretwegen eine verpasst hatte. Das würde sie bestimmt anerkennen, ihm vielleicht sogar dafür danken.
Ein paar Tage später hängte er sich die Schuhe an die Lenkstange seines Fahrrades und schob es nur am Sattel haltend lässig aus dem Haus auf die Straße. Noch auf dem Bürgersteig schwang er sich mit einem Satz auf den Sattel, trat in die Pedalen und sauste provozierend dicht an einer Frau vorüber. Die schrak zusammen. „Flegel!“ rief sie ihm nach. Toni drehte sich während der Fahrt nur kurz um und grinste frech zurück.
An der Straßenecke standen seine Freunde. Vergessen war die Schlägerei am Strand. ,,He, Toni!“, riefen sie.
Toni winkte ab. Sie waren ihm plötzlich fremd geworden.
Er fuhr zum Park, hielt am Straßenrand, blieb im Sattel sitzen, stellte ein Bein auf den Bordstein und schlug die Arme übereinander. Hier musste das Mädchen bald vorbeikommen, wenn sie nach Hause wollte. Sie sollte ihn gleich sehen, wenn sie aus dem Park trat.
Geduldig wartete er Stunde um Stunde. Der Tag begann bereits zu dämmern und sie war noch immer nicht zu sehen. Hatte er sie verfehlt? Neben ihm im Rinnstein häuften sich die Kippen von den Zigaretten, die er inzwischen geraucht hatte. Er zündete sich eine Neue an. Seine Hände zitterten. Vor Enttäuschung? ,,Blödsinn!“, schalt er sich selbst. Wenn er sie heute nicht traf, dann eben morgen.
Ein hübsches Mädchen mit Stöckelschuhen ging in einem allzu kurzen Rock an ihm vorüber. Ein aufreizender Blick traf ihn. Wie gewohnt pfiff er ihr hinterher. Sie drehte sich um und sandte noch ein aufforderndes Lächeln zurück. Die könnte er haben, die würde keine Schwierigkeiten machen, wenn er ihr folgte. Sonst hätte er die Situation sofort ausgenutzt. Doch heute . . .? Er wusste nicht warum, aber es widerte ihn an.
Wie anders war dagegen der Eindruck des Mädchens aus dem Park, selbst wenn sie ebenso kurze Röcke trug. Scheu war ihr Lächeln, fast ängstlich. Wie gern würde er sie beschützend in die Arme nehmen und streicheln. Streicheln? Jetzt wurde er komplett verrückt. Wann hatte er ein Mädchen liebevoll gestreichelt? Was war nur los mit ihm?
Es fiel ihm schwer, länger still zu stehen. Unruhig fuhr er auf der Straße im Kreis. Die Laternen flammten auf. Da endlich sah er sie.
Sein Herz schlug bis zum Hals. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Gleich würde er mit ihr reden können und zwischen ihnen eine wunderbare Beziehung beginnen.
Schnellen Schrittes, den Kopf gesenkt näherte sich Britt. Ein sanftes Lächeln umspielte dabei ihren Mund. Sie bemerkte Toni noch immer nicht.
Erst als sie ihn fast erreicht hatte sah sie auf und erkannte ihre Schuhe an seinem Fahrrad. Abrupt blieb sie stehen.
„Hast du deine Schuhe nicht vermisst?“, rief er ihr zu.
Sie rührte sich nicht. Fürchtete sie sich noch immer vor ihm?
„Bleib cool und komm her. Ich tu dir nichts“, versicherte er.
Sie machte einen Schritt zur Seite, ließ ihn nicht aus den Augen. Dann schlug sie einen Bogen und lief, ohne ein Wort, an ihm vorbei.
„He! Halt, warte, bleib doch! Ich will ja bloß ...“, versuchte er verzweifelt auf sie einzureden.
Was hatte er sich nur erhofft? Hastig wendete er sein Rad und fuhr neben ihr her.
Britt beschleunigte ihre Schritte.
„So hör doch! Du musst nicht ...“
Sie begann zu rennen.
Mit einem Satz fuhr Toni auf den Bürgersteig und dicht an sie heran. „Bleib doch mal stehen, Mädchen!“ Er fasste nach ihrem Ärmel.
Sie riss sich los, sprang zur Seite und rannte wie um ihr Leben.
„Nun hab dich doch nicht so!“ Er überholte sie, versperrte ihr mit dem Rad den Weg. „Deine Schuhe hier... das neulich tut mir leid. Ich möchte ...“, redete er verzweifelt auf sie em.
Britt aber versuchte nur zu entkommen. Fast war es ihr gelungen, da packte er sie und hielt sie fest „Bitte, hör mir zu! Ich mag dich und will doch nur ...“ Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Sie wand sich unter seinem Griff. „Lass mich los!“, zischte sie atemlos und schlug ihm ins Gesicht. Panische Angst blickte ihn dabei aus ihren Augen an.
Bestürzt ließ er sie gehen.
Laut schreiend hetzte sie davon.
Mit hängenden Schultern sah er ihr nach. Ihre Schreie gellten in seinen Ohren, sie trafen ihn wie Hiebe und er konnte sich dem nicht entziehen.
Ein Mann stürzte aus dem Park auf ihn zu, packte ihn, schüttelte ihn und schrie: „Lass das Mädel in Ruh! Pack dich! Sonst passiert dir was, elender Halunke!“
Toni versuchte ihn abzuschütteln. „Halt die Schnauze!“, blaffte er ihn an.
Da stieß der Fremde ihn mitsamt seinem Fahrrad zu Boden. „Wird's bald? Oder soll ich erst die Polizei rufen?“, drohte er.
Der Fremde wich nicht „Los erhebe dich und troll dich von dannen!“, forderte er. Verachtend sah er dabei auf Toni herab, der zähneknirschend am Boden hockte und seine Fäuste ballte.
Lust überkam ihn, den Fremden seine Faust spüren zu lassen. Sie waren allein hier im Lampenschein der Laternen am Park. Ehe der es sich versah, würde er ihn zu Boden schlagen. Doch würde es ihm das Mädchen zurückbringen? „Mist!“, quetschte er zwischen den Zähnen heraus, rappelte sich auf und ging in den Park. Er spürte, der Fremde sah ihm noch drohend nach, bis er ihm aus den Augen verschwand.
Mutlos fuhr er sich mit dem Handrücken über die Stirn und wischte sich den Schweiß ab. Tränen liefen ihm aus den Augen über das Gesicht. Er merkte es nicht. Er fühlte sich so elend. Die Beine zitterten ihm. Er lehnte sein Rad mit den Schuhen an eine Bank, setzte sich darauf und zündete sich eine Zigarette an. Erst mal eine rauchen! Er hatte einen schalen Geschmack im Mund. Wieso war sie nur davongelaufen. Sie brauchte sich doch nicht vor ihm zu fürchten. Hatte sie denn nicht verstanden, wie gern er mit ihr zusammen sein wollte? Er schnäuzte sich heftig und fuhr sich über die nassen Augen.
War es Enttäuschung, war es Zorn? Er fühlte sich verletzt, seine Liebe verschmäht. Jede könnte er haben, und diese hier ... Er verstand es nicht. Was hatten er und seine Freunde gelacht, wenn Mädchen, von ihnen verängstigt, geflüchtet waren. Und nun? Würde er das Vertrauen dieser einen nie gewinnen können?
Er verwünschte seine Gang und den Tag, als er sich mitreißen ließ, die Mädchen am Strand zu erschrecken und ihnen Furcht einzujagen. Was hatte es eingebracht? Er verstand nicht mehr, weshalb es ihm Spaß machen konnte, mit seinen Freunden alle um sich herum zu provozieren oder sich an der Ohnmacht eines Menschen zu ergötzen. Waren sie damit wirklich stark gewesen und hatten sich Respekt verschafft, wie sie sich gegenseitig versicherten? War es nicht eher so, dass sie Angst mit Respekt verwechselt hatten?
Toni wischte sich die letzte Träne aus den Augen, stand auf und schob sein Rad den Fußweg