Michael Schenk

Das Blut des Wolfes


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nicht gefunden. Das wurde schnell deutlich und es war eher Zufall, das Svenja die Worte einer Hundeführerin verstehen konnte, die sich an den Einsatzleiter der Polizei wandte.

      „Wir sind knapp eineinhalb Kilometer in den Wald eingedrungen und dann war Feierabend.“ Die dunkelhaarige Frau mit dem kurzen Haarschnitt und mit Brille deutete auf ihren Hund, der nicht von ihrer Seite wich. „Sehen Sie sich Fly an. Der Arme ist fast durchgedreht. Nichts zu machen, ich habe so etwas noch niemals erlebt.“

      Der Einsatzleiter runzelte die Stirn. „Was war los?“

      „Das wissen wir nicht. Wir haben die Hunde losgemacht und sie hatten ja auch den Geruch der Proschkes. Zogen sofort los und dann, ganz plötzlich, zogen sie die Ruten ein und begannen zu winseln. Ich habe noch niemals erlebt, das Fly solche Angst hatte.“

      Der Hund war schwarzweiß und Svenja schloss ihn sofort in ihr Herz. Die Furcht des Tieres war deutlich zu erkennen. Seine Flanken zitterten und Fly hatte die Rute nach unten zwischen seine Beine geklemmt. Immer wieder starrte er mit aufgerissenen Augen in die Richtung, aus der die Gruppe gerade gekommen war und ließ ein leises Winseln hören.

      Einer der anderen Hundeführer nickte bestätigend. „Die Hunde sind nicht dazu zu bewegen, in den Wald zu gehen. Irgendetwas ist da drin, was ihnen panische Angst einjagt.“

      Der Polizeibeamte strich sich über das Kinn. „Vielleicht ein Raubtier?“

      Die Hundeführerin mit der Brille schüttelte den Kopf. „Wir sind öfter mit den Hunden im Wald. Die kennen die Gerüche von Wildschweinen, Luchsen und dem, was sonst noch im Wald herumläuft. Das hier, das war nichts dergleichen. Das war etwas vollkommen anderes.“

      „Schön, und was hat die Hunde dann so erschreckt?“

      „Keine Ahnung. Jedenfalls werden die Hunde da nicht nochmals hinein gehen. Tut mir Leid.“

      Einer der Hundeführer strich seinem Hund über den Kopf. „Was immer da im Wald ist oder im Wald war, macht unseren Hunden eine Scheißangst.“

      „Sicher nicht die Proschkes“, warf Peter Wagner lakonisch ein und erntete dafür einen bösen Blick des Einsatzleiters. „Aber vielleicht das, was die Proschkes erwischt hat.“

      Der Einsatzleiter seufzte unbehaglich. „Na gut, wir brechen ab, Leute. Hat keinen Zweck, die Hunde nochmals hinein zu schicken und die normale Suchaktion hat nichts gebracht.“

      „Und was wird jetzt mit den Proschkes?“, fragte Jochen.

      Die Hundeführerin wollte gerade zu ihrem Fahrzeug gehen und hatte die Frage gehört. Sie wandte sich nochmals um und sah die Polizisten an. „Es klingt vielleicht ein wenig krass, aber ich würde mir im Augenblick mehr Sorgen um das machen, was sich da in eurem Wald herumtreibt.“

      Kapitel 7

      Keiner der umstehenden Menschen wusste von der Existenz seiner Art. Das Wandelwesen stand inmitten ahnungsloser Männer und Frauen, lauschte den erregten Gesprächen der Wolfgartener und gab seiner eigenen Sorge um die Vermissten Ausdruck. Freundlich lächelte es ein kleines Mädchen an, das seinen Blick mit großen Augen erwiderte und dabei an einem Eis leckte.

      Die verdammten Hunde, diese kriecherischen Diener der Menschen.

      Sie mussten seine Witterung aufgenommen haben, die es im Wald hinterlassen hatte, als es die Proschkes tötete. Das Wesen empfand Genugtuung, dass allein der Geruch seiner Art die Hunde in solche Furcht versetzte. Dennoch waren diese erbärmlichen Kreaturen gefährlich, denn sie waren den Wölfen ähnlich. Ihre Angst konnte seine Gegenwart verraten. Aber hier stand es inmitten vieler anderer Menschen und es benutzte eines jener Duftwasser, mit denen die Zweibeiner ihren eigenen Geruch verfälschten.

      Trotzdem war das Wandelwesen erleichtert, als die Hunde endlich verschwanden.

      Hunde, die Wolfsähnlichen. Dennoch würde das Rudel leicht mit ihnen fertig werden. Noch in dieser Nacht würde es beginnen.

      Aber es hatte sich doch etwas ereignet, dass dem Rudel gefährlich werden konnte. In der Nacht war das Wandelwesen auf einen Wolf gestoßen. Ein kleiner Wolf, ein Welpe. Natürlich war der Welpe keine Gefahr gewesen. Kaum mehr, als ein beiläufiger Biss. Aber Welpen waren niemals alleine und es war der Kreatur bewusst, dass sie die alten Wölfe finden und töten musste. Wölfe konnten gefährlich werden, denn einige von ihnen kannten die alten Kräfte.

      Ja, erst die Wölfe, dann die Hunde. Das würde eine interessantere Jagd werden, als die auf Menschen. Die würde sich das Rudel bis zum Schluss aufheben.

      Kapitel 8

      Svenja ahnte, dass die eingestellte Suche für die Dorfbewohner und vor allem ihren Vater eher unbefriedigend war. Die Wolfgartener hatten sicher auf aufregende Neuigkeiten gehofft und Jochen wiederum darauf, selbst die Ermittlungen führen zu können. Das Verschwinden des Paares war ein Rätsel und würde es vielleicht auch bleiben. Jedenfalls hatte der Einsatzleiter der Polizei einen eher ratlosen Eindruck auf Svenja gemacht.

      Heute würde sich jedenfalls nichts mehr ereignen und die Menge begann sich zu zerstreuen. Der Tieflader mit dem Wagen der Proschkes fuhr vom Parkplatz und die Polizisten bestiegen ihre Fahrzeuge, um Wolfgarten zu verlassen. Nur Jochen und sein Kollege Peter blieben zurück und vergewisserten sich, dass alles in geordneten Bahnen verlief.

      Svenja bemerkte Vanessa Schneider, die in ihrer Funktion als Ortsvorsteherin gekommen war, um den Ablauf der Suchaktion zu verfolgen. Die Schwarzhaarige machte in ihrem Sommerkleid eine gute Figur, wie Svenja widerstrebend anerkannte. Sie selbst bevorzugte eher Jeans, Schlabberpullis und Sneakers und trug nur dann ein Kostüm, wenn ihre Chefin sie zu einem Gespräch mit einem Kunden mitnahm.

      Svenja registrierte die begehrlichen Blicke, mit denen ihr Vater die Frau bedachte. Nun ja, es war seine Sache und ging sie eigentlich nichts an. Wenigstens nicht, solange die Schneider nicht bei ihnen zu Hause einzog. Das würde wohl kaum der Fall sein. Die Schneider spielte einfach in einer anderen Klasse als Jochen. Sie mochte ihren Spaß mit ihm haben, doch Svenja konnte sich nicht vorstellen, dass sich eine solche Frau mit einem einfachen Dorfpolizisten begnügte.

      Vanessa Schneider winkte ihr freundlich zu, als sie in ihren Wagen stieg und Svenja erwiderte den Gruß halbherzig.

      Jochen kam mit seinem Kollegen zu ihr. Die Enttäuschung über den Verlauf der Suchaktion stand beiden ins Gesicht geschrieben und Jochens Stimme klang bitter. „Die KriPo in Schleiden übernimmt. Wahrscheinlich wird man es in einigen Tagen noch mal mit Suchhunden der Polizei versuchen, aber nachdem weder wir, noch die Feuerwehr oder die Hundestaffel etwas gebracht haben, sieht es düster aus.“ Er seufzte schwer. „Die Presse wird sicher bald Wind von der Sache bekommen und wir sollen alle Anfragen nach Schleiden leiten.“ Peter Wagner machte ganz den Eindruck, als sei ihm das nur Recht, aber Svenja konnte die Frustration ihres Vaters gut verstehen. „Wir räumen jetzt hier auf und erledigen dann den Papierkram auf der Wache“, fügte Jochen hinzu.

      „Ich werde noch ein wenig mit John reden und dann nach Hause fahren.“ Svenja hatte eigentlich keine Lust, nach Hause zu fahren, aber ihre Freundin Kim konnte sie nicht besuchen, denn die war mit ihren Eltern nach Köln gefahren. Natürlich hätte sie noch ein wenig an ihrem Computer arbeiten können. Die Firma hatte einen großen Auftrag von einer Lebensmittelkette erhalten und Svenja sollte Entwürfe für die verschiedenen Flyer ausarbeiten. Doch die Aussicht, bei dem schönen Wetter unter der Dachschräge zu schwitzen, gefiel ihr nicht sonderlich.

      Jochen und Peter Wagner begannen das Absperrband aufzurollen und Svenja schlenderte auf das Gebäude zu, um mit John Turner zu reden.

      Der Ranger lehnte am Eingang und unterhielt sich mit der Kassiererin Frau Honnig. Er nickte Svenja zu und grinste breit. „Langeweile?“

      „Kann man so sagen“, räumte sie ein. „Der Rummel hier scheint ja wohl rum zu sein.“

      „Wenn du willst, kannst du mit mir kommen. Oben, am großen Böttenbach, wo er aus dem