Michael Schenk

Das Blut des Wolfes


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werden.“ Kahnke lächelte. „Dann könnten wir ja gleich Hunde aussetzen. Nein, der Mensch soll lernen, dass er neben dem Wolf leben kann und dass dieser keine reale Bedrohung darstellt.“

      „Und wie stellen Sie sich das vor, Herr Professor?“

      „Wir siedeln ein Wolfsrudel an. Natürlich in einem abgesperrten Gebiet. Aber doch so, dass sich die Menschen in der Umgebung an den Gedanken gewöhnen können, dass sich in ihrer Nähe Wölfe befinden.“

      „Das kann man auch im Zoo.“

      „Unsinn.“ Kahnke zuckte entschuldigend die Schultern. „Die Wölfe sollen sich ja in einem natürlichen Lebensraum und ungestört entwickeln. Sobald eine gewisse Gewöhnung erreicht worden ist, sollen sich die Wölfe auch außerhalb des abgesperrten Bereiches bewegen.“ Der Professor schaltete das nächste Bild. „Das Ganze wird natürlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Aber wir gehen davon aus, dass sich dieser Aufwand lohnt. Wenn wir wissenschaftlich belegen können, dass eine Gemeinde in Deutschland problemlos mit einem Wolfsrudel in unmittelbarer Nachbarschaft leben kann, werden wir etliche der Vorurteile entkräften können.“

      „Eine Gemeinde in Deutschland?“

      Der Professor nickte. „Wolfgarten.“

      Stimmen schwirrten durch den Saal, bis Vanessa Schneider mit erhobenen Händen um Ruhe bat. „Ich kann die Aufregung verstehen“, rief sie, „aber es hat keinen Zweck, wenn nun alle durcheinander reden. Es kann sich jeder zu Wort melden, aber bitte nacheinander.“ Sie deutete in die Reihen. „Sie zuerst.“

      „Hören Sie, Professor“, meldete sich der Angesprochene zu Wort, „verstehe ich das richtig? Sie wollen die Wölfe hier bei uns herumlaufen lassen?“

      „Nein, keineswegs.“ Kahnke machte eine beschwichtigende Bewegung. „Das Rudel wird sich im abgesperrten Bereich des Naturparks aufhalten.“

      „Aber später wollen Sie es frei herumlaufen lassen“, beharrte der Fragesteller.

      „Erst in ein paar Jahren und nur dann, wenn es keinerlei Probleme gibt.“

      „Da bin ich nicht mit einverstanden.“ Eine junge Frau erhob sich. „Da sind wir ja unseres Lebens nicht mehr sicher und unsere Kinder schon gar nicht.“

      „Ich kann Ihnen versichern, die Wölfe werden weit mehr Angst vor uns, als wir vor den Wölfen haben.“

      „Ja, wenn die Schlau sind, werden die mit uns Menschen nichts zu tun haben wollen“, kam ein Einwurf und ein paar Leute lachten auf.

      „Für den Park wäre es sicherlich von Vorteil“, wandte John Turner ein. „Wir haben hier Rothirsch, Reh, Wildschein und Mufflon. Sie alle wissen, welchen Ärger wir mit dem Verbiss durch die Tiere haben.“

      Förster Bramke erhob sich. „Das Wild verursacht so starke Schäden an den Pflanzen, dass wir ja vom Oktober bis Dezember wieder eine begrenzte Jagdsaison eingeführt haben.“

      „Die Wölfe würden später die Bestände des anderen Wildes in gewissen Grenzen halten“, stimmte Professor Kahnke zu.

      „Das ist einfach nur gefährlich. Sie spielen mit unserem Leben.“ Bauer Wolicek war aufgestanden und sah den Professor erregt an. „Wir haben hier schon genug Sorgen, verdammt. Da brauchen wir nicht auch noch wilde Wölfe.“

      Vanessa Schneider beugte sich dem Professor entgegen und raunte ihm ein paar Worte zu. Kahnke nickte verstehend und sah Wolicek dann an. „Ich bedauere das, was mit ihrem Hund geschah. Aber das waren mit Sicherheit keine Wölfe.“

      „Auch keines der Wildschweine“, warf der Förster ein. „Und die Luchse sind im abgesperrten Gebiet, wie mir der Ranger versichert hat.“

      „Das stimmt“, sagte John Turner vernehmlich.

      Vanessa Schneider sah den Bauern mitfühlend an. „Wir müssen befürchten, dass es auf die Tat eines Tierquälers zurückgeht, Herr Wolicek. Keine Sorge, wir werden ihn fassen.“

      „Einen Scheiß werdet ihr!“, schrie Wolicek aufgebracht.

      „He!“ Jochen Kircher erhob sich und sah den Milchbauern drohend an.

      „Bitte, keinen Streit“, sagte Professor Kahnke mit erhobener Stimme. „Wie wir gerade sehen, ist das gefährlichste Raubtier noch immer der Mensch. Nein, meine Damen und Herren, von den Wölfen geht keine Bedrohung für sie aus. Darauf werden wir strikt achten. Jeder der Wölfe wird einen Sender bekommen und wir werden in der Nähe der Rangerstation einen Beobachtungsstelle von EWoP einrichten, die wir ständig mit drei Leuten besetzt halten.“

      „Ja, wie stellen Sie sich das eigentlich vor?“ Herr Westphal, der Besitzer des kleinen Ladens gegenüber dem Dorfgemeinschaftshaus, erhob sich. „Wir sind hier ein Naturpark und wenn ich das richtig kapiere, dann werden die Wölfe ja nicht gerade zu einer Besucherattraktion werden. Das alles soll ja wohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit ablaufen, nicht wahr?“

      „Das ist der Zweck des Akzeptanzprojektes“, stimmte Professor Kahnke zu. „Wenigstens in seiner Eröffnungsphase. Doch dies wird durchaus seine Vorteile für Wolfgarten haben.“

      „Ach, und welche sollten das sein? Das wir irgendwann gefressen werden?“

      „Das kann nicht geschehen. Die Wölfe bleiben im abgesperrten Bereich und stehen unter strenger Beobachtung“, versicherte Kahnke geduldig. „Und das Projekt bietet Wolfgarten ganz reale Vorteile.“ Er räusperte sich. „Dazu kann Ihnen aber der Ranger mehr sagen.“

      John Turner trat neben den Professor und suchte nach den richtigen Worten. „Äh, ja, also, wir sind hier ein Bestandteil des Nationalparks Eifel und die Parkverwaltung ist der Meinung, dass sich der Mythos Wolf als Publikumsmagnet erweisen wird.“

      „Moment!“ Svenja hatte den Widerspruch entdeckt und nun riss es sie förmlich von ihrem Stuhl hoch. „Eben hieß es noch, dieses Akzeptanzdings solle in völliger Abgeschiedenheit ablaufen.“

      John sah Kahnke an, der hilfsbereit einsprang. „Richtig, junge Dame. Das gilt für die ersten Wölfe des Projekts. Nachdem die Studie abgeschlossen ist, sollen diese Tiere dann allerdings richtig ausgewildert werden. Natürlich nicht in Wolfgarten. Hier soll dann ein anderes Rudel heimisch werden.“

      „Im abgesperrten Bereich des Parks“, übernahm John wieder das Wort, „aber mit der Möglichkeit für die Besucher, die Wölfe zu beobachten.“

      Der Besitzer der „Kermeter Schänke“ hatte unvermittelt ein Leuchten in den Augen. „Ah, das könnte funktionieren. Gibt eine Menge Leute, die sich für Wölfe interessieren.“

      Vanessa Schneider nickte. „Seitens des Landes hat man mir zugesichert, dass man uns nach Abschluss des Projektes gezielt fördern wird. Ein Wolfspark würde Wolfgarten sogar international bekannt machen. Man wird die Infrastruktur ausbauen und…“

      „Was wird man?“ Kims Vater meldete sich erneut zu Wort. „Sie sollten vielleicht näher erläutern, was man darunter zu verstehen hat.“

      „Nun, der Ort wird sicher einen Aufschwung erleben. Vielleicht keinen besonders großen, aber es wird sich etwas tun“, versicherte Professor Kahnke. „Durch die Ergänzung mit einem Wolfspark wird es ein paar zusätzliche Arbeitsplätze geben. Wölfe sind sehr scheue Tiere und es soll nur eine indirekte Beobachtung geben. Man wird ein paar Beobachtungsstellen einrichten und etliche Kameras installieren. Die Parkverwaltung und der Servicebereich werden verbessert und das schafft ein paar Arbeitsplätze hier im Ort.“

      „Das Straßennetz wird ebenfalls ausgebaut“, versicherte Vanessa Schneider. „Wahrscheinlich wird es eine direkte Busverbindung des öffentlichen Liniennetzes geben und niemand muss mehr an die Bundesstraße, um die Linie 231 zu erreichen.“

      Einige der Eltern nickten, denn das hörten sie gerne.

      „Und wir werden eine Arztpraxis im Park haben“, ergänzte Vanessa Schneider. „Keine Sanitätsstation, sondern eine richtige Arztpraxis.“

      „Also,