Tonschalen hinter gemauerten Lehmziegeltischen in der Asche ihrer Feuer. Wie ich später erfahren sollte, nannte man Kemet in den Fremdländern das Land der Brotesser.
Vor jedem der Lehmziegelstände blieb ich stehen und betrachtete die Formen der Laibe: Manche waren als Ankh-Zeichen gebacken, als Zeichen des ewigen Lebens. Andere hatten die Form von Fischen, Nilpferden oder Vögeln. Am nächsten Backstand gab es heißes, frisches Fladenbrot mit Ziegenquark und frischen Kräutern. Mein Vater kaufte für jeden von uns einen Fladen, den wir noch heiß verspeisten. Wie köstlich es schmeckte!
Auf der anderen Seite des Marktes sahen wir Händler, die duftige Leinenkleider und große weiße Tücher für Lendenschurze verkauften. Noch nie hatte ich so zarten, durchscheinenden Stoff gesehen, weißer als die Wolken am Sommerhimmel.
Der Händler sprach uns an: »Ihr wollt doch zur Krönung des Netjer, des Göttlichen, sicherlich nicht diese Fetzen tragen …« Er deutete auf unsere durch die lange Reise nicht mehr weiße Kleidung.
»Wann wird der König den Thron besteigen?«, fragte mein Vater.
»Seneferu wird morgen im Tempel des Ptah gekrönt. Denn morgen ist Neumond.« Er deutete zum Himmel empor: Der Mondgott Chons war nur noch eine schmale Sichel über dem Horizont. »Und seit dem Aufbruch seines Vaters Huni in den Schönen Westen sind siebzig Tage vergangen ...«
Mein Vater zog mich weiter zu den Zuckerbäckern, die aus Mehl, Milch und Honig süße Kuchen herstellten. Als ich von dem Gebäck probieren wollte, nahm er meine Hand. »Es ist genug jetzt! Wir müssen sparsam sein, denn wir haben nicht viel Kupfer.«
Ich kannte den Wert des Metalls noch nicht, das er bei sich trug, aber er gab mir zu verstehen, dass durch die Schiffsreise von unserem Dorf bei der Stadt Tis nach Mempi mehr als die Hälfte unserer Ersparnisse aufgebraucht worden seien. Und wenn wir nicht in einigen Tagen hungern wollten, müssten wir uns auf das Notwendige beschränken. Er war traurig, dass er mir meinen Wunsch abschlagen musste.
Aber wenn bereits über die Hälfte des Kupfers ausgegeben war, dann blieb nicht mehr genug, um mit dem Schiff nach Hause zurückzufahren!
Schweigend gingen wir über den Markt und betrachteten die Verkaufsstände der Handwerker. Kinderspielzeug wurde angeboten, kleine Puppen mit beweglichen Köpfen, geschnitzte Tiere, Bauklötze aus getrocknetem Schlamm, mit denen kleine Bauwerke errichtet werden konnten, Kreisel aus Holz und Bälle aus genähtem Leder. Fasziniert blieb ich an jedem Stand stehen und besah mir alles genau: Dinge, die ich nie besessen hatte und niemals besitzen würde.
Wir waren arm! Diese Erkenntnis schmerzte: Ich würde mir all diese schönen Dinge niemals leisten können. In unserem Dorf war mein Vater ein angesehener Bewohner. Er besaß ein Gemüsefeld mit Zwiebeln, Bohnen und Spinat. Doch hier, in der Stadt, hatte ich das Gefühl, nichts wert zu sein.
»Was bedeutet es, arm zu sein?«, fragte ich ihn.
»Es bedeutet nichts.«
Die Mehrdeutigkeit seiner Worte entging mir nicht.
»Heute beginnt eine neue Zeitrechnung!«, erklärte mir mein Vater am nächsten Morgen. »Wir schreiben nun nicht mehr das Jahr vierundzwanzig nach Hunis Thronbesteigung, sondern das erste Regierungsjahr Seneferus.«
Der Ptah-Tempel war leicht zu finden: Wir wurden dorthin geschoben. Tausende Menschen drängten zur Krönung des neuen Königs.
Vor dem großen Pylon des Tempels ließen wir uns im Staub der Straße nieder und aßen unsere Morgenmahlzeit: Brot, Käse und Zwiebeln.
Auf der Fassade des Tempels sah ich das Relief eines Mannes in einem bis zum Hals reichenden Wickelgewand, die Arme über der Brust gekreuzt, in den Händen ein langes Zepter, auf dem Kopf eine eng anliegende blaue Kappe. Ihm gegenüber stand ein Mann mit Löwenschurz und blauer Krone, Opferschalen in den Händen. Ich fragte meinen Vater, wer dort dargestellt war.
»Der Gott Ptah, der in diesem Tempel wohnt, und Netjer.«
»Welcher Netjer?«, fragte ich.
»Im Tempel steht jeder Lebendige Gott Ptah gegenüber und opfert ihm.«
Unruhe wehte über den Platz. Bewaffnete marschierten in zwei Reihen bis zum Tempeltor und bildeten eine Gasse. Sie trugen Rüstungen aus Metall über ihren Lendenschurzen und Helme mit Straußenfederbüschen. Bewaffnet waren sie mit kurzen Schwertern, Speeren und Schilden aus bemaltem Leder.
Die Spannung in der Menge stieg.
Dann öffneten sich die riesigen Bronzetore des Tempels und gaben den Blick in den großen Sonnenhof frei. Die Tempelpriester hatten die glühenden Kohlen in den großen Bronzebecken im Tempelhof geschürt. Weihrauchschwaden raubten mir den Atem.
»Die Priester des Ptah bringen einen geschlachteten Stier als Brandopfer«, erklärte mein Vater, als ich von fern Musik hören konnte.
Pauken, Sistren und Flöten! Der König nahte!
Die Menschen warfen sich in den Staub, als die Sänfte des Lebendigen Gottes an ihnen vorbei zum Tempel getragen wurde. Niemand wagte es, den Blick zu heben, um den König ins Gesicht zu sehen. Bevor mein Vater mich auf die Knie zog und ich widerstrebend meinen Kopf senkte, sah ich, wie hundert Tempeldiener mit prächtigen Ritualgewändern bekleidet feierlich durch die wartende Menge schritten. Die Sänfte des Königs, ein Sitz aus kostbarem Zedernholz, wurde von acht schwarzen Kuschiten getragen. Der Lebendige Gott saß unbeweglich wie eine Götterstatue, den Blick nach vorn gerichtet. Die Menschen, die vor ihm im Staub knieten, schien er gar nicht zu bemerken.
Er war einundzwanzig Jahre alt. Seine Augen waren mit Lidstrichen aus blauem Lapispulver geschminkt. Er trug ein durchscheinendes Gewand über einem prächtigen Lendenschurz, vergoldete Ledersandalen, aber noch keine Krone. Wie schön er war!
Einen Blick erhaschte ich auf die junge Frau im nächsten Tragsessel. Sie war die neue Königin! Mein Vater hatte mir erzählt, dass Hotepheres die Trägerin der Königswürde war und dass Seneferu, als er seine Schwester heiratete, den Titel des Gottkönigs erst erwarb.
Mein Vater zog mich zu sich herunter, als die königlichen Sänften an uns vorübergetragen wurden. Wie alle anderen küsste ich den Boden, über den der König getragen wurde. Verstohlen sah ich wieder auf.
Das Gefolge des Lebendigen Gottes war prächtig gekleidet. Die Prinzen trugen Lendenschurze aus kostbarem Leinen, goldene Ketten um die nackten Schultern und Sandalen, die Prinzessinnen Kleider aus durchscheinendem Stoff, der ihre Körper kaum verhüllte, und Ketten und Ohrringe aus Gold. Bei uns im Dorf trugen wir weder Perücken noch Sandalen, und unsere Lendentücher waren auch nicht aus plissiertem Leinen.
»Das ist der Wesir Nefermaat, ein Bruder des neuen Königs«, flüsterte ein Mann neben mir.
Prinz Nefermaat war ein hoch gewachsener Mann, dessen golddurchwirktes Wesirsgewand von den Schultern bis zu den Knien reichte und am Hals durch zwei breite Bänder befestigt war.
»Und dort kommt Prinz Amenemhet mit seiner Schwestergemahlin Iset!«
Prinz Amenemhet hatte dieselbe majestätische Statur wie seine Brüder Nefermaat und der göttliche Seneferu. Er trug die Abzeichen eines Generals.
»Er sieht nicht glücklich aus!«
»Das ist er auch nicht. Eigentlich hätte er heute gekrönt werden sollen! Erst kurz vor seinem Tod hat Huni Prinz Seneferu zu seinem Nachfolger bestimmt.«
»Und dort kommt die Zweite Gemahlin des Königs! Sie wird dem Lebendigen Gott schon bald sein erstes Kind schenken.«
Die Gottesgemahlin stützte sich auf den Arm eines Mannes. Sie war hochschwanger, und das Gehen fiel ihr schwer.
Hinter der Familie des Königs schritten die Hohepriester der verschiedenen Tempel der Beiden Länder, der Hohepriester des Sonnengottes Re aus Iunu, die Hohepriesterinnen der Hathor aus Yunet und der Bastet aus Pibastet im Sumpfgebiet des Unteren Landes, die Hohepriester des Osiris und der Isis aus Abodu und viele andere. Den Priestern folgten die zweiundvierzig Gaufürsten der Beiden Länder, die Minister der neuen Regierung und die Generäle