Alfred Broi

Genesis II


Скачать книгу

      In diesem Teil war die Anomalie längst nicht so hell erleuchtet, wie im sichtbaren Teil nach dem Eintritt in die Atmosphäre des Planeten, hier schimmerte sie nur relativ schwach gegen den schwarzen Hintergrund des Universums.

      Und doch – genau da – zeigte sich urplötzlich Bewegung.

      Die ansonsten fast perfekt runde Außenhaut der Anomalie schien an mehreren Stellen punktförmig aufzuweichen. Es war, als würde sie auf einer Länge von etwa fünfhundert Metern vier Pickel an unterschiedlichen Stellen bekommen.

      Dort, wo sich die Hülle aufweichte, begann sie etwas heller zu leuchten.

      Dann schien es so, als würde etwas von innen gegen diese Stellen drücken und die Außenhaut wölbte sich anfangs nur schwach, dann jedoch immer deutlicher und vor allem schneller heraus.

      Die Pickel wurden immer weiter in die Länge gezogen, während sich alle vier zwar in unterschiedliche Richtungen, dennoch gleichsam in einem Abwärtsbogen ebenfalls auf die Atmosphäre von Santara zu bewegten und sie durchdrangen.

      Es war, als hätte dieser Teil der Anomalie wie ein Baum neue Triebe bekommen, die sich als immer schneller wachsende Äste auf den Planeten zu bewegten.

      Doch nicht nur in an diesem Teil der Anomalie, sondern an jedem der acht Hauptarme, die sich über dem Planeten verteilt hatten, ging diese Veränderung vor sich und sandte jeweils vier weitere Triebe in die Tiefe.

      Triebe, die jedoch kein neues Leben bringen sollten, sondern nur den Tod, denn aus dem Hauptstrang der Anomalie, der sich quer durch das Sternensystem zog, schossen dunkle Schatten auf Santara zu und drängten auch in diese neu geschaffenen Tunnel des Grauens.

      ¤

      Kaleena erhob sich von der Toilettenschüssel und zog ihren Slip und ihre Hose in die Höhe.

      Gerade als sie den Hosenknopf schließen wollte, schoss ihr ein widerlich flaues Gefühl durch den Magen und auch in ihren Kopf.

      Mist, dachte sie. Bestimmt hatte sie zu schnell gegessen. Sie war ohnehin die ganze Zeit über nervös gewesen, denn eigentlich wäre sie am liebsten schon in der Luft und auf dem Weg nach Ara Bandiks und zu Vilo gewesen. Es machte sie halb wahnsinnig, dass sie hier noch warten musste.

      Wahrscheinlich rächten sich diese Umstände jetzt. Ja, Kaleena war sicher, dass dies der Grund für ihr flaues Gefühl war, das in ihr herumschlich.

      Sie räusperte sich einmal, knöpfte die Hose zu und trat an das Waschbecken, um sich die Hände zu waschen und sich ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht zu werfen. Ersteres gelang auch problemlos, doch beim Aufrichten mit nassem Gesicht, schoss ihr ein weiterer Schmerz in den Magen und trieb seinen Inhalt durch ihre Speiseröhre nach oben.

      Kaleena schnellte herum, fiel vor der Toilettenschüssel auf die Knie und übergab sich lautstark.

      Der Würgereiz war widerlich und nicht nur das gesamte Essen von eben klatschte in die Tiefe, außerdem noch jede Menge bittere Gallenflüssigkeit. Sie keuchte und atmete schwer.

      Plötzlich klopfte es an der Badezimmertür. „Kaleena?“ Es war Esha. „Alles okay mit dir?“

      „Ja...!“ japste sie und musste doch im nächsten Moment wieder den Mund öffnen. „...mir geht es gut!“ schloss sie ihren Satz danach noch ab.

      „Wir sind soweit!“ sagte Esha. „Wenn du fertig bist, können wir losfliegen!“

      Na endlich! freute sie sich stumm. „Ich komme gleich!“ rief sie und ein erneuter Magenkrampf ließ sie zusammenzucken.

      Hiernach jedoch fühlte sie sich schon viel besser. Die Übelkeit war fast verflogen, der Kopf dröhnte noch ein wenig.

      Kaleena erhob sich, spülte die Toilette und ging zurück zum Waschbecken, wo sie ihren Mund kräftig ausspülte und sich nochmals das Gesicht wusch.

      Als sie sich abtrocknete, sah sie ihre Augen im Spiegel über dem Waschbecken und sie verharrte in ihrer Bewegung.

      „Es war nur die Aufregung!“ sagte sie zu sich selbst, doch zeigte ihr Blick in ihre eigenen Augen etwas ganz anderes. „Nur die Aufregung…!“ Dann schaute sie weg, weil sie ihr eigenes Spiegelbild nicht mehr ertragen konnte.

      Ja, sie wusste, sie machte sich etwas vor, aber sie musste es doch tun. Alles, was jetzt wichtig war, war Vilo. Das andere konnte sie im Moment weiß Gott überhaupt nicht gebrauchen.

      „Alles okay?“ fragte Esha noch einmal besorgt, als Kaleena zurück in das Esszimmer kam.

      Kaleena nickte, schaute sie dabei aber nur flüchtig an.

      Esha nahm ihre Antwort zur Kenntnis. Für einen Sekundenbruchteil verengten sich dabei ihre Augenlider, dann erhob sie sich von ihrem Stuhl.

      „Wo ist Kabus?“ Kaleena erkannte, dass er nicht mehr da war.

      „Er startet schon einmal die Triebwerke!“ erwiderte Biggs, der gerade aus der angrenzenden Küche kam.

      „Liva und Malis sind bei ihm!“ sagte Esha und trat zu ihr.

      „Sind sie hier fertig?“ fragte Biggs freundlich.

      Kaleena nickte.

      „Dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren!“ Er nickte den beiden Frauen zu und schob sie aus dem Haus.

      Draußen war es merklich dunkler geworden, auch der Wind hatte deutlich aufgefrischt.

      Biggs übernahm die Führung und legte ein erstaunliches Tempo vor. Er führte sie weg vom Haupthaus auf eine der hinteren Scheunen zu, in der Licht brannte.

      Während Kaleena stumm, mit gesenktem Kopf und ernstem Gesicht neben ihr her schritt und so wie sie versuchte, an Biggs dran zu bleiben, war sich Esha ziemlich sicher, dass irgendetwas mit ihrer Freundin nicht stimmte.

      Plötzlich wurde sie von einem Geräusch weit hinter ihr aus den Gedanken gerissen. Warum sie darauf aufmerksam wurde, konnte sie nicht sagen, aber instinktiv drehte sie sich zurück in Richtung Haupthaus, hinter dem man den hellerleuchteten Stützpunkt erkennen konnte.

      Doch Esha konnte in der ersten Sekunde dort nichts Ungewöhnliches ausmachen und wollte ihren Kopf bereits wieder zurückdrehen, als sie das Geräusch erneut vernahm. Es war wie ein entferntes Donnern, als würde sich ihnen ein Gewitter nähern. Wieder rein instinktiv hob sie ihren Kopf dann zum Himmel und blieb urplötzlich wie angewurzelt stehen. Nein, das war kein Gewitter, das sich ihnen näherte, das war die Ausgeburt des Teufels!

      „Oh mein Gott!“ entfuhr es ihr und erst jetzt wurde Kaleena auf sie aufmerksam. Sie blieb stehen, drehte sich zu Esha und schaute ihr fragend ins Gesicht. „Was ist los?“ Dabei folgte sie ihrem Blick zum Himmel. Und als auch sie dort deutlich die Plasma-Anomalie sehen konnte, die rasend schnell über dem Stützpunkt immer größer wurde, stieß sie einen erschreckten Schrei aus und ihre Augen wurden vor Entsetzten riesengroß.

      „Hey Ladies!“ Biggs hatte die Scheune erreicht und sich zu ihnen umgedreht. „Was ist denn nun?“

      Während Kaleena scheinbar starr vor Schreck war, zwang sich Esha zu antworten. „Wir haben ein Problem!“

      „So? Welches?“

      Esha drehte sich zu ihm, schaute ihm direkt in die Augen und riss dann ihren rechten Arm in die Höhe. „Das da!“

      Biggs folgte ihrem Zeichen und erstarrte ebenfalls in seiner Bewegung. „Oh Scheiße!“ Er atmete einmal tief durch. „Wir...!“ Weiter kam er nicht. Urplötzlich war die Luft erfüllt von einem immer lauter werdenden Rauschen aus dem Inneren der Anomalie. Während sich fast gleichzeitig etwa zwei Dutzend Flugzeuge von den Startbahnen des Stützpunktes erhoben und auf die Anomalie zuhielten, konnte Biggs unzählige kleine Punkte in ihrem Inneren erkennen, die immer größer wurden.

      Esha nahm Kaleena am Arm und zog sie mit sich zu Biggs. „Was ist das?“ rief sie ihm zu und blickte erneut zur Anomalie in den Himmel.

      Biggs