Marianne Christmann

Doppeltes Spiel


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hatte und wenn ja, wer da in Frage kommt. Fangen wir im familiären Umfeld von Dietrich Kramer an.“

      Sie verließen das Büro und fuhren zu Kramers Privatadresse.

      Kapitel 4

      Caro und Kevin stiegen vor Kramers Haus aus dem Auto. Es war eine ruhige Gegend und alle Häuser, die hier standen, machten einen gepflegten Eindruck. Kramers Haus stand ein wenig zurückversetzt von der Straße. Ein schmaler Fußweg führte zu ihm. Auf dem Klingelschild stand Kramer. Caro läutete. Nach wenigen Sekunden öffnete sich die Tür und eine Frau stand vor ihnen.

      „Ja?“, fragte sie, „wer sind Sie und was wollen Sie?“

      „Kriminalpolizei. Wir ermitteln im Fall Dietrich Kramer. Ich bin Carolin Sommer und das ist mein Kollege, Kevin Reichel.“

      Caro hielt der Frau ihren Dienstausweis unter die Nase.

      „Kriminalhauptkommissarin“, las die Frau vor. Dann schaute sie Caro prüfend an. „Sind Sie dafür nicht noch etwas zu jung?“

      „Das täuscht“, erwiderte Caro ernsthaft. „Sind Sie Frau Kramer?“

      Aber die Frau schüttelte den Kopf.

      „Herr Kramer war nicht verheiratet. Ich bin die Haushälterin. Kommen Sie doch bitte herein.“

      Caro und Kevin traten ein. Sie standen im Flur eines kleinen Hauses, von dem zwei weitere Türen abgingen. Wahrscheinlich die Küche und das Wohnzimmer. Eine enge und schmale Treppe führte ins Obergeschoss.

      „Wohnen Sie auch hier?“, fragte Caro und sah sich um.

      „Aber nein, ich wohne nicht hier. Ich komme zweimal in der Woche zum Wäsche waschen und bügeln und was im Haushalt eben noch so anfällt. Es ist schrecklich, was mit Herrn Kramer passiert ist. Wer tut denn so etwas?“

      „Genau das wollen wir herausfinden, Frau …?“

      Fragend sah Caro sie an.

      „Gerlinde Peters.“

      „Wie lange arbeiten Sie denn schon für Herrn Kramer, Frau Peters?“

      „Fünf Jahre.“

      „Dann kannten Sie ihn wohl recht gut?“

      „Na ja, wie man eben jemanden kennt, für den man arbeitet.“

      „Hatte Herr Kramer Familie … Eltern, Geschwister oder sonstige Verwandte?“

      „Mir gegenüber hat er niemanden erwähnt.“

      „Hatte er Feinde?“

      „Nicht, dass ich wüsste.“

      „Wer erbt denn dann das Haus?“

      „Das weiß ich nicht. Da müssen Sie seinen Anwalt fragen.“

      „Kennen Sie seinen Namen?“

      „Nein, aber es ist ein Anwalt hier aus der Stadt.“

      Caro stellte der Haushälterin noch ein paar Fragen, merkte aber sehr schnell, dass sie ihnen nicht weiterhelfen konnte. Deshalb verabschiedeten sie sich kurz darauf und verließen das Haus.

      „Das hat uns nicht weitergebracht“, sagte Kevin, als sie wieder im Auto saßen.

      „Nicht wirklich“, stimmte ihm Caro zu.

      Sie fuhren zurück ins Kommissariat.

      „Hör du dich mal in der Bank um, in der Kramer gearbeitet hat. Irgendwer muss doch mehr über ihn wissen. Und dann bringe in Erfahrung, bei welcher Anwaltskanzlei Kramer Klient war. Ich gehe inzwischen in die Gerichtsmedizin, vielleicht gibt es dort etwas Neues.“

      Sie angelte nach ihrer Jacke, die über der Stuhllehne hing.

      Kapitel 5

      Julia Sommer war zweiundvierzig Jahre alt und Pathologin am gerichtsmedizinischen Institut oder, wie es eigentlich hieß, am Institut für Rechtsmedizin der Universität in Freiburg.

      Ihr Arbeitsplatz war, so fand sie, kühl und angenehm obwohl die Arbeit selbst nicht immer angenehm war. An ihrem Arbeitsplatz wirkte sie manchmal unnahbar und unterkühlt, was ihr bei ihren Kollegen den Spitznamen Fridge (Kühlschrank) eingetragen hatte.

      Die landläufige Meinung über Pathologen war, dass sie lediglich Obduktionen durchführten. Das war aber nur ein kleiner, wenn auch sehr wichtiger Teil ihrer Arbeit.

      Ebenso wichtig war zum Beispiel die Krebsdiagnose. Pathologen beurteilten Gewebe- und Zellproben, erstellten Krebsdiagnosen und beurteilten Typ, Größe, Ausdehnung und Bösartigkeit eines Tumors. Zudem hatten sie auch organisatorische und verwaltende Aufgaben. Sie mussten Gutachten anfertigen und Präparate fotografisch dokumentieren.

      Hin und wieder musste ein Pathologe auch vor Gericht aussagen, wenn ein gerichtsmedizinisches Gutachten notwendig war.

      Das Institut für Rechtsmedizin arbeitete auch mit der Polizei zusammen und führte Obduktionen an Opfern von Gewaltverbrechen durch, um die Todesursache und den Zeitpunkt des Todes feststellen zu können.

      Die Arbeit als Gerichtsmedizinerin war, zumindest am Anfang ihrer Berufstätigkeit, nicht immer einfach. Noch immer wurde dieser Beruf vorwiegend von Männern ausgeübt, auch wenn in den letzten Jahren mehr und mehr Frauen in der Pathologie arbeiteten.

      Man durfte nicht zimperlich sein, wenn man Leichen obduzierte. Sie erinnerte sich an die Zeit, als sie noch Studentin war und ein Praktikum in der Pathologie gemacht hatte.

      Ihren Mitpraktikanten, alles Männer, war reihenweise schlecht geworden, als sie zum ersten Mal zusahen, wie eine Obduktion durchgeführt wurde.

      Auch Julia hatte mit ihrem Mageninhalt zu kämpfen, musste sich zum Glück aber nicht übergeben wie die anderen. Inzwischen hatte sie Routine in diesen Dingen und ihr Magen beschwerte sich nicht mehr.

      Schließlich musste man den Personen, die vor einem auf dem Tisch lagen, einen gewissen Respekt entgegenbringen, auch wenn sie tot waren. Oder gerade deswegen.

      Julia hatte es geschafft, ihr Studium der Humanmedizin, das jeder Rechtsmediziner durchlaufen muss und das normalerweise zwölf Semester dauerte, in nur fünf Jahren zu bewältigen. Auch die daran anschließende Facharztausbildung in Rechtsmedizin, ebenfalls sechs Jahre, konnte sie um ein Jahr verkürzen.

      Sie hatte auch hart dafür gearbeitet und nebenher noch ihre Doktorarbeit geschrieben.

      Ihre Kollegen wussten nur wenig über sie. Dass sie gerne chinesisch aß, ebenso aber auch Spaghetti liebte, meistens zu viel Kaffee trank, gerne ein gutes Buch las und sehr tierlieb war.

      Man konnte sich auf sie verlassen und sie sprang jederzeit für einen Kollegen ein, wenn diesem etwas Unvorhergesehenes dazwischenkam.

      Niemand wusste aber, was sie in ihrer Freizeit machte, wie sie lebte oder mit wem. Ganz bewusst verbarg sie ihr Privatleben am Arbeitsplatz.

      Ihren Kollegen fiel das nicht weiter auf, sie waren meistens mit sich selbst beschäftigt. Doch ihr Chef, Dr. Ernst Ritter, blickte sie manchmal nachdenklich und fragend an. Oder sie bildete es sich auch nur ein.

      Zu Hause, bei Verena, war sie anders – offen und fröhlich und konnte sich fallenlassen. Verena kannte sie besser als sie sich selbst kannte. Manchmal jedenfalls.

      Kapitel 6

      Nach diesem Arbeitstag, der sehr früh begonnen und relativ spät geendet hatte, war Julia völlig fertig, als sie zu Hause ankam. Sie war so müde, dass sie kaum die Klinke der Verbindungstür von der Garage ins Haus, niederdrücken konnte. Am liebsten wäre sie schon im Stehen eingeschlafen.

      Sie hörte Verenas Schritte, die aus dem Wohnzimmer kamen und ihre Stimme,