Hubertus Mynarek

Jenseits der Todesschwelle


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fast 150 Jahren schrieb der berühmte Naturwissenschaftler Gustav Theodor Fechner, damals ordentlicher Professor der Physik an der Universität Leipzig: „Das ist die große Gerechtigkeit der Schöpfung, dass jeder sich die Bedingungen seines künftigen Lebens selbst schafft … Denn wer hier langsam geht, wird dort lahm gehen; und wer hier seine Augen nicht auftut, wird dort ein blödes Gesicht haben; und wer Falschheit und Bosheit übt, wird seine Disharmonie mit dem Chor der wahren und guten Geister als Schmerz fühlen, der ihn noch in jener Welt treiben wird, das Übel zu bessern und zu heilen, was er in dieser verschuldet, und ihn nicht Rast und Ruhe finden lassen wird, bis er auch seine kleinste und letzte Übeltat abgestreift und abgebüßt. Und wenn die anderen Geister schon lange in Gott ruhen, oder vielmehr leben als Teilhaber Seiner Gedanken, wird er noch umgetrieben werden (als Besessenheitsgeist) in Trübsal und in der Wandelbarkeit des Lebens auf der Erde; und sein Seelenübel wird die Menschen plagen mit Ideen des Irrtums und Aberglaubens, sie fuhren zu Laster und Torheiten; und indem er selber dahinten bleibt auf seinem Wege in der jenseitigen Welt zur Vollendung, wird er sie, in denen er fortlebt, zurückhalten auf ihrem diesseitigen Entwicklungswege.“62

      Gibt es auch keine von irgendeinem Gott geschaffene Hölle, so werden doch die noch ganz materieabhängigen Menschen nach ihrem Tod, wie auch Fechner betont, ihre ureigene Hölle erleben, die Hölle ihrer Selbst- und Habsucht, die nach den großen Weisen Laotse und Buddha die Quelle aller Übel ist, also von Eifersucht, Neid, Hass, Missgunst, Feindseligkeit, Mordlust usw. „Das, was ihr >Hölle< nennt“, sagt ein Jenseitiger durch sein Medium, „ist die tiefste Stufe“ der Wirklichkeit. Aber auch diese Stufe ist keineswegs ewig, wie die kirchliche Dogmatik behauptet; vielmehr „enthält auch die Hölle eine Anzahl von Besserungs-Sphären, durch die ein Geist kraft Besserung seiner Gesinnung sich emporarbeiten kann.“63

      So wie es keine Hölle im kirchlich-dogmatischen Sinn gibt, so auch keine Teufel gemäß der kirchlichen Glaubenslehre. Die materieabhängigen, „erdgebundenen Geister sind die ,Teufel‘ … ,Teufel‘ menschlicher Herkunft, Erzeugnisse menschlicher Selbstsucht, falscher Lehren und Unwissenheit, die, völlig blind auf die geistige Ebene gelangt, dort in den Banden ihrer Unwissenheit festgehalten werden! – Der Einfluss dieser entkörperten Wesenheiten ist die Ursache vieler unerklärlicher und geheimnisvoller Ereignisse hier im Leben und trägt die Schuld an einem großen Teil des Elends dieser Welt“.64

      Ein Jenseitiger, der im Diesseits als Methodistenprediger tätig gewesene Dr. Yates klagt durch sein Medium: „Es ist eine große Schmach, dass so viele Geister so völlig unwissend aus ihren Körpern heraustreten und darum in die Finsternis gehen müssen … Sie haben ihr Unterscheidungs- und Urteilsvermögen von vornherein … so eingeschläfert, dass sie gar nicht gewahr werden, dass sie verstorben sind … Wenn wir nach unserem Tode die unmittelbar um die Erde herum gelegene Äthersphäre durchqueren, dann kommen wir ja gerade durch die Sphäre, in welcher die meisten Geister im Finstern leben. Wir nennen sie ,erdgebundene Geister‘. Dort ist alles Eigensucht und Unwissenheit … Sie wissen nicht, was es heißt, für andere zu leben und zu schaffen; sie haben nur für sich selber gelebt … Ich wollte, ich könnte Sie in die Sphäre der Selbstmörder führen, in die Sphären der Kirchen, der Spelunken, der Geizhälse usw. Dort sind die Geister im Finstern und schreien nach Hilfe. Viele sind völlig ratlos. Sie nehmen ihre Zuflucht zu Menschen und versuchen, sich in deren Körper hineinzudrängen. So vergällen sie ihnen das Leben und merken gar nicht, was sie damit anrichten … Hat einer ein Leben der Selbstsucht hinter sich, in dem er gänzlich und einzig nur für sich selber gelebt hat, dann … hat er keine Gesellschaft außer sich selbst. Man sieht vor sich nur seine eigensüchtigen Gedanken, nach denen man sein Leben gestaltet hat.“65

      Daher brauchen manche „nur ein einziges Menschenleben“, um auf die geistigen Stufen des Jenseits zu gelangen, „andere quälen sich Hunderte, wieder andere gar Tausende von Jahren … auf der Suche nach dem Gold des Glückes in den Falschmünzerstätten der Finsternis, von … Irrlichtern … aus der einen Irre in die andere gelockt. Es ist ihre eigene Schuld, dass sie öfters Mensch werden müssen und so spät den Weg des Lichtes finden“. Hat sich also „ein Menschengeist im irdischen leben … nicht vervollkommnet, so wird er wieder Mensch. Jedes Leben ist ein Examen. Wer durchfällt, muss es so oft machen, bis er es besteht. Das sind göttliche Gesetze, die für die ganze Schöpfung gleichmäßig Geltung haben … es gibt keine Willkür … die meisten Menschengeister müssen wiederholt zur Erde zurück. Denn der Abschluss ihres diesseitigen Lebens ist immer wieder unzureichend … Betrachte … das Leben der meisten Menschen! Ist nicht ihr ganzes Sinnen und Trachten auf das Irdische gerichtet? Wie viele … tun das Gute? … Die goldenen Fallstricke Mammons sind es vor allem, die den Menschen gefährden. Mit dem Geld besitzen die Mächte der Tiefe ein Mittel, durch das sie über den größten Teil der Menschheit eine unumschränkte Herrschaft ausüben … Nun kann aber der Geist logischerweise erst dann von einem Gesetz, das ihn in die Materie zwingt, entbunden werden, wenn er ihm entwachsen ist … Solange ein Geist … – auf ganz niedriger Stufe stehend – um der Lust des irdischen Lebens willen in das Menschenleben tritt, solange hat er die Schule der Materie nicht absolviert und ist folglich nicht fähig, in höhere Stufen einzutreten.“66

      Das alles aber geschieht, wie wiederholt gesagt, nicht auf Grund eines Gottesgerichts, sondern automatisch, genauer: karmisch, nämlich aufgrund der Schuldenlasten, die man sich selbst aufgebürdet hat: „Jeder Mensch schafft sich sein jenseitiges Leben selbst … Lernt man in einem Leben nichts, so fällt man zurück. Dieses Zurückfallen aber ist ein neues Erdenleben.“67

      Es ist aber nicht bloß die materialistische, eigennützige, selbstsüchtige Grundeinstellung vieler Menschen, die sie am geistigen Fortschritt in immer höhere Bereiche des Jenseits hindert. Fast ebenso erschwerend für die jenseitige Fortentwicklung sind die dogmatisch-ideologischen Verbohrtheiten vieler Menschen. „Sehen wir uns einmal die Kirchen auf der Erde an“, klagt der jenseitige Dr. Yates, „sie sind der Tummelplatz von Geistern, die in strengem Kirchenglauben hinübergegangen sind. Sie finden sich dort in großen Scharen zusammen und machen keinerlei Anstalten zu begreifen, dass sie noch geistig schlafen. Denn noch nie haben sie sich gefragt: Wer bin ich? Wo komm ich her? Wo gehe ich hin? Wo ist das wahre Leben? – Sie haben sich selber eingeschläfert mit ihren Glaubensvorstellungen über Jesus Christus und den lieben Gott, wie er auf einem Throne sitzt mit Christus zu seiner Rechten und Gericht hält über die guten und bösen Menschen. Die einen, so glauben sie, kommen in die flammende Hölle, und die anderen dürfen in den Himmel zur Herrlichkeit Gottes eingehen. Das ist ihr Glaube, den sie hegen, und obgleich sie ,tot‘ sind, bleibt die Mehrzahl dieser Wortgläubigen auf der Erde und geht in die Kirche. Sie möchten gar nicht fort von der Erde, singen ständig dieselben Lieder und plappern dieselben Gebete. Sie meinen alles, was sie zu tun hätten, sei Singen und Beten. Viele wissen gar nicht, dass sie gestorben sind. Sie nehmen sich nicht einmal Zeit, darüber nachzudenken, warum ihre Familie und ihre Freunde nicht mehr mit ihnen reden, wie sie es früher doch getan haben. Es ist sehr schwierig für uns, an solche Verstorbenen heranzukommen. Viele singen und beten nur, andere wandern allein umher und versuchen herauszufinden, was eigentlich mit ihnen los sei. Dann wieder gesellen sie sich Menschen bei und beeinflussen sie so stark mit ihren Glaubensvorstellungen, dass die Betreffenden besessen werden und wegen religiösen Wahnsinns ins Irrenhaus gebracht werden müssen.“ Selbst „einigen meiner Freunde muss ich helfen. Obwohl sie schon lange vor mir gestorben sind, befinden sie sich noch im Finstern, weil ihnen das Verständnis für das wahre Leben noch nicht aufgegangen ist … Wenn Sie doch nur mal sehen könnten, wie jeden Abend, wenn Sie Ihre Sitzung haben, zahlreiche verunstaltete und unglückliche Geister zuhören und nach Hilfe verlangen, um in das jenseitige Leben eingehen zu können. Die Menschheit sollte endlich erwachen, damit nicht gar so viele als unwissende Geister auf die andere Seite hinüberkommen. Denn als solche drücken sie sich nur auf der Erde herum und bringen Unheil über die, die noch auf der Erde leben … Gegenwärtig herrscht Kampf und Gesetzeszwang.“68

      Ein anderer Jenseitiger, der Arzt und Philosoph Dr. Adams, betont: Das „Fortleben nach dem Tode … ist ein Leben wahrer Erkenntnis und nicht bloßen Glaubens. Wenn man bloß glaubt, dann findet man sich im Finstern wieder vor einer verschlossenen Tür, eben weil man nur glaubt und von der anderen Welt nichts weiß …