Hubertus Mynarek

Jenseits der Todesschwelle


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in die Glaubenslehren hinein, bilden sich dementsprechend ihre Vorstellungen von Gott, Christus und dem heiligen Geist und sind überzeugt, dass es eine Hölle gibt, vor der zu bewahren ihre große Aufgabe ist“. Diese „kirchliche Auffassung ist weit entfernt von der Wahrheit“.51

      Es gibt nach Nowotny deshalb sogar noch im Jenseits einige „verhältnismäßig hochstehende Geister“, die „immer noch im Irrtum“ der kirchlichen Dogmatik verharren „und, durch ihren Fanatismus gezwungen, von der irdischen Auffassung nicht loskommen“. Wenn solche Geister „mediale Mitteilungen“ machen, geschieht das zum Schaden der Irdischen!52

      Es muss eben „bedacht werden, dass nicht jeder, der herüberkommt, gewillt ist und die Kraft aufbringt, alle Vorurteile und eingefleischten Glaubenssätze einfach über Bord zu werfen und … bescheiden von vom anzufangen … In materieller Lebensauffassung verfangen, wollen viele ihren Rang nicht ablegen, den sie im Irdischen eingenommen haben. Höhere und höchste Priester, ja auch Päpste, bleiben daher oft darauf beharrlich stehen, und ihre Äußerungen sind dann noch den irdischen Glaubenslehren angepasst oder sogar identisch. In ihrer Verbohrtheit sehen sie nicht nach oben, wollen die Wahrheit nicht erkennen und beharren auf allem, was sie ihrer Meinung nach als richtig erkannt haben“. Es kann deshalb im Jenseits „ein kleiner Geistlicher weit höher stehen als ein großer Kirchenfürst“, wenn ersterer die kirchlichen Lehren über den strafenden Gott und die Hölle, die er im Diesseits predigte, als Irrtum eher erkennt als die Kirchenfürsten.53

      Zwar „reift im Jenseits die Erkenntnis viel leichter als auf der materiellen Welt“54, aber auch dort drüben ist der (irdische) Glaube noch nicht gänzlich und automatisch zugunsten des Wissen verschwunden. Es gibt auch im Jenseits immer höhere Stufen des Wissens und der Einsicht. Je höher die Stufe der Vervollkommnung eines Jenseitigen, um so umfangreicher und tiefer geworden ist sein Wissen um die großen Seins- und Sinnfragen und umso kleiner ist dann der noch übrig gebliebene Bereich seines Glaubens, bis dieser im „letzten Himmel“ gänzlich verschwindet, d.h. dem allumfassenden Wissen Platz macht.

      Mediale Mitteilungen aus dem Jenseits sind deshalb mit Vorsicht zu behandeln. Denn wenn diese Mitteilungen aus niedrigeren, dunkleren Schichten des Jenseits stammen, stellen sie keine reine Übermittlung von Wissen dar, sondern noch immer eine Mischung aus Glauben und Wissen. Nowotny will „in diesem Zusammenhang nur betonen, dass auch religiöse Mitteilungen nicht immer von hohen Geistwesen vermittelt werden und dass sie nicht unterscheiden zwischen Glauben und Wahrheit“. „Mitteilungen aus dem Jenseits“ sollten aber „nicht auf Glauben, sondern nur auf Wissen aufgebaut sein“.55 Aber auch niedere Geister werden ja dort drüben von niemandem daran gehindert, sich eines Mediums zu bedienen und unverantwortliche Mitteilungen an die Diesseitigen zu machen.

      lm Jenseits fallt natürlich die »Unterscheidung der Geister« leichter. Es gibt dort nach Nowotny „ein untrügliches Zeichen“, um die „Verkehrtheit“ einer falschen Einstellung zu erkennen: die „Ausstrahlung“ der Jenseitigen. Die Irdischen „aber nehmen ihre Mitteilungen als das einzig Wahre auf, ohne zu bedenken, dass keines dieser Geistwesen in der Lage ist, … in höchste Sphären Einblick zu gewinnen. Was sie mitteilen, ist auch nur Glaube und Nichtwissen“. Auch Nowotny selbst bekennt bescheiden von sich und gleichgesinnten, auf einer ähnlichen Stufe wie er stehenden Jenseitigen: „Wir haben noch nicht die Höhe erreicht und können noch nicht so hoch sehen, dass wir erkennen könnten, wo … die letzte Wahrheit – und dazu gehört der letzte Himmel, wenn ich es so nennen darf – ist … Die menschliche Existenz und das Jenseits, von dem wir bestenfalls zu sprechen in der Lage sind, sind so winzig klein und unbedeutend, dass es eine Anmaßung wäre, von allerhöchsten Wesen und Sphären … eine Gestalt zu wählen oder vorzustellen, die im Irdischen einen Vergleich zuließe.“56

      „Umlernen“, Fehler ablegen heiß also die Devise, wenn man nach dem Tod in jenseitige Sphären übergeht. Als Beispiel erwähnt Dr. Nowotny seinen „Freund Viktor“, der „in seinem irdischen Dasein Geistlicher gewesen“ sei. „Er ist vor mehr als 20 Jahren herübergekommen, nachdem er im Leben ernst und mit voller Überzeugung der Kirche gedient hatte. Er war ein sehr fortgeschrittener Geist, aber durch Milieu und Erziehung irregeführt. Er hat nun Zeugnis darüber abgelegt, wie qualvoll die Zeit des Umlernens für ihn gewesen sei, die Erkenntnis, dass er auf einem falschen Weg gewandelt war. Man kann sich das ein wenig vorstellen, wenn man zum Vergleich einen Idealisten im irdischen Dasein nimmt, der zu der Überzeugung gebracht wird, dass das, was er sich zum Ideal erkoren hat, weit davon entfernt oder sogar das Gegenteil ist.“57

      Es ist eben ein Vorurteil der Irdischen, die an ein Jenseits glauben, wenn sie annehmen, dass der Mensch „schon mit dem Abschied von der Erde ein reiner und wissender oder sogar allwissender Geist ist. Der Mensch neigt dazu, anzunehmen, dass der irdische Tod an sich als Sühne wirkt und alle bösen Taten und Eigenschaften mit dem Ende des Lebens ausgelöscht sind. Das ist ein großer Irrtum“. In Wirklichkeit „geht der Mensch mit all seinen Irrtümern und Fehlern hinüber“. Und er muss auch im Jenseits erst einmal „seine Irrtümer einsehen“ und sie dann „bekämpfen“. Es ist ganz entschieden wichtig, festzuhalten, „dass der Mensch durch seinen Abschied von der materiellen Welt noch lange nicht besser ist als er bis zu seinem Abschied war. Darum ist es ein Irrtum, wenn man glaubt, dass man von solchen Geistwesen nur Gutes lernen kann, wenngleich sie im Leben nichts davon geäußert und bewiesen haben“.58

      Was Dr. Nowotny hier sagt, stimmt mit dem überein, was ein anderer Jenseitiger durch das hellschreibende Medium G. zu Papier gebracht hat.59 Er fragt: „Was berechtigt dich zu der Annahme, dass der Tod eine solche Zauberwirkung habe, dass er den derb-materiellen Geist in die Möglichkeit versetzt, in geistige Gesetze emporgehoben zu werden? Es wäre dies ja eine Sprache, die er nicht verstünde.“ Bei den meisten Menschen reiche ein Erdenleben nicht aus, „sich ihres Lebenszweckes bewusst“ zu werden und „mit ungeteilter Kraft ihre erkannte Aufgabe zu erfüllen … Ist es der Grad seiner Entwicklung, der den Geist in die Materie fuhrt, so kann es auch nur wieder der Grad seiner weiteren Entwicklung sein, der ihn von der Materie befreit. Wie wenig aber lernt der Geist in einem Menschenleben! Wie schwach ist seine Erkenntnis wahrer Liebe und Güte … Bis aber ein Geist die Lehren und relativen Wahrheiten einer Welt erfasst, erkannt und bestätigt hat, ist er an diese Welt gebunden. Und so macht er alle Klassen dieser einen großen Schule durch – denn für den Durchschnittsgeist eurer Sphäre ist ein Sandkorn wie diese Erde eine große Schule. Erst wenn diese Lehren ihn nichts mehr zu lehren haben, ist er reif für höhere, weil geistigere Lehren. Daraus ergibt sich das Gesetz der Wiedergeburt“. Nur „der Geist, der in der Materie sich seines Geistlebens bewusst ist und der die Materie als das, was sie ist, erkennt und ihr dadurch jede Macht über ihn nimmt – der erfüllt seine Aufgabe und macht sich frei von der Materie und allen endlichen Gesetzen, um in den Lichtkreis der ewigen Gesetze zurückzukehren und dort größere Freiheit, höhere Seligkeit zu finden Die Vergeistigung der Materie ist eine der vornehmsten Aufgaben der verkörperten Geister aller materiellen Welten".60

      Die Vergeistigung der Materie! Aber es gibt eben auch Stufen und Grade der Materialisiertheit, der Materiegebundenheit. Die Masse der Menschen des gegenwärtigen Zeitalters scheint derart an die Materie des Geldes, des Konsums, des Gaumen- und Geschlechtsgenusses gebunden, dass diese Menschen auch nach dem Tod ihre Verstricktheit in sie nicht einfach ablegen können. Sie nehmen nach dem Ableben kein Licht wahr, das ihnen helfen könnte, Gewissenserforschung zu halten, also jene einzige Form von Gericht über sich selbst auszuüben, die es da drüben gibt. Diese geistfernen und geistverlassenen Seelen verlieren nach dem Tod ja nicht ohne Weiteres ihre tiefe Versunkenheit in die Materie, in ihre Selbst- und Profitsucht, ihre Egozentrik. Nichts geschieht automatisch. Alles organische Leben – das zeigt auch die terrestrische Evolution – muss sich konsequent Schritt für Schritt höherentwickeln. Und dieses Entwicklungsgesetz gilt auch für das Leben nach dem Tod, so dass der ins Jenseits Übergegangene seine Entwicklung von genau dem Punkt aus weiter betreiben muss, an dem sie sein Tod abgebrochen hat. „Der Vorgang des Todes, das Ablegen der sterblichen Hülle, nimmt dem Weisen nichts von seiner Weisheit, macht aber aus einem Narren keinen Weisen, sondern belässt ihn bei seiner gewohnten Narrheit … Mit welchem Ergebnis, in welchem Reifegrad der Mensch diese Vorschule (des Diesseits)