Hubertus Mynarek

Jenseits der Todesschwelle


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ihrer Gewalt wie in früheren Zeiten“. Die Menschen sollten sich versammeln „zu lebendiger Anbetung und nicht bloß glauben“. Auch so mancher Priester meint, „so etwas wie eine Geisterwelt gäbe es ja gar nicht. Wenn wir stürben, dann würden wir eben ins Grab gelegt und blieben darin liegen bis zum jüngsten Tage.

      – Dann werden wir auferweckt werden, und Gott wird auf Seinem Throne sitzen und die Sünder auf die eine und die Gerechten auf die andere Seite rufen. Die einen werden zur Hölle in die ewige Verdammnis geschickt und die anderen in der Herrlichkeit des Himmels leben. Ist das nicht entsetzlich? Damit behaupten sie doch geradezu, Gott habe die einen für die ewige Verdammnis und die anderen für die himmlische Seligkeit geschaffen … Da gingen die einen in den Himmel und sahen die anderen im Feuer der Hölle liegen!“ Die Hölle sei eine Erfindung cleverer Religionsmanager. Die „malten ... die Hölle so grausig aus wie nur möglich, als einen großen brennenden Ofen, mit Gerippen da und dort und loderndem Feuer. Und der die Menschen ins Feuer warf, das war der Teufel, der sie sie auf einer Forke anbrachte“.69

      Die Menschen „sind unfrei, durch … Glaubensformeln gebunden“, erklärt eine weitere Jenseitige durch ihr Medium. „Viele halten sich für heilig, doch ist ihre Heiligkeit eine ganz Oberflächliche“.70

      Eine andere Jenseitige behauptet: „Die allermeisten Menschen bleiben nach dem Ablegen des Körpers geraume Zeit an ganz demselben Orte, wo sie ihr Leben verbracht haben, ganz gleich, ob sie gelehrt oder ungebildet sind.“ Wenn sie die Freiheit und Selbstständigkeit ihres Geistes, seine Loslösung von allen religiösen und weltanschaulichen Vorurteilen nicht betrieben haben, daher auch „vom Jenseits nichts wissen“ (da zum Geist eben auch die Unsterblichkeit gehört), „dann bleiben sie da stehen, wo sie gerade gestorben sind. Viele liegen in tiefem Schlaf oder gar in schwerer Bewusstlosigkeit … Manche wiederum haben sich selber in einen tiefen Schlafzustand versetzt durch den religiösen Glauben, dass sie bis zum jüngsten Tage im Grab zu liegen hätten, oder durch die Vorstellung, dass mit dem Tode alles aus sei. Dann gibt es viele aus allen möglichen religiösen Bekenntnissen, die überhaupt nicht wissen, dass sie gestorben sind.“71

      Ein weiterer Jenseitiger bedauert den „Zerfall der Kirchen“, sieht die Ursache dafür aber darin, dass sie blind und geistlos seien, daher selber nur den Glauben lehren könnten. Aber „die Menschen verlangen heute nach klarem Wissen, nicht mehr nach Glauben, und wenn die Kirchen wahre Religion lehrten, dann wären die Menschen auch besser. Viele Geistliche wissen in ihrem Herzen sehr wohl, dass die Menschen an die alten Geschichten nicht mehr glauben. Es ist auch hier das ‚goldene Kalb‘, der ‚Mammon‘, dem sie dienen, wenn sie sich dennoch auf die Kanzel stellen und wider ihre bessere Überzeugung predigen … Die Menschen müssen die Wahrheit erfahren, dann werden sie auch nach ihrem Ableben nach der geistigen Welt Ausschau halten und statt eines eingebildeten ,Himmels‘ ein glückliches Heim im Jenseits finden: Himmel und Hölle sind nur innere Gemütszustande, und den ,Himmel‘ muss ein jeder in seinem eigenen Innern gefunden haben, bevor er in der geistigen Welt glücklich sein kann … Im geistigen Leben … gibt es keine Glaubenssätze … Zum ,Jüngsten Tage‘ kann dem Menschen jeder beliebige Tag werden, nämlich der Tag, an dem er seine Selbstsucht und Unwissenheit ablegt; denn nur diese sind der ,Tod“. Leben ist Liebe und Weisheit … Denkt man aber nur an sich selbst und klammert sich an Bekenntnisformeln, dann hat man Kummer und Sorgen und muss sich diese durch Leiden austilgen lassen … Der Himmel ist keine besondere Örtlichkeit. Wer sich vorstellt, er gehe in den Himmel, der muss diesen Himmel schon mitbringen, denn er ist ein Gemütszustand. Wer da leidet, ist in der Hölle … Wer dagegen glücklich ist, ist im Himmel, – in dem Himmel, den jeder in sich trägt.“

      „Die Menschen haben sich allerhand Lehren zurechtgedacht. Der eine hat sich diese, ein anderer wieder jene Ansicht zu eigen gemacht. Einer geht in diesen, der andere in jenen Winkel, der eine hält diesen, der andere jenen Weg für den richtigen; und so hat jeder sein eigenes Glaubensbekenntnis. Sie laufen in einem engen Kreise herum und vergessen ganz, dass sie ja im Mittelpunkte des Lebens, in Gott selbst stehen … Warum solltet ihr euch zum Gottesdienst an einen bestimmten Ort begeben? ,Gehe in dein Kämmerlein und bete zu deinem Vater im Verborgenen' … In der Geisterwelt macht es uns bei sehr vielen Verstorbenen große Schwierigkeiten, wenn ihnen erst hier die geistigen Augen geöffnet werden müssen. Sie sind alle so verblendet durch ihre Bekenntnisformeln und Glaubenssätze, und wir müssen alle unsere Kräfte anspannen, ihnen begreiflich zu machen“, dass es auf diesen „Bekenntnis- und Dogmenkram“ gar nicht ankommt. „Wenn wir erst wissen, was Liebe ist, und sie in die Tat umsetzen – nicht, was die Menschen hier auf Erden Liebe nennen, sondern die Liebe, die allenthalben hervorsprießt, – dann wirkt diese Liebe wie die Sonne. Habt ihr solche Liebe in euren Herzen, so seid ihr für andere wie eine Sonne … Wer dagegen an Bekenntnisformeln und Glaubenssätze gebunden und voller Eigenliebe ist, bleibt unwissend und fühlt sich bedrückt und unglücklich … Verstorbene dieser Art bekommen die Augen ihrer Seele nicht auf und fragen nicht nach dem Licht … Diese kommen in tiefer Finsternis im Jenseits an, sie rotten sich zusammen, ein Trupp hier und dort ein anderer, alle in tiefstem Dunkel … Es ist sehr schwer, ihnen begreiflich zu machen, dass sie ins Jenseits übergetreten sind. Es muss sie natürlich auch sehr hart ankommen, wenn sie erwachen und sehen, was für Irrtümern sie anheimgefallen sind, indem sie sich auf Glaubenssätze und Bekenntnisformeln festlegten. Sie haben sich selbst in Dunkelheit gehüllt und alles Licht abgesperrt, das sie ihr Leben lang hätte durchstrahlen sollen.“72

      In den bisherigen Ausführungen dieses Kapitels wurden vor allem Aussagen bereits Verstorbener, also Jenseitiger, wiedergegeben. Im Großen und Ganzen stimmen damit die Aussagen Diesseitiger überein, die ein Nahtoderlebnis hatten. Auch sie berichten nicht über ein Gericht Gottes an der Schwelle zwischen Leben und Tod und auch nicht über Hölle und Himmel im dogmatisch-kirchlichen Sinn.

      Aber was ist überhaupt ein Nahtoderlebnis? Nahtoderlebnisse lassen sich – grob vereinfacht – in vier Kategorien unterteilen: Da geht es zum ersten um die Erfahrungen von Menschen, die reanimiert, also wiederbelebt worden sind, nachdem sie »klinisch tot« waren. (Als »klinisch tot« gilt, wer noch reanimiert werden kann, dessen Gehirnzellen also durch Sauerstoffmangel noch nicht irreparabel geschädigt worden sind. Der klinisch Tote befindet sich in einer Phase zwischen Herzstillstand und Hirntod, den die Mehrheit der Mediziner als eigentlichen Tod des menschlichen Organismus ansieht, als sein unumkehrbares Lebensende, weil dann das Gehirn keinerlei lntegrationsfunktionen gegenüber den körperlichen Organen mehr ausüben kann. Die Dauer dieser Phase wird unterschiedlich festgesetzt, im Allgemeinen auf höchstens fünf Minuten. Aber es gibt Sterbeerfahrungen, in denen die Zeit zwischen dem Eintreten des Herzstillstandes und der Wiederbelebung sehr viel länger war als diese fünf Minuten. Es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde, die die Schulmedizin nicht oder kaum für möglich hält. Aber auch die Schulmedizin kennt Fälle, in denen Menschen nach dem Herzstillstand viel längere Zeit überlebten, z. B. reanimierte Erfrorene, deren Unterkühlung offenbar bewirkte, dass ihre Gehirnzellen mit einem Minimum an Sauerstoff auskamen. Auch bei Vergiftungen kommt es vor, dass die Hirnströme nicht mehr messbar sind, der Hirntod also eingetreten zu sein scheint, der Patient aber dennoch wiederbelebt werden kann).

      Zum zweiten gelten als Nahtoderlebnisse die Erfahrungen Sterbender, die gar nicht klinisch tot waren, sich aber kurz vor ihrem Tod noch über diese Erfahrungen vor Anwesenden äußern konnten. Zum dritten gelten als Nahtoderlebnisse auch die Erfahrungen jener, die weder klinisch tot noch Sterbende waren, aber durch schwere Krankheiten oder Unfälle dem Tod nahe waren. Und schließlich geht es bei Nahtoderlebnissen viertens auch um die Erfahrungen unheilbarer Kranker, unter großen Schmerzen Leidender, die mit Opiaten, halluzinogenen

      Drogen, LSD u. ä. behandelt wurden.

      Die Mitteilungen der Menschen, die zu einer dieser vier Kategorien gehören, sind also keine Berichte aus dem Jenseits, wie sie uns durch Medien oder die sogenannte Außersinnliche Wahrnehmung (ASW) übermittelt werden. Es sind Mitteilungen an der Schwelle zum Tod, im Grenzgebiet des Todes, aber noch aus dem Diesseits. Aber auch als solche sind sie höchst interessant und aufschlussreich. Und sie bestätigen die oben dargelegten Aussagen der Jenseitigen, der tatsächlich Verstorbenen, dass es kein von einem Gott ausgeübtes Gericht über den Sünder nach dem Tod und keine von diesem Gott verhängte Hölle