Dagny Kraas

Dämonentreue


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in die restliche Geräuschkulisse aus dem Rauschen des Wassers und dem leisen Schlagen, wenn der Bug der Araora eine Welle traf.

      Tiko, der die letzte Nachtwache gehalten hatte, war unter Deck und schlief, und Mert saß mit angezogenen Beinen auf der Bank neben Cridan und starrte wortlos über das Meer. Er hatte in den letzten Tagen versucht, Cridan aus dem Weg zu gehen, doch in der Enge des kleinen Schiffes war es nicht möglich. Cridan hatte seinerseits immer wieder probiert, mehr aus Mert herauszubekommen, doch der Mann war distanziert und zurückgezogen geblieben und hatte sich nur zu wenigen Äußerungen drängen lassen.

      Nach einer Weile räusperte Cridan sich.

      »Ihr wart Berater am Hof, sagtet Ihr«, begann er das Gespräch.

      Mert nickte knapp. »Ja. War ich. Weshalb fragt Ihr?«

      »Dann kennt Ihr die Herrscher Gantuighs«, fuhr Cridan fort. »Erzählt mir über Mar'Tian.«

      »Was wollt Ihr denn hören?«

      »Alles«, antwortete Cridan spontan. »Was immer Euch einfällt.«

      Mert furchte die Stirn. Er sah Cridan nicht an, als er sprach.

      »Mar'Tian ist ein T'han T'hau. Er war Soldat in Gantuighs Heer, schon lange Zeit, bevor er Herrscher wurde. Doch bis zu dem Zeitpunkt, an dem Skatarhak sich von Esracan lossagte, war er ein Mann unter tausend anderen. Niemand besonderes. Erst in der Schlacht um L‘hunival stand er heraus. Er führte das Heer an, gemeinsam mit Syrian. Wieder und wieder ritt er hinaus, um die Männer in die Schlacht zu leiten, und ohne ihn wären die Menschen verloren gewesen. Niemand kämpft so gut wie er, sagt man. Nach dem Krieg wurde er zum Nachfolger Esracans gewählt, und er herrschte gut. Sechs Jahre, in denen Gantuigh sich erfolgreich um Handels­beziehungen zum Kontinent bemüht hat. Dass es uns heute so gut geht, ist zum Großteil Mar'Tian zu verdanken. Er ist ein umsichtiger, kluger Mann, sorgfältig und ruhig. Er weiß, wem er Dinge überlassen kann, und wem nicht. Er wählte seine persönlichen Berater mit Bedacht und Überlegung, und er wusste stets, wem er trauen konnte.«

      Cridan musterte den Mann, der starr auf die Planken unter ihm sah.

      »Ihr wart keiner seiner Berater, nicht wahr?«

      Mert hob den Kopf und blickte ihn an. »Woher wollt Ihr das wissen?«

      Cridan hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Es ist ein Gefühl.«

      Mert wandte den Blick ab.

      »Nein, ich war keiner seiner persönlichen Berater«, gab er schließlich zu. »Ich gehörte zum Stab des Schatzmeisters, aber ich hatte keinen Platz an Mar'Tians Tisch. Und bevor Ihr mich weiter mit Euren Fragen löchert: Nein, ich kenne Mar'Tian nicht besonders gut. Niemand kennt Mar'Tian gut, abgesehen vielleicht von seiner Frau. Er ist kein besonders offener Mensch. Ich kann Euch nicht mehr über ihn sagen, als jeder auf Gantuigh über ihn weiß, und das ist nicht viel. Ich weiß, woher er kommt, wer er war und was er getan hat, aber wenn Ihr mich fragt, was für ein Mensch er ist, kann ich Euch nicht weiterhelfen.«

      Cridan nickte gedankenverloren. »Was wiederum dazu passt, dass er ein T'han T'hau ist. Kein T'han T'hau ist sonderlich freizügig mit seinen Gefühlen.«

      Merts Blick streifte ihn. »Habt Ihr überhaupt welche?«

      Cridan schwieg eine Weile. Die Worte hatten verletzend sein sollen, und obwohl sie ihn nicht wirklich trafen, machten sie ihn nachdenklich.

      »Ja, Mert, wir haben Gefühle«, sagte er dann. »Wir behalten sie nur meist für uns.«

      Mert schnaubte abfällig, erhob sich und ging unter Deck. Cridan sah ihm nach.

      In diesem Augenblick kletterte Tiko die Treppe hinauf zu ihm. Er kaute auf einem Apfel, trat neben Cridan und sah über das Wasser.

      »Du hast den Kurs geändert«, stellte er dann fest.

      Cridan nickte. »Notgedrungen«, antwortete er. »Der Wind hat gedreht. Und wenn ich die Wolken dort vorne richtig deute, werden wir auch noch einmal den Kurs ändern müssen. Falls es damit getan ist.«

      Tiko spähte nach vorn auf die Wolkenfront, auf die Cridan deutete.

      »Sieht ungemütlich aus«, murmelte er. »Und sie ist sehr breit. Sieht nicht so aus, als könnten wir sie umgehen, oder?«

      Cridan schüttelte den Kopf. »Nein. Ich werde versuchen, die Randgebiete anzusteuern, aber wenn wir Pech haben, gelingt uns auch das nicht.«

      »Nun ja«, Tiko zuckte die Achseln. »Ich habe nicht umsonst einen ficha'thar, von dem man sich erzählt, dass er es mit jedem Sturm aufnimmt.«

      Cridan lachte. »Ja, mit der Falkenflug oder der Wellenstolz! Aber gegen unsere damaligen Schiffe ist die Araora verdammt klein!«

      Tiko drehte sich zu ihm um, hob die Brauen und grinste ihn an. »Und das soll dich beeindrucken?«

      Cridan grinste zurück. »Nein. Trotzdem würde ich die Araora gern unbeschadet nach Gantuigh bringen.«

      Tiko neigte zustimmend den Kopf. »Ich kann dir nur beipflichten. Doch wie ich dich kenne, wirst du das schon machen. Ich weiß, wie gut du segeln kannst. Mein Vertrauen hast du.«

      Er machte eine kurze Pause.

      »Bist du mit Mert weitergekommen?«

      Cridan schüttelte den Kopf. »Bisher nicht. Er will nicht mit mir reden. Und wenn er es tut, sind es nur allgemeine Dinge, nichts, mit dem ich wirklich etwas anfangen könnte.«

      Tiko schwieg einen Moment.

      »Er hat Angst vor dir. Gar nicht so sehr davor, dass du ihm etwas tun könntest, sondern vielmehr vor dem, was du bist.«

      Cridan schnaufte. »Glaubst du, das weiß ich nicht? Ich kenne den Blick zur Genüge, mit dem er mich ansieht!«

      Er sah Tiko an. »Du weißt, wer ich bin. Und du weißt, warum ich die Dinge tue, wie ich sie tue.«

      Tiko erwiderte seinen Blick.

      »Ich weiß es«, nickte er ruhig. »Doch selbst wenn Mert das wüsste oder auch nur ansatzweise verstehen könnte, weshalb es so ist, sieht er in dir doch immer noch den Dämon.«

      Er seufzte. » Segle du uns durch diesen Sturm. Ich werde versuchen, mit Mert zu reden. Vielleicht habe ich mehr Glück als du.«

      Cridan zuckte die Achseln, und während Tiko wieder im Schiff verschwand, schätzte er Größe und Lage der Wolkenfront erneut ein und überlegte, auf welchem Kurs er die Araora am günstigsten daran vorbei brachte.

      Eine halbe Stunde später war er sich sicher, dass es einen Kurs daran vorbei nicht geben würde: Die schwarzen Wolken hatten sich weiter verdichtet und in einem Band auseinandergezogen, das den Horizont verdunkelte.

      »Tja, meine Liebe«, brummte er und legte eine Hand auf die hölzerne Reling. »Wie es aussieht, müssen wir da durch. Wird ein wilder Ritt werden, fürchte ich.«

      Der Wind briste mehr und mehr auf, die Wellen wurden höher, und Sturmböen drückten die Araora immer wieder auf die Seite. Tiko und Mert hatten unter Deck alles sicher verstaut, den Treppenabgang verschlossen und standen nun auf der höher gelegenen Seite des Schiffes an der Reling, um ein Gegengewicht zum Winddruck zu bilden.

      Cridan stand am Steuer, hatte einen Fuß auf die Bank neben ihm gestellt und ließ das kleine Schiff in voller Schräglage hart am Wind laufen. Er hatte das Segel bereits gerefft, um den Windstößen nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten.

      Die Araora schnitt durch die höher und höher werdende See, flog über Wellenkämme und schoss in Täler hinab, dass ihr Bug immer wieder tief in die Wogen eintauchte und Wassermassen über das Deck fluteten. Gischt spritzte über die Planken und durchnässte die drei Männer an Bord.

      Wenn Cridan ehrlich war, machte es ihm Spaß, das Schiff in diesen Bedingungen zu segeln, doch er wusste, dass er sich am Rande des nutzbaren Wetters bewegte. Falls der Wind noch weiter zunahm, würde es zu gefährlich sein, das Segel gesetzt zu lassen.

      Als