Dagny Kraas

Dämonentreue


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nach Gantuigh führe? Weil Ihr mich braucht?«

      Cridan schüttelte den Kopf.

      »Nein«, antwortete er freimütig. »Davon abgesehen, dass ich keine Zeit gehabt hätte, mir über solche Dinge Gedanken zu machen… Nein. Ich wollte einfach nicht, dass Ihr ertrinkt.«

      Mert erwiderte seinen Blick für eine Weile. Dann lehnte er sich zurück, kratzte sich am Kopf und sagte:

      »Vielleicht werde ich eines Tages bereuen, was ich jetzt tue. Versprecht mir auf Eure Ehre, dass es die Wahrheit war, was Ihr sagtet. Dass Ihr Gantuigh nicht in ein Blutbad stürzen werdet.«

      Bevor Cridan etwas entgegnen konnte, mischte Tiko sich stirnrunzelnd ein:

      »Niemand hat vor, ein Blutbad in Gantuigh anzurichten. Ganz im Gegenteil. Wie kommt Ihr auf einen solchen Gedanken? Wir sind nur noch eine Handvoll T'han T'hau. Wir können uns glücklich schätzen, wenn Gantuighs Herrscher uns nicht umbringt! In unsere Heimat können wir nur zurückkehren, wenn wir diesen sinnlosen Krieg ein für alle Mal beenden.«

      Mert sah Cridan an, und Cridan nickte.

      »Er hat Recht, Mert. Auch wenn mir der Gedanke nicht gefällt, dass von unserem Volk nur noch ein paar Hundert T'han T'hau übrig sind.«

      Er machte eine Pause.

      »Es war noch nie meine Absicht, irgendwo ein Blutbad anzurichten, und das wird es auch niemals sein. In meinem ganzen Leben nicht. Das verspreche ich Euch auf meine Ehre. Ihr mögt mit manchen Dingen Recht haben, die Ihr über mich denkt, aber damit nicht.«

      Mert musterte ihn noch eine Weile schweigend, dann senkte er den Blick, verschränkte die Finger ineinander und sagte leise:

      »Ihr werdet Verbündete brauchen auf Gantuigh. Sureth wird sich Euch anbieten als ein solcher Verbündeter.«

      Cridan horchte auf. Merts Worte klangen, als ob er noch mehr sagen wollte, doch er blieb still und sprach erst nach einer langen Pause weiter:

      »Und Ihr müsst Mar'Tian überzeugen. Enod ist ein Herrscher wie Esracan einer war. Bei ihm sehe ich tatsächlich die Möglichkeit, dass er sich überreden lassen würde. Aber nicht Mar'Tian. Man nennt ihn nicht umsonst den Schlächter der Dämonen. Er ist ein T'han T'hau. Sein Wille ist so unbeugsam wie der Eure«, er nickte Cridan zu. »Und er hasst die Dämonen.«

      Er atmete hörbar ein.

      »Wenn Ihr es schlau anfangt, dann geht Ihr einen Umweg. Mar'Tian würde Euch kaum zuhören, er wäre zu beschäftigt damit, Euch den Kopf abzuschlagen. Aber es gibt eine Person, der er zuhören würde, und die ihrerseits möglicherweise geneigt wäre, wiederum Euch anzuhören.«

      »Mar‘Tians Frau«, folgerte Cridan.

      Mert hob anerkennend die Brauen. »Ihr seid schlau. Ja, richtig. Ibéowe. Wenn man es genau nimmt, ist sie nicht seine Frau – sie sind nicht verheiratet, aber sie steht ihm sehr nahe, und er liebt sie. Er schätzt ihre Meinung. Ihr würde er zuhören.«

      »Und was lässt Euch annehmen, dass Ibéowe uns zuhört?« fragte Cridan nach.

      Mert lächelte. »Weil ich Ibéowe kenne. Sie ist ganz anders als Mar'Tian. Sie ist freundlich und offen, jedem zugetan. Sie unterrichtet die Kinder der Stadt, deren Eltern sich keine Schule leisten können. Sie hat für jeden ein gutes Wort übrig, und alle in der Burg lieben sie, vom geringsten Diener bis hin zu Gantuighs jetzigem Herrscher. Sie ist ein Mensch, der in allen das Beste sieht. Vielleicht – nein, ganz sicher würdet Ihr sie erschrecken, aber sie würde Euch wenigstens zuhören. Und sie würde versuchen, Euch zu verstehen.«

      Cridan musterte ihn eindringlich. Dann schob er sich einen Bissen Fisch in den Mund und kaute nachdenklich.

      »Warum sagt Ihr mir das?« fragte er dann. »Vor ein paar Stunden noch hätte es Euch nicht Leid getan, wenn ich über Bord gegangen wäre – und jetzt erzählt Ihr mir so etwas. Wie passt das zusammen?«

      Aus dem Augenwinkel sah er Tikos nur halb unterdrücktes Lächeln und bekam eine Ahnung, wie die Antwort auf seine Frage lauten würde.

      Mert sah auf seinen Teller hinab. »Da hattet Ihr mir auch noch nicht das Leben gerettet«, wich er aus.

      »Ah, ja, ich vergaß«, bemerkte Cridan höhnisch. »Natürlich, das hat Eure Meinung von mir komplett geändert. Wie konnte ich nur daran zweifeln!«

      Tiko lachte leise. »Mach dich nicht über ihn lustig, Cridan. Ich bin Schuld daran. Ich habe ihm von dir erzählt.«

      Cridan drehte den Kopf und sah Tiko an. Es kostete ihn Mühe, seine Gesichtszüge unbewegt zu halten. Durch zusammengebissene Zähne sagte er: »Hast du nicht!«

      Tiko verschränkte die Arme vor der Brust und grinste ihn an. »Doch, habe ich. Nach dem, was du mir über Mert gesagt hast, war mir klar, dass ihn deine Geschichte interessieren würde.«

      Cridan schluckte die ätzende Entgegnung, die ihm schon auf der Zunge lag, gerade noch rechtzeitig hinunter, stand wortlos auf und stieg die Treppe nach oben auf das Deck, überquerte mit raschen Schritten das Vorschiff bis in den Bug und umklammerte mit beiden Händen die Reling.

      Er war zum ersten Mal wütend auf Tiko – richtig wütend. Was fiel ihm eigentlich ein? Es ging Mert einen Dreck an, wer er, Cridan, war!

      Er ließ die Reling los und ballte die Fäuste. Ihm war danach, etwas zu zerschlagen, und nur mühsam beherrschte er sich.

      Die Schritte, die sich ihm von hinten näherten, hörte er, drehte sich aber nicht um. Es war nicht Tiko, der da über das Deck auf ihn zu kam.

      Mert blieb in zwei Schritten Entfernung von ihm stehen.

      »Ihr müsst zornig sein«, sagte er. »Ihr habt das Gefühl, dass Ratiko'khar nicht das Recht hat, über Euch zu sprechen.«

      Cridan biss sich so fest auf die Unterlippe, dass es schmerzte.

      »Er ist mein König«, gab er zurück. »Sein Wort ist das meine, und ich folge ihm, wohin er auch gehen mag.«

      Mert trat einen halben Schritt näher und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling.

      »Das mag alles sein und ist sicherlich auch so, doch das hindert Euch nicht daran, zornig auf ihn zu sein. Ratiko'khar hätte Euch fragen müssen, ob es Euch Recht ist, wenn er mit mir über Euch spricht.«

      »Wie ich schon sagte«, entgegnete Cridan finster und starrte unverwandt aufs Wasser, in dem sich die Sterne spiegelten, »sein Wort ist das meine. Er entscheidet, worüber und mit wem er spricht. Es ist nicht meine Sache, das zu tun.«

      »Und doch seid Ihr wütend«, beharrte Mert. »Was ich gut verstehen kann. Wie ich Euch auch insgesamt besser verstehe.«

      Jetzt drehte Cridan sich doch zu ihm um.

      »Ach ja?« schnappte er bissig.

      Mert lächelte schief. Cridan spürte, dass die Selbstsicherheit, die er zu Tage trug, nur aufgesetzt war und dass er darunter mit seiner Nervosität kämpfte.

      »Wisst Ihr eigentlich, dass Ihr mir eine Scheißangst macht, wenn Ihr so die Zähne bleckt?« fragte Mert. »Ich weiß nie, was Ihr dann als nächstes tut. Wie Ratiko'khar so treffend über Euch bemerkte: Solange man Euch nicht reizt, seid Ihr ausgesprochen umgänglich. Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, wann und womit man Euch reizt.«

      Er hob beide Hände. »Also bitte, seht mich nicht so an.«

      Cridan zögerte einen Moment, doch dann entspannte er sich. »Meinetwegen. Es wäre auch nicht Recht, Euch dafür verantwortlich zu machen.«

      Er schwieg eine Weile.

      »Was hat Ratiko'khar Euch erzählt? Über mich?«

      Mert stieß scharf die Luft aus.

      »Er hat gar nicht so viel erzählt, wie Ihr vielleicht denkt. Aber was er gesagt hat… war wichtig. Weil es mich, auch wenn Ihr das nicht glaubt, verstehen lässt.«

      »Und was