Lechyd Zdravi

Die schlechtesten Geschöpfe


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       Jana

       Dschihad

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      Rechtliche Hinweise

      Rechtliche Hinweise: Keine der im Roman vorkommenden Namen oder Personen hat einen realen Bezug. Auch die Handlung ist ein Produkt meiner Phantasie.

      Dieser Roman soll keine Beleidigung des Islams oder des Propheten Mohammed darstellen; vielmehr geht es um das Aufeinanderprallen von Extremisten und der westlichen Gesellschaft, den unterschiedlichen Interpretationen des Korans von Muslimen und Nicht-Muslimen, dem wachsenden Misstrauen und religiösem Fanatismus, der noch nie etwas Gutes hervorgebracht hat - egal in welcher Religion.

      

       Die schlechtesten Geschöpfe

       Sure 98,7: Wahrlich, jene, die ungläubig sind unter dem Volk der Schrift und den Götzendienern, werden im Feuer der Hölle sein, um darin zu bleiben. Sie sind die schlechtesten Geschöpfe.

      Die schwarze Weihnacht

      Es würde bald schneien. Dunkle Wolken hingen so tief am Himmel, dass er die Hand nach ihnen ausstrecken wollte. Immer wieder sah er aus dem Fenster, nahm noch so viel in sich auf, wie er konnte.

      Ein hohes, feines Flirren schien in der Luft zu liegen. Er hörte es, wie er auch seinen Herzschlag hörte, das Krächzen der Krähen vor dem grauen, ungepflegten Mehrfamilienhaus, das ihm kein Heim war. Ein hupendes Auto, ein paar laut redende Kinder.

      Alles erschien ihm fern und unwirklich, gleichzeitig nahm er jede Kleinigkeit wahr. Ging es jedem so der wusste, dass er bald sterben musste?

      Er hatte nicht geschlafen in der Nacht. Er hätte ohnehin nur Albträume von Steffi und seiner Mutter gehabt.

      Ich muss mich bereit machen, dachte er, es ist heute, heute, in ein paar Stunden. Nie hätte er gedacht, dass er einmal so etwas Wichtiges, Großes vollbringen würde. Dass er dazu ausersehen war von Allah, der die Augen und Ohren der Menschen ganz nach Belieben öffnete oder verschloss, so wie auch ihre Herzen. Dass er, ein kleiner ehemals Ungläubiger, einmal Allahs Willen vollstrecken und dafür sofort ins Paradies kommen würde, so wie jeder, der im Kampf für ihn den Tod fand.

      Der Gedanke erfüllte ihn mit Demut, Ehrfurcht und ganz tief in ihm, wo er nicht hinzuschauen wagte, fragte ein trauriges, verzagtes Stimmchen: „warum ich?“

      Jener Teil von ihm hätte gern Metins Schwester oder eine seine Cousinen zur Frau genommen, nach Allahs Geboten gelebt, ein ganz normales Leben geführt und Kinder gehabt.

      Aber Allah hatte anders entschieden. Nun galt es, seinen Willen entschlossen zu erfüllen. Ohne Zweifel, ohne Zögern. Er schob die Trauer beiseite, so gut er konnte. Mit der Angst war es nicht so einfach. Sein Herz schlug schnell, dann wieder langsamer. Die schweißnassen Hände rieb er nervös an der Hose ab. Immer wieder massierte er seine Schläfen, wo der Schmerz pochte. Wenn er den Rucksack ansah, röteten sich seine Wangen, dann wurde er wieder blass. Es war noch früh am Morgen. In der kleinen Dusche hatte er sich gereinigt, danach angemessen gekleidet und gebetet. Er schämte sich seiner Angst.

      Er hatte Angst, seine Mutter und Steffi alleine zu lassen. Sie brauchten einen Mann, der für sie sorgte und ihnen den richtigen Weg zeigte. Murat hätte er vielleicht seine kleine Schwester anvertraut. Aber er traute Murat nicht mehr.

      »Was sorgst du dich, Bruder? Du hast deiner Mutter und deiner Schwester den heiligen Koran gegeben und ihnen gesagt, was sie falsch machen. Und womit sie Allah, gepriesen sei sein Name, erzürnen. Sie wollten nicht hören. Es steht geschrieben, dass die, die vom heiligen Koran wissen und Allah trotzdem nicht annehmen wollen, die Hölle bevölkern werden.«

      Und genau das machte ihm zu schaffen. Seit seine Augen geöffnet worden waren, träumte er fast jede Nacht, dass seine Mutter in einem riesigen Feuerloch verschwand. Sie schrie und versuchte, sich am glühenden Rand festzuhalten. Er sah, wie ihre Finger verbrannten, bis nur noch schwärzliche Knochen sich in das rauchende Gestein krallten. Sie fiel und verschwand in den Flammen.

      Steffi lag rücklings in rötlicher Lava. Auch sie kreischte, und Lava floss in ihren Mund. Das blonde Haar verschmorte, die Haut platzte auf, und das Fleisch ging in Flammen auf. Die flehend ausgestreckten Arme waren nur noch verkohlte, klappernde Knochen.

      Immer dann war er keuchend aus dem Albtraum hochgefahren und hatte geweint. Seine Mutter ... sie war ein guter Mensch, jedenfalls nach seinem früheren, beschränkten Weltbild, und eben seine Mutter. Aber in Allahs Augen nur eine ungläubige Hure. Er hatte sich damit abgefunden, dass sie wegen ihrer Verbohrtheit in die Hölle musste. Aber Steffi? Sie konnte ja nichts dafür, dass sie in diesem dekadenten Land groß geworden und von einer Hure erzogen worden war. Er war doch auch einmal so gewesen wie sie! Er hoffte, dass Allah ein Einsehen haben werde und sie nur, wie Abu Talib, ein paar Feuerschuhe bekommen würde. Er wusste allerdings auch, dass nicht einmal die Mutter des Propheten auf Gnade hatte hoffen dürfen.

      Ja, er hatte Angst, Mutter und Schwester zu verlassen, die auf ihrem Weg bleiben und weitermachen würden wie bisher. Aber nun, da er den Rucksack sah, der in der Ecke stand, packte ihn auch das Entsetzen. Wie würde es sein, wenn er an dem Kabel zog? Würde er noch etwas spüren? Würde es weh tun? Oder war es nur einen Augenblick lang dunkel, und dann befand er sich er im Paradies?

      Aber es gab kein Zurück mehr.

      Trotzdem fühlte er für eine Sekunde echtes Bedauern darüber, dass sein Leben nun enden musste. Dass er niemals Kinder haben und nie erleben würde, dass er Steffi zur Umkehr bewegen, bekehren und sie mit einem guten Mann verheiraten konnte. Wie jeder Mensch hing er am Leben. Er spürte das Blut, das in seinen Adern kreiste, seinen Atem und den feinen Luftstrom auf seiner Haut, der durch das gekippte Fenster hereinwehte. Es war kalt geworden.

      Einen Augenblick lang spürte er entsetzliches Heimweh. Gerne wäre er in seinem Zimmer mit den Dachschrägen gewesen, hätte die letzte Nacht auf Erden in seinem Bett verbracht und durch das Dachfenster über ihm in die Sterne geschaut, wie er es so gern getan hatte.

      An dem alten Schreibtisch, den sein Vater dagelassen hatte, als er auszog, hatte er mehr über Allah erfahren, die Videos seiner Brüder gesehen und ein neues, sinnvolles Leben entdeckt. Ein Leben, das jetzt enden musste. Denn er hatte sich an Allah verkauft.

      Er sah auf seine Finger, mit denen er normalerweise um diese Uhrzeit sägte, schliff oder die Bohrmaschine bediente. Geschickt waren sie, von Adern durchzogen, kräftig. Bald würden sie nur noch zerfetztes, verkohltes Fleisch und Knochensplitter sein. Aber dank Allah hatte er überhaupt Hände. Sie waren ihm gegeben worden, um Schrecken über die Ungläubigen zu bringen.

      Sein leerer Magen brodelte. Er hatte nichts essen können. Trotzdem zogen sich seine Eingeweide einen Augenblick lang schmerzhaft zusammen. Er holte tief Luft und rief sich die Worte von Metins Onkel ins Gedächtnis zurück.

      »Es ist eine Ehre, für so eine wichtige Aufgabe auserwählt zu werden. Wir müssen noch bleiben, um den Kampf gegen die ungläubigen Schweinefresser weiterzuführen. Du aber musst deine Aufgabe übernehmen, auch wenn du Gewissensbisse hast. Denn es steht geschrieben in der Sure 2, Vers 217, dass es dem Gläubigen vorgeschrieben ist, gegen die Ungläubigen zu kämpfen, selbst wenn er ihm missfällt. Du weißt, wie wichtig deine Aufgabe ist, und welche Belohnung auf dich wartet. Wir beneiden dich!«

      Er kam sich trotzdem entsetzlich allein vor, und hätte etwas Beistand bitter nötig gehabt. Er fragte sich, wie es den anderen wohl erging. Auch sie machten sich gerade auf den Weg.

      Metin,