Eberhard Schiel

Mein Lieber Sohn und Kamerad


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      Stralsund, 31.10.1914

      Lieber Willi!

      Dank, herzlichen Dank für Deinen Brief. Täglich wartete ich auf eine Nachricht von Dir, aber immer noch nichts von Willi. Am 30.X. erhalte ich nun Deinen Brief mit den ersten Schilderungen Deiner Erlebnisse und freue ich mich, daß Du noch immer gesund bist. Max Käding traf am Mittwoch hier ein. Er hat 7 Verwundungen zu gleicher Zeit erhalten. Alle aber nicht lebensgefährlich. Sonnabend wollen wir gemeinsam mit ihm Abendbrot essen und wird er uns von den Kämpfen Deines Regiments erzählen. Von Willi Neels erhielt ich eine Karte aus Noyon, das 100 km vor Paris liegt. Hier liegen unsere 42-er im Schützengraben. Es geht wohl sehr hart zu bei euch da oben am Kanal. Das liest man ja bei uns in der Zeitung, daß die neuen Regimenter sich sehr gut schlagen. Hoffentlich hast Du meinen Brief erhalten und die Zeitungen. Daraus wirst Du ja manches ersehen, was bei uns Neues passierte. Erich Wiechmann erhielt das Eiserne Kreuz. Der Unteroffizier Voigt, der in der Greifswalder Chaussee bei Hennings wohnte, er war Kontorist, kennst Du ja auch, er erhielt auch das Kreuz. Der junge Herr von Vahl, der uns Ostern in Gr. Schoritz noch begrüßte, ist gefallen. Auch unser treues früheres Vorstandsmitglied Herr Gillmann ist im Westen gefallen. Er hinterläßt eine Witwe nach 1-jähriger Ehe. Der Vorsteher des Rotterdamer Seemannsheimes, wo unser lieber Vereinsbruder zuletzt arbeitete, gedenkt in einem herzlichen Nachruf seiner und lobt seine Pflichttreue und Frömmigkeit. Er hätte noch Großes leisten können. Wir aber wollen nicht lange klagen, sondern kämpfen und siegen, wenn Gott es will. Wenn Gott es will, werden wir auch England besiegen. Diese dürren Krämerseelen. Wundern soll`s mich nicht, wenn Frankreich gegen die Abmachung seiner Verbündeten einen Einzelfrieden schließen wird und vielleicht auch noch gegen England kämpfen wird. Die Engländer suchen doch deshalb nur immer wieder neue Freunde, um deren Handel und Wandel zu zerstören. Warum vernichten sie sonst so vieles in Antwerpen, so daß sogar die Belgier protestierten, deren Geschäftshäuser durch ihre Bundesbürger, den Briten, zerstört wurden. Warum beschossen diese Halunken Ostende? Nur zum eigenen Vorteil. Sie gönnen eben auch ihren Verbündeten nichts. Wie anders unser Bündnis mit Österreich. Wir kämpfen gegen gemeinsame Feinde für gemeinsame Ziele und werden durchhalten bis zuletzt. Das zeigt nun auch unsere kleine Besatzung in Ksiangtou. Zwei Forts haben die Japaner nun endlich in ihren habgierigen Händen. Aber mit welchen Verlusten. Sie gehen in die Tausende. Das Wort des tapferen Gouverneurs hat sich auf wunderbare Weise erfüllt: Einstehe für Pflichterfüllung bis zum Äußersten. - Möge jeder Soldat dies seinem Vaterland schwören. Heute Mittag erhielten wir ein Telegramm, daß die diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Rußland abgebrochen sind. Beim Manöver sind die türkischen Schiffe von der russischen Flotte angegriffen worden. Die Russen hatten aber Verluste von zwei Torpedobooten, die Türken keine. Immer mehr Staaten schließen sich dem Weltkrieg an. Und noch mehr werden sich anschließen, denke nur an Aegipten, Persien, Afganistan, Kapkolonie, Indien, China, Amerika usw. Sonst nichts Neues. Nun sei von unsern Vereinsbrüdern und Eltern und Geschwistern herzlichst gegrüßt. O, wie herrlich, wenn ihr mit Blumen geschmückt als Sieger heimkehrt. Doch daran ist ja jetzt noch nicht zu denken. Noch stehen harte Kämpfe bevor.

      Ich gedenke in Liebe Deiner und bleibe

      Dein stets treuer Otto

      VON WILLI PUCHERT (27)

      z.Zt. Bochum, Lazarett ,3. November 1914

      Lieber Otto!

      Jetzt bin ich wieder in Deutschland, im Lazarett Bochum. Viel zu früh ist die Stunde gekommen. Ich mußte zurück. Wie gerne wäre ich draußen geblieben. Aber gegen Gottes Beschluß ist nichts zu machen. Er hat die Wunde gegeben. Er wird sie schnellstens heilen, damit ich wieder hinaus kann, um mich für die Schmerzen zu rächen. Zunächst muß ich hier in Bochum einige Tage bleiben. Dann werde ich mich nach Stralsund überschreiben lassen. Hier in Bochum sind wir großartig aufgenommen worden. Wir kamen in ein neu eingerichtetes Reservelazarett. Zum ersten Mal nach langer Zeit, aber eigentlich ist es ja gar nicht so lange her, seit dem 21.10., habe ich mal wieder in einem Bett geschlafen. Verpflegt werden wir fürstlich. Auf Wiedersehen in vielleicht 8 Tagen. Grüße Herrn Diete, alle Vereinsbrüder und Bekannte. Herzl. Grüße an Deine Eltern und Geschwister.

      Gottbefohlen

      Willy

      VON WILLI PUCHERT (28)

      Lazarett Bochum 5, 4. November 1914

      Lieber Otto!

      Heute habe ich eine liebe Bitte an Dich. In Stralsund sind doch Reserve-Lazarette. Ich denke da an Rühe. Frage doch bitte in einem solchen Lazarett nach, ob dort noch Platz ist. Wenn dies der Fall ist, laße Dir bitte eine Bescheinigung ausstellen darüber. Diese Bescheinigung benötige ich, um von hier nach Stralsund zu kommen. Je eher Du es mir besorgst, desto eher komme ich heim. Sonst muß ich bis zur völligen Genesung hier bleiben. Es gefällt mir hier zwar tadellos, wäre aber lieber zu Hause. Für baldige Erledigung danke ich Dir jetzt schon.

      Gottbefohlen

      Dein Willy

      VON WILLI PUCHERT (29)

      Lazarett Bochum 5, 8. November 1914

      Lieber Freund!

      Mit großer Freude erhielt ich heute die mir gesandten Zeitungen. Es war eine höchstwillkommene Abwechslung, für die ich Dir bestens danke. Hoffentlich gelingt es Dir bald, die Bescheinigung zu erhalten. Daß mein Onkel nach Rußland versetzt ist, war mir etwas Neues. Ernst Ulbrich schrieb mir, daß wieder 260 Kriegsfreiwillige und Verwundete ins Feld gezogen sind. Sind Vereinsbrüder mit? Wo ist Otto Pögler jetzt? Heute war ich endlich mal wieder im Gottesdienst. Der Pastor ist Leiter des Jünglingsvereins. Er hält die abendliche Andacht im Lazarett. Gottbefohlen.

      Dein Willy

      AN OTTO PÖGLER (30)

      Stralsund, 9.11.1914

      Lieber Otto!

      Zurückdenkend an die schönen Tage, die wir durch den Jünglingsverein bei Aufführungen der "Quitzows" sowie auch bei anderen Veranstaltungen erlebt haben, zu gleicher Zeit auch gedenkend, wie oft Du mir mit Rat und Tat in der Fabrik beigestanden hast, wofür ich jetzt noch danke, sende ich Dir herzliche Grüße aus Stralsund. W. Puchert liegt verwundet in Bochum. Er erhielt einen Granatsplitter im linken Oberarm. Alfred Meißner liegt auch schon zu Hause, da er einen Schuß von der Granate in die Seite erhielt. W. Puchert wünscht schnellstens geheilt zu werden, damit er sich für seine Schmerzen rächen kann. Nun herzlichen Gruß. Gottbefohlen.

      Dein Otto Schiel

      AN WILLI PUCHERT (31)

      Stralsund, 9.11.1914

      Lieber Willi,

      Schönen Dank für Deinen am Buß+Bettag erhaltenen Brief. Der Zwist im Verein hat sich schon wieder fast ganz gelegt. Nur fragt es sich, ob der Schütt wieder mit macht. Augenblicklich hat er nämlich ein schlimmes Auge. Raddas mcht nicht mit uns gemeinsame Sache, sondern ist in der anderen Kompagnie geblieben. Kruse und Luther sind jetzt sogar Korporalschaftsführer geworden. Daß K. Schütt einen Freund in der Komp. hatte, glaube ich nicht. Soviel ich weiß, ist auch Lüders nicht in der Jugendwehr. Der einzige Grund über den Kompagniewechsel zu murren, wäre der, daß der Zugführer ein nicht ganz einwandfreier Mensch ist. Daran hat aber keiner gedacht, außer Willi Raddas, und gerade er hat doch am wenigsten Recht, sich darüber aufzuhalten, daß der Zugführer vielleicht etwas zu viel trinkt, oder sich derb militärisch ausdrückt. In der nächsten Sitzung des Vorstands soll Raddas dann endlich gestrichen werden. Vor 1 Jahr saßen wir und übten "Blücher in Teterow", und nur nach einem Jahr, wie anders ist alles gekommen. Am Totenfest werden wir auch wieder Blätter verteilen. Vielleicht wird es Dir nun doch gelingen, nach Stralsund zu kommen. Alfred wird vielleicht bald wieder fort kommen. Er wurde am 31. 10. verwundet. Sie trugen einen verwundeten Unteroffizier aus dem Schützengraben heraus und wurden nun die Zielscheibe für die Schrapnells und Granaten. Sein Kamerad erhielt einen Granatsplitter in den Schädel und stürzte tot hin, während Alfred nur eine leichte Verwundung in der rechten Seite erlitt. Der Unteroffizier aber blieb unbehelligt. Das Frostwetter