Margarithe W. Mann

Ich war ein Kind der DDR


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du laufen willst, kannst du aber nicht mehr zurück in deinen Wagen, deine Schuhe sind dann ganz schmutzig! “. Sie hob mich meistens doch heraus, ich hielt mich links und rechts an der Lenkstange der Karre fest und watschelte genau vor den Füßen meiner Mutter weiter. Manchmal stolperte sie über mich und stöhnte, sicher ging es ihr nicht schnell genug.

      Irgendwann kam das Kindermädchen nicht mehr und ich war viel bei meinen Großeltern in Saalfeld, vorwiegend bei der Oma, denn der Opa war noch vollauf beschäftigt mit seinen Patienten. Ich war sehr gern in Saalfeld bei Oma und Opa, … ich bin nie gern in so eine Kindereinrichtung gegangen. Das war für mich eine äußerst leidige Angelegenheit, an die ich mich nicht gewöhnen konnte und die ich noch heute deutlich vor Augen habe. Wenn ich nicht bei den Großeltern sein durfte oder konnte, dann „schleppte“ man mich eben dort hin. Die einzige „Tante“, die ich in meiner Zwangslage ein wenig mochte und die mir den Aufenthalt dort erträglich machte war die Tante „Mietzi“, vielleicht weil sie ganz oft mit uns gesungen hat. Ich glaube, nur ganz wenige Kinder kennen heute noch das Lied:

      „Hänschen klein, ging allein in die weite Welt hinein,

      Stock und Hut steht ihm gut, er ist Wohlgemut,

      aber Mama weinet sehr,

      hat ja nun kein Hänschen mehr...“

      oder das Kreisspiel:

      „Petersilie, Suppenkraut wächst in unserm Garten,

      Unser Hannchen ist ne Braut, soll nicht länger warten!

      Roter Wein, weißer Wein

      morgen soll die Hochzeit sein“.

      Oder wie wäre es mit:

      „Häschen in der Grube saß und schlief,

      armes Häschen, bist du krank, dass du nicht mehr

      hüpfen kannst?

      Häschen hüpf, Häschen hüpf“.

      Ich weiß nicht mehr, wie die Tante Mietzi mit richtigen Namen hieß, ich erinnere mich nur an eine bunte Strickjacke die sie immer trug. Bestimmt weil ich eben so schrecklich ungern in den Kindergarten ging, war ich auch weiterhin sehr oft krank und mein Opa holte mich zurück nach Saalfeld. Auf einmal war dann die Welt wieder für mich in Ordnung. Es war nie langweilig bei Oma und Opa. Ich weiß noch wie heute, dass eines Tages ein fremder Mann kam, der einen großen Kasten mitbrachte und im Wohnzimmer meiner Großeltern auf einen Schrank stellte. Der Mann beschäftigte sich eine ganze Weile damit und meine Oma stand dabei und sah ihm zu. Auf einmal wurde der geheimnisvolle Kasten vorne ganz hell, es war ein Bild zu sehen und das bewegte sich sogar: Ein Fernseher. Ich habe noch genau die Worte meiner Oma im Ohr, die zu mir sagte: „Schau mal, wie die Manneln umherlaufen, alle nur hinter einem einzigen Ball her, wenn jeder so einen hätte, dann brauchten sie nicht so arg zu laufen!“. Ich war fasziniert, schließlich hatte ich zuvor noch nie so etwas gesehen. Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen und versuchte hinter den Kasten zu schauen, ich konnte mir nicht erklären, wie diese Manneln, wie sie meine Oma nannte, in den Kasten hinein gekommen waren. Der Mann, der diese tolle Sache mitgebracht hatte lächelte auf mich herab und meine Oma begleitete ihn zurück zur Tür. Bestimmt hat sie auch über diesen Kasten gestaunt, denn sie hielt noch immer den großen Kochlöffel aus Holz in der Hand und eilte damit zurück in die Küche. Die Manneln, wie sie meine Oma bezeichnete waren Fußballspieler. Obwohl eben diese Fußballer das erste war, was ich in meinem Leben im Fernsehen gesehen hatte, blieb das Thema Fußball bis heute für mich so ziemlich das langweiligste was es im Leben überhaupt gibt. Aber dafür besaß meine Oma in der Küche etwas, womit ich am liebsten den ganzen Tag zugebracht hätte: Ein richtiges, echtes, großes Huhn. Ihr glaubt das nicht? Wenn ich es euch doch sage, ihr könnt es mir ruhig glauben, es war tatsächlich so. Es war groß, dick und braun und saß in einem richtigen Nest aus Stroh unter der Abwäsche. Früher, also zu meiner Kinderzeit gab es noch keine Anbauküchen, so wie sie heute modern sind, na und Geschirrspüler schon garnicht. Alle Schränke standen einzeln, sie waren nicht miteinander verbunden. Es gab einen großen Küchenschrank, einen Herd und einen Kühlschrank. Dieser hatte nur ein ganz winzig kleines Gefrierfach wo vielleicht gerade einmal ein Eis darin platz gefunden hätte. Einen Gefrierschrank kannten wir zu der Zeit noch nicht und ich ließ mir sagen, dass damals nicht einmal alle Leute in Besitz eines Kühlschrankes waren. Ich erinnere mich aber daran, dass der Kühlschrank mit einem Schlüssel abgeschlossen werden konnte. Neben dem Kühlschrank befand sich die eben genannte Abwäsche. Ihr wisst nicht, was das ist? Heute sagt man Spüle dazu, nur dass diese beiden Spülbecken nicht verkleidet waren und dadurch der Blick auf die Abflussrohre freigegeben wurde. An so etwas wie einen Geschirrspüler dachte wie schon gesagt zu dieser Zeit noch niemand. Mein Opa ließ von einem Handwerker ein Schränkchen mit zwei Vordertüren um diese Abwäsche bauen, … und in diesem Schränkchen wohnte das dicke Huhn, eine Glucke. Ich fand das genial, damals als Kind. Meine Oma legte Eier in das Strohnest, damit die Glucke Küken daraus machen sollte, … so jedenfalls waren meine kindlichen Gedankengänge. Ich war natürlich sehr neugierig und machte dauernd die Türen des Schränkchens auf, um zu sehen, ob die Küken schon da sind. Meine Oma meckerte dann immer und sagte, dass die Glucke gestört wird, wenn ich dauernd den Schrank auf und zu mache, aber ich musste doch sehen, was das Huhn den ganzen Tag da macht. Sobald meine Großmutter die Küche verließ, ging ich sofort zum Schränkchen zurück, öffnete die Türen und schaute nach. Aber die dumme Glucke gackerte jedesmal ganz laut und verriet dadurch mich und meine Neugier. Meine Oma kam dann sogleich herbei geeilt, ich machte schnell die Tür wieder zu und versuchte an den Luftlöchern an der Seite des kleinen Stalles etwas zu erkennen. Endlich war es soweit, eines Morgens hüpften piepsende, allerliebste kleine gelbe Bälle im Nest umher. Nach ein paar Tagen wurde mein Onkel Josef damit beauftragt, die ganze Hühnerfamilie nach unten in den Hof zu bringen.

      In diesen Jahren stand, so wie bei meinen Großeltern auch, in den meisten Haushalten ein Sofa in der Küche. Die Küchen waren meist geräumig und fungierten als Wohnraum, wo sich so gut wie das ganze Familienleben abspielte, man bezeichnete es allgemein als Wohnküche. Im Wohnzimmer, in der so genannten „guten Stube“ hielt man sich seltener auf, meist war das nur zu Feierlichkeiten. Erst später, als es Den Fernseher in den meisten Familien gab, „zog“ man dann am Abend von der Wohnküche ins Wohnzimmer. Natürlich gab es auch noch keine moderne Heizung an der Wand oder gar im Fußboden. Ein Kohleherd musste angefeuert werden, wie man das nannte, damit es schön warm war in der kalten Jahreszeit. Man konnte auch sehr gut das Essen darauf warm stellen, zudem befand sich immer eine Kanne mit Malzkaffee auf der hinteren Seite des Ofens. Lange vor meiner Zeit wurde ausschließlich auf dieser Ofenplatte gekocht, aber nun gab es bereits dafür einen Gasherd neben diesem Ofen. Diese Kombination von Gasherd und Kohleherd war, so finde ich, eine geschickte Sache. Heute vermisst so mancher den alten Ofen nicht nur wegen der Kartoffeldetscher, die eben nur schmecken, wenn sie auf der guten alten Ofenplatte gebacken werden. Unter dem Kohleofen waren zwei Schubfächer, in einem davon lagen die Kohlen und in dem anderen das Holz, um das Feuer in Gang zu bekommen. Später nahm mein Opa ein Schubfach heraus und so bekam der schwarzbraune Kurzhaardackel Seppl seine Unterkunft. Links neben der Küchentür war ein altes kleines Ausgussbecken aus Emaille. Das benötigte man, als es vor meiner Zeit noch ganz alte Abwäschen gab, die noch keine Becken hatten, in die man zum Reinigen des Geschirrs das Wasser einlassen und dann danach wieder ablassen konnte. Das Geschirr wurde in Schüsseln abgewaschen. Dazu gab es Schränke mit zwei großen Schüsseln zum Einhängen. Ähnlich wie bei einer Besteckschublade zog man sie heraus, füllte die eine mit heißem Wasser und nutzte die zweite Schüssel zum Ablegen für das gesäuberte Geschirr. Es waren jene Jahre, in denen es auch noch keine Wasserboiler gab, die mit Hilfe des elektrischen Stromes heißes Wasser produzieren konnten. Das Wasser, auch zum Waschen, musste in großen Töpfen auf dem Kohleherd erhitzt werden, denn in den meisten Wohnungen gab es noch kein Badezimmer und nicht selten war die Toilette im Flur, eine Etage tiefer oder auf dem Hof.

      Dieses kleine, eben genannte Ausgussbecken wurde von den Großeltern nicht entfernt, weil es zum Beispiel noch gute Dienste leistete, wenn man die Kartoffeln abgießen wollte, … oder einfach, um sich schnell einmal die Hände zu waschen. Neben der Küche war eine Speisekammer, alle Lebensmittel, die nicht unbedingt im Kühlschrank aufbewahrt werden mussten, konnten dort gelagert werden. Ich weiß noch, dass es