Inge Elsing-Fitzinger

Ein Leben für den Wein


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strategisch als auch kommerziell genutzt. Auf Treppelwegen zogen Pferde die Schiffe mit römischen Soldaten und Kriegsgütern donauaufwärts. Man baute das Lager Favianis (Mautern) auf einer leicht erhöhten Flussterrasse, um vor plötzlichen einbrechenden Wassermassen geschützt zu sein. Reste alter Wachtürme in Rossatzbach und Arnsdorf geben Zeugnis davon.

      Die Marille, ein Markenzeichen der Wachau, soll schon vor dieser Zeit auf dem Donauweg in die Wachau gekommen sein.

      Um 430 n. Chr. zogen die Hunnen durchs Donautal. Viel Elend blieb in der Wachau zurück. Ein frommer Mönch, der heilige Severin, kam im Jahr 455 in diese Gegend und linderte die große Not. Er gründete ein Kloster und übernahm in diplomatischer Mission die Vorbereitungen für den geordneten Abzug der Römer. Bis zu seinem Tod 482 lebte er in Favianis, dem heutigen Mautern. Die „Vita Severini“ von Eugippius legt ein schriftliches Zeugnis vom Wein- und Obstbau in der Wachau dar.

      Nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft zogen die Avaren raubend und plündernd durch die Lande. Auch Slawen bevölkerten diesen Landstrich. Viele Ortsnamen erinnern heute noch daran: Jauerling, Kollmütz, Seiberer usw.

      Die Bedeutung der Schifffahrt in der Karolingerzeit lässt sich daran ermessen, dass Karl der Große (er drängte 791 die Avaren bis zum Wienerwald zurück) plante, im Jahr 793 einen Rhein- Main- Donau- Kanal zu bauen. Seine Ingenieure waren dieser Aufgabe jedoch noch nicht gewachsen.

      Im 11. und 12. Jh. nahmen adelige Herren aus den Bajuwarischen Regionen und zahlreiche Klöster die Donauregion unter ihren „Schutz“. In Pöchlarn hielt Markgraf Rüdiger von Bechelaren Hof. Der Rugenkönig Feva residierte in Chremisa, unserem heutigen Krems und dehnte seinen Einfluss bis nach Favianis (Mautern) aus. Mit großem Fleiß und Wissen förderten diese Herren den Weinbau und legten letztendlich den Grundstein für das kostbare Erbe, den Haupterwerbszweig der hiesigen Bevölkerung.

      Noch heute bezeugen dies zahlreiche Lese- und Zehenthöfe aus gotischer Zeit, jedoch großteils aus Renaissance und Barock, umgebaut oder neu errichtet. Jeder dieser Höfe, ein architekturgeschichtliches Charakteristikum der Wachau, ist ganz individuell gestaltet: Ein einfaches Gebäude inmitten der Ortschaft (der Melkerhof in Wösendorf), oder er beherrschte die Orte (der Florianihof in Wösendorf, der Prandtauerhof in Joching), oder aber schlossgleich, wie der Erlahof in Spitz.

      Generationen von Winzern modelten in der Fron der Klöster ganze Berge um. Anonyme Schöpfer der trocken geschichteten Bruchsteinmauern hinterließen ein Tal voller Stufen und Hügeln. Eine Notwendigkeit. Der Boden wäre ohne diese Terrassen ins Tal gerutscht.

      Viele Prüfungen hatte das Land zu bestehen. Die Wirren der Völkerwanderung, den Dreißigjährigen Krieg, die Klimaverschlechterung im 17. und 18. Jahrhundert.

      Der Westfälische Frieden am 24. Oktober 1648, beendete die Schreckensperiode und brachte den protestantischen Mächten bedeutende Gewinne.

      Die Habsburger blieben im Besitz der Kaiserwürde. Die österreich- habsburgischen Länder wurden wieder zur „Casa Austria“, dem Haus Österreich.

      Mit dem Niedergang des Lehnswesens begann der Aufstieg der Söldnertruppen. Soldaten, die für Löhnung Kriegsdienst leisteten. Sie kämpften nicht aus Überzeugung, nur für guten Sold. Die Besoldung erfolgte in Form von Geld oder Beute. Plünderungen waren an der Tagesordnung.

      Familiengeschichte

      Im Allgäu lebte die rechtschaffene Familie Notz, die mit ihrer Hände Arbeit Haus und Hof bestellte. Sie hatten vier Töchter und zwei stattliche Söhne. Jonathan der Erstgeborene, ein leidenschaftlicher Bauer, ging den Eltern sehr zur Hand. Martin hingegen, war ein wissenshungriger Bursche, ein Phantast. Schon in jüngsten Jahren zog es ihn hin zum Pfarrhaus und zu den wunderschönen Büchern, die er mit Hilfe der geistlichen Herren binnen kurzer Zeit zu lesen vermochte. Bald war er auch des Schreibens mächtig.

      Während die übrige Familie tagaus, tagein ums Überleben kämpfte, Wälder rodete, Äcker bebaute, sich um das Vieh kümmerte, schmökerte der Jüngling in dicken Wälzern, die ihm Hochwürden willig borgte. Er träumte von der großen weiten Welt.

      Als die Schweden durch die Lande tobten, verließ Martin Notz den elterlichen Hof und kämpfte für die Gerechtigkeit. Immer weiter trieb es den Burschen Richtung Osten. Über Ulm bis nach Passau. Um den feindlichen Truppen zu entkommen, flüchtete er sich nachts in Klöster. Die frommen Mönche rieten ihm weiter zu ziehen nach Österreich, wohin er sich frierend und bettelnd durchschlug. Die Hoffnungslosigkeit des Kriegführens entmutigte ihn bisweilen, auch die kämpfenden Truppen holten ihn ein.

      Söldnerscharen überrollten das Waldviertel bis hinunter zur Stadt Krems. Mittendrin Martin, der als Taglöhner, Spitzel und Kundschafter sein Bestes gab, den Überlebenskampf zu gewinnen. So gelangte er in die Donauregion.

       Martin Notz, 1640 (Urkundlich nachgewiesen in einem Pfarrbrief aus Rossatz)

      Es war eine sternenklare Vollmondnacht. Das Grölen der Soldaten, die beängstigende Orgie, die Vergewaltigungen unschuldiger Mädchen waren vorüber. Nun lagen die Landser trunken und erschöpft auf verdreckten Kotzen. Die hässlichen Sprüche der sinnlos besoffenen Meute hallten noch in Martins Ohren, als er sich zum Donauufer schlich. Ein Wachposten lehnte völlig trunken an dem schmalen Wall der zur Brücke führte.

      Trotz klirrender Kälte zog er die schweren Stiefel aus, band alte Lumpen um die Füße und steuerte den schweren Holzschwielen zu, die ihn, so hoffte er inständig, ans andere Ufer bringen mögen. Tagsüber rollten Rossfuhrwerke über diese Brücke aus massivem Holz.

      Zwei Stunden später stand er leichten Herzens auf der anderen Seite des gewaltigen Stroms und suchte Unterschlupf in einer Scheune. Am nächsten Morgen schulterte Martin seine kargen Habseligkeiten und marschierte stromaufwärts, bis er eine kleine Ansiedlung erreichte. Ein bescheidenes Kirchlein, ein paar verstreute Bauernhäuser mit wohl bestellten Wein- und Obstgärten. Und wieder war es der Pfarrer, dem er als Ersten gegenüberstand. Etwas unbeholfen stellte er sich vor, schilderte in abgehackten Worten seine Lebensgeschichte und die grauenvollen Erlebnisse seiner Flucht, inständig hoffend auf Verständnis und Hilfe. Kurz entschlossen reichte ihm der fromme Mann freundschaftlich die Hand.

      Auf dieser Seite der Donau schien die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Der Gemeindevorsteher hatte ein wohl bestelltes Bauernhaus, einige Kühe und Schweine. Hühner und Gänse gaggerten am Hof, als er am nächsten Tag in Begleitung seines neuen Schutzherrn das Anwesen betrat. Ein prächtiger, viereckiger Misthaufen zierte den Bauernhof, auf dem ein stolzer Hahn zum Morgenappell krähte. Schwalben nisteten im Gebälk der Ställe, flitzten den Kühen um die Ohren. Vor dem großen Eingangstor stand eine stattliche Linde, die den müden, vom Weingarten kommenden Arbeitern wohligen Schatten spendete. Es waren Menschen, die hart zu arbeiten wussten, die sich nicht leicht irgendwelchen Zwängen unterordneten, die sich mit den Unbilden der Natur und der Obrigkeit auseinandersetzten und ihre besondere Würde hatten.

      Die Großmutter hieß die Neuankömmlinge eintreten, stellte einen Krug Milch auf den Tisch und legte einen großen Leib Brot dazu. Sogar ein Stück Speck zauberte sie hervor. Kurz darauf betrat der Hausherr die freundliche Stube. Der Pfarrer schilderte in wenigen Worten die Situation. Eine kleine Notlüge würde ihm der Herrgott sicher verzeihen, betete er innständig. Martin wurde als Gast willkommen geheißen. Wenig später teilte ihm der Hausherr bereits jede Menge Arbeit zu, die er mit Freuden bewerkstelligte.

      Die Tochter des Hauses, ein bezauberndes Geschöpf, ermutigte den hübschen Burschen anfangs zwar eher schüchtern, später wesentlich offenherziger, sich ihr nicht nur kameradschaftlich zu nähern. Es dauerte kaum ein Jahr, bis Martin die holde Maid zum Altar führen durfte.

      Da im Pfarrhaus zu wenig Platz war, wurde im Haus des Vorstehers ein Klassenzimmer eingerichtet, in dem Martin die Dorfjugend anfänglich zweimal pro Woche lesen und schreiben lehrte. Die erste Schule war gegründet.

      Bald zählte Martin zu den angesehenen Leuten im Dorf, neben dem Schmied und dem Bader, der ein Bruder des Vorstehers war. Dieser wusch und knetete seine Kunden, schor ihnen die Haare oder ließ sie zur Ader. Ihm