Matthias M. Rauh

Die vom Tod verschmähte Katze


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Kapitel 53 - Zorn, Teil II

       Kapitel 54 - Miss Bridget

       Kapitel 55 - Das gespenstische Zeichen

       Kapitel 56 - Aus, der Traum...

       Kapitel 57 - Otto, der Schauspieler

       Kapitel 58 - Streunekatze

       Kapitel 59 - Die Abrechnung

       Kapitel 60 - Vagabunden, die fliegen

       Kapitel 61 - Gefährliche Irrwege

       Kapitel 62 - Der tote Soldat

       Kapitel 63 - Ein untrennbarer Bund

       Kapitel 64 - Das Geheimnis des Nebelgeists

       Kapitel 65 - Der tickende Grabstein

       Kapitel 66 - Sparky

       Epilog - Liebe

       Impressum neobooks

      Prolog - Das geheime Buch des Todes

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      Die kleine Katze bewegte sich nicht mehr. Sie war beim Überqueren der Straße ein wenig zu unvorsichtig gewesen und augenblicklich getötet worden. Nun lag sie da, verendet auf dem nackten Asphalt, leblos und still.

      Der Tod hatte alles mitangesehen - mehr noch, er hatte ihr Ende soeben mutwillig herbeigeführt. Aus dem Leben gerissen, wie man sagt, einfach so, kommentarlos und ohne jegliche Gewissensbisse. Zufrieden senkte er seine blitzende Sense und betrachtete sein jüngstes Werk.

      Dem Tod machte der Anblick des verendeten Tiers nichts aus. Er zuckte nicht einmal mit den Augenbrauen, was vor allem daran lag, dass er gar keine Augenbrauen besaß. Keine Träne war jemals über sein kahles Knochengesicht geronnen, kein noch so flüchtiger Gedanke an Mitleid je in ihm aufgekommen.

      Warum auch? Es spielte einfach keine Rolle für ihn, denn er war ja schließlich der Tod. Mitleid und Trauer waren rein menschliche Gefühlsregungen, die ihm - einer dem irdischen Leben übergeordneten Persönlichkeit - nichts anhaben konnten.

      Der Tod verschwendete keinen Gedanken an derartige Dinge, vielmehr noch: Er hatte noch nie in seinem Leben, Verzeihung, in seinem Dasein Bekanntschaft mit einem ominösen Etwas gemacht, das der Bezeichnung Gedanke auch nur annähernd entsprochen hätte. In seinem Schädel herrschte eher etwas, das man vielleicht besser mit dem Wort Instinkt umschreiben sollte. Wobei dieses geradezu erbärmliche Wort auch schon wieder viel zu irdisch war, um ihm, dem Endgültigen, auch nur annähernd gerecht zu werden.

      Der Tod war nunmal kein Wesen, sondern eher wie eine seelenlose Maschine. Er führte Befehle aus, nichts weiter. Und wenn die Katze gedacht hatte, ihr stünden die sagenumwobenen Sieben Leben zur Verfügung, so hatte sie sich eben getäuscht.

      Vor dem Tod sind alle gleich, pflegten die Menschen immer zu sagen - und das stimmte sogar, auch wenn sie mit ihren kümmerlichen Gehirnen sonst kaum erwähnenswerte Erkenntnisse zu Tage förderten. Aus ihrer Sicht schien der Tod die einzig gerechte Konstante im Universum zu sein. Niemand konnte ihm entkommen, und niemand konnte sich von ihm freikaufen. Er duldete nämlich keine Diskussionen über sein Handeln. Und wer seiner Sense zu nahe kam, der war des Diskutierens ohnehin schnell überdrüssig. Ausnahmen gab es nicht. Für niemanden. Schon gar nicht für eine ganz beliebige Katze, die noch nicht einmal die Spur eines schwarzen Fells besaß.

       Sieben Leben haben nur deine schwarzen Artgenossen, verdammte Katze, versuchte der Tod seine Erbarmungslosigkeit zu unterstreichen. Er spielte dabei auf einen Irrglauben an, dem die Menschheit schon seit vielen Jahrhunderten erlegen war. Katze und Katze war eben doch nicht dasselbe.

       Nur die schwarzen Katzen, mein Freund...

      Doch wie er da am Wegesrand stand und sah, wie eines dieser seltsamen Wesen bedenkenlos von einer mannshohen Mauer sprang, da musste sich der Tod eingestehen, dass sein Handeln in Sachen Schwarze Katzen eigentlich nicht konsequent genug war, um dem Bild des Erbarmungslosen gerecht zu werden.

      Es stimmte nämlich: Diese Biester genossen den unverschämten Luxus von sieben Leben. Sieben verdammte Katzenleben. Warum dies so war, das wusste der Tod selbst nicht. Er hatte einfach nie näher darüber nachgedacht. Aber je weiter er sich nun in die Niederungen menschlicher Gedankenspiele herabließ, desto mehr kam er zu dem Schluss, dass sieben Leben doch so etwas wie eine Ausnahme darstellten.

      Wäre eine schwarze Katze über die Straße gelaufen, hätte er sie zunächst einmal verschont, so lautete eben der Befehl. Gehandelt hätte er erst, wenn er sich sicher gewesen wäre, dass ihr Konto mit den berühmten Sieben Leben auch wirklich überzogen war. Er hätte das überprüft - mit einem kurzen Blick in sein Notizbuch. Er musste dazu nur die Zeit anhalten und sie bei Bedarf zurückdrehen. Schließlich konnte dann noch immer vollstreckt werden, in aller Ruhe - ein wahrer Klacks, wenn man der Endgültige war.

      Mit der Knochenhand griff der Tod in die Nebelschwaden seines Umhangs und fühlte den eiskalten Einband seines kleinen Geheimnisses. Dabei zog er dieses Buch nicht besonders gern aus seinem Umhang. Ja, er drehte sich dabei sogar immer um, obwohl er ja wusste, dass ihn niemand beobachten konnte. Aber ein Blick in dieses Notizbuch bedeutete nunmal, dass er sich unsicher war, dass er sich gar getäuscht haben konnte, ausgerechnet er, den man den Unfehlbaren nannte.

      Der Tod rechtfertigte den Gebrauch dieses Buchs immer mit der Tatsache, dass es sich dabei ja um kein von Menschenhand geschaffenes Werk handelte. Sich einem menschlichen Gegenstand zu unterwerfen, hätte seine Autorität in jeder Hinsicht untergraben. Das Buch mit den Leben aller schwarzen Katzen aber war überirdisch, ganz und gar unmenschlich und für Sterbliche außerdem unsichtbar. Es existierte nicht einmal für sie. Und wie bitteschön konnte es eine Schande sein, sich einem Gegenstand anzuvertrauen, der nicht existierte?

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      Heimlich zog er es aus den Schleiern seines unergründlichen Umhangs. Da war das geheimnisvolle Ding - tiefschwarz und eiskalt, so kalt, dass selbst das Weltall in seiner Gegenwart erfroren wäre. Und wenn man es öffnete, dann stieß es einen derart furchteinflößenden Katzenschrei aus, dass sogar der Tod hätte erzittern müssen, wenn er sich denn jemals einer derart jämmerlichen Gefühlsregung...

      Na ja, lassen wir das besser.

      Jedenfalls bestanden die Seiten dieses Buchs nicht einfach aus Papier, sondern aus handgeschöpftem Nebel. Und selbstverständlich waren sie nicht mit Tinte, sondern mit einem merkwürdigen Etwas beschrieben, das besonders dumme Menschen vielleicht mit dem Wort Gedanke bezeichnet hätten. Zudem war es klein und handlich, gleichzeitig aber auch unendlich groß. Je länger man nämlich