Dietrich Novak

Götzenbild


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Als Mia von Ninas Tod erfuhr, wurde sie schneeweiß im Gesicht.

      »Wie schrecklich, ich habe ihr immer gesagt, sie soll nicht auf dem dunklen Parkplatz ihren Wagen abstellen, wenn sie Spätschicht hatte.«

      »Wie kommen Sie darauf, dass ihr dort etwas zugestoßen sein könnte? Haben Sie vielleicht noch tagelang den Pkw dort stehen sehn?«

      »Nein, ich selbst habe keinen Wagen. Vorne ist ja gleich die U-Bahn und …«

      »Und auf dem Parkplatz einmal nachzusehen, sind Sie nicht auf die Idee gekommen?«

      »Nein, als Nina nicht mehr zur Arbeit kam, ging ich davon aus, sie habe etwas Besseres gefunden. Ein Traumjob ist das nicht gerade … und der ständige Druck …«

      »Hatte Frau Feist Kontakt mit einem der männlichen Kollegen?«

      »Eher nicht. Sie hat einmal mir gegenüber geäußert, dass sie keinen von denen ausstehen könne, weil wohl keiner ehrlich sei.«

      »Hat sich trotzdem einer um sie bemüht, auch wenn er nicht erhört wurde?«

      »Nein, davon hat sie nie etwas gesagt, und mir ist auch nichts aufgefallen.«

      »Aber von dem Anrufer, der sie immer wieder belästigte, hatten Sie Kenntnis?«

      »Ach Gott, diese Typen gibt es immer wieder, die ein Callcenter mit einer dieser Nummer verwechseln … ich meine, wo Frauen … na ja, und der hat auch etwas von angenehmer Stimme gefaselt … so was darf man gar nicht ernst nehmen.«

      »Aber Frau Feist hat doch richtig Ärger deswegen bekommen …«

      »Ja, sie war nicht entschlossen genug und ist immer wieder darauf eingegangen. Erst als ihr die Abmahnung drohte, hat sie das Gespräch immer gleich unterbrochen.«

      »Das heißt, der Mann hat bis zum Schluss nicht aufgegeben?«

      »Ja, das war ein besonders Hartnäckiger.«

      »Ist Ihnen sonst etwas aufgefallen? Besonders am letzten Tag, den Nina Feist anwesend war?«

      »Nein, wir sind uns gar nicht begegnet. Ich hatte Frühdienst und sie Spätschicht. Dazwischen gibt es noch eine Mittelschicht.«

      »Danke erst mal, falls Ihnen noch etwas einfällt, hier ist meine Karte«, sagte Hinnerk.

      Plötzlich stand Sven Möller im Raum. »Wenn Sie dann fertig sind, gehen Sie bitte wieder an Ihren Platz«, sagte er zu Mia. »Und Sie meine Herren, trinken Sie doch derweil einen Kaffee. Die Liste kommt gleich. Einen schönen Tag noch.«

      »Du mich auch«, sagte Lars, als Möller draußen war. Damit sprach er nur Hinnerks Gedanken aus.

      Nachdem sie die Liste erhalten und zuvor jeweils drei Tassen Kaffee getrunken hatten, gingen beide zu dem bewussten Parkplatz. Ein Pkw fiel besonders auf, ein gebrauchter, dunkelblauer Ford Mondeo, der besonders schmutzig war.

      Hinnerk zückte sein Handy. »Ja, Hinnerk Lange hier. Ich brauche bitte eine Kennzeichenüberprüfung … ein blauer Ford Mondeo mit dem Berliner Kennzeichen … ja, ich warte.«

      Kurz darauf erhielt er Antwort. »Die Halterin heißt Nina Feist? Ja, das dachte ich mir. Danke, Kollege.« Hinnerk drückte das Gespräch weg und wählte sofort neu. »Lange hier, schickt bitte die KTU zu einem Parkplatz in der Rollbergstraße Nummer … ja, wir haben das Fahrzeug eines Mordopfers gefunden.«

      »Was versprichst du dir davon?«, fragte Lars, als Hinnerk das Gespräch beendet hatte. »Nach so langer Zeit wird es wohl kaum noch Spuren geben bei dem Kommen und Gehen.«

      »Das kann man nie wissen. Das Fahrzeug muss ohnehin gründlich untersucht werden. Womöglich hat der Täter darin gesessen.«

      »Ja, klar …«

      »Ich gehe mal schnell pinkeln … der viele Kaffee … und wenn die KTU hier ist, geht es ab ins Präsidium. Bin schon ganz gespannt auf die Auswertung der Liste. Vielleicht ist der Anrufer unser Täter. Zumindest hat er gewusst, wo Nina Feist gearbeitet hat.«

      Die Suche mithilfe der Leichenspürhunde im Volkspark Friedrichshain war ergebnislos verlaufen. Entweder der Täter hatte die Beine des Opfers woanders deponiert oder behalten.

      Marlies wertete mit Eifer die Telefonliste des Callcenters aus. Dabei interessierte sie zunächst weniger, wen Nina Feist angerufen hatte, als wer sich mit ihrem Platz hatte verbinden lassen. Und da gab es tatsächlich eine Festnetznummer, die insgesamt zehnmal auftauchte. Es stellte sich heraus, dass sie zu einem Jörn Ritter gehörte.

      »Oh, oh, ich ahne Schlimmes«, sagte Valerie. »Jemand der so offensichtlich über das Festnetz telefoniert, und nicht über einen schlecht nachzuvollziehenden Handyprovider, ist entweder besonders dreist oder hat tatsächlich nichts zu verbergen. Ich werde dem Knaben mal einen Besuch abstatten. Bis später.«

      Draußen auf dem Flur begegnete Valerie die neue Staatsanwältin, Ingrid Lindblom. Eine attraktive Blondine, die im Gegensatz zu Valerie sehr weiblich gekleidet war. Ihre Blicke taxierten Valerie mit ihrem knappen T-Shirt und den engen Jeans eingehend, und Valerie glaubte, darin ein gewisses Interesse festzustellen.

      »Gut, dass ich Sie treffe. Ist Herr Lange im Büro oder außer Haus?«, fragte sie kühl.

      »Eben war er noch da.«

      Warum sagt sie nicht Ihr Mann? dachte Valerie. Und diese Augen durchbohren mich ja förmlich. Aber attraktiv ist die Dame, das muss man ihr lassen, sehr sogar …

      Wenig später, als Valerie längst unterwegs war, saß Hinnerk Ingrid Lindblom in ihrem Büro gegenüber.

      »Sie haben eine Anzeige wegen Nötigung erhalten«, kam sie direkt auf den Punkt. »Es macht sich nicht so gut, wenn ein Hauptkommissar Selbstjustiz verübt …«

      »Das hört sich ja an, als hätte ich den Dreckskerl umgebracht«, sagte Hinnerk. »Er hat mich zuerst beleidigt, bevor ich ihn daran gehindert habe, weiterzufahren. So sieht es aus. Die bilden sich doch ein, weil sie schneller sind, könnten sie sich alles erlauben. Es wird verdammt noch mal Zeit, dass Fahrräder auch Nummernschilder erhalten.«

      »Kümmern Sie sich jetzt um die Aufgaben des Ordnungsamtes? Der Streit fing doch an, als Sie sich beschwert haben, dass er auf dem Bürgersteig fuhr.«

      »Richtig, der Radweg war nämlich direkt daneben. Und weil diese Typen kein Unrechtsbewusstsein haben und denken, sie könnten sich alles erlauben, hat er mich noch unflätig beschimpft. Fick dich ist ja schon fast alltäglich geworden, aber ich lasse mich nicht ungestraft als Hurensohn bezeichnen.«

      »Bleibt die Tatsache, dass sie den Mann festgehalten und an der Weiterfahrt gehindert haben. Für ihn erfüllt das den Tatbestand der Nötigung.«

      »Was blieb mir denn anderes übrig als ihn aufzuhalten? Schließlich wollte ich seine Personalien aufnehmen. Dazu habe ich als Polizeibeamter ein Recht. Der wäre doch glatt weitergerast und hätte mir noch den Stinkefinger gezeigt.«

      »Wäre … hätte … beides eher ungebräuchliche Vokabeln für einen Mann in Ihrer Position …«

      »Sie mögen ja eine ausgezeichnete Staatsanwältin sein, aber Sie haben sich den falschen Angeklagten ausgesucht.«

      »Ich klage Sie nicht an, schließlich sind wir hier nicht bei Gericht. Ich habe Sie nur kommen lassen, um aus Ihrem Munde den Vorfall geschildert zu bekommen. Weiterhin möchte ich Sie bitten, künftig Ihr Temperament etwas zu zügeln.«

      »Wenn ich sehe, wie hier der Bock zum Gärtner gemacht wird … kann ich das nicht versprechen.«

      »Sehen Sie, genau das meine ich. Statt vernünftig zu argumentieren, brausen Sie unangemessen auf … haben Sie private Probleme, ist Ihre Ehe nicht glücklich?«

      »Das geht Sie mit Verlaub einen Sch … an. Für mich ist das Gespräch jetzt beendet, Frau Staatsanwältin. Tun Sie Ihre Pflicht und brummen mir eine Ordnungsstrafe auf oder lassen mich vom Dienst suspendieren …«

      »Seien