Klaus Werner Hennig

Romeo und Julia in Jerusalem


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      Ihr Cousin Achmed und eine Frau mit Kinderwagen, zwischen dessen Achsen in einem Drahtkorb eine große Einkaufstasche sich befand, kamen auf sie zu. In dem Wagen aber lag eine Puppe. Die fremde Frau blickte streng, vertauschte blitzschnell die Puppe mit dem Baby und fuhr mit Gaidhas Kinderwagen, ohne ein Wort zu sagen, davon. Achmed beugte sich, als wollte er das Kleinkind liebkosen, flüsterte dabei verschwörerisch:

      „Den Roten hier im äußersten Notfall, sofort explodiert alles. Beim Grünen hast du zwanzig Sekunden, genau zwanzig Sekunden. Im Namen Allahs, des Allerbarmers ...“ Bevor Gaidha erwidern konnte, war ihr Cousin im Gedränge verschwunden.

      Beim Schieben spürte sie die ungewohnte Last. Ich muss wahnsinnig sein, dachte sie. Der Kleine war aufgewacht, lächelte die Mutter an. Am Eingang des Kaufhauses schritt ein junger Mann des bewaffneten Wachschutzes auf sie zu. Da fing das Baby an zu greinen. Der Mann blieb stehen, sah auf das Kleinkind, lächelte, da lächelte es ebenfalls. Er selbst sei Vater geworden, gestern erst. Er lachte träumerisch versonnen. Gaidha atmete auf, hatte nach dem roten Schalter getastet, aber Lob sei Allah, nichts geschah.

      Linker Hand die Toiletten, das Piktogramm für den Wickelraum. Eine Frau mit einem Wischmopp davor. Die Eingangshalle – verschwenderisch prangend. Eine Glaskuppel über den Luxus gewölbt. In den Etagen der Strom der Käufer, gläserne Fahrstühle, Rolltreppen, auf- und abwärts gleitend. Gaidha setzte sich auf eine Bank, streichelte zärtlich den Kleinen und betete: Leite uns den rechten Pfad, den Pfad derer, denen du gnädig bist.

      Sie konnte an nichts mehr denken, nahm das Kind aus dem Wagen, wähnte sich von abertausend Augen beobachtet, schweißnass am Körper, tastete die Schalteinrichtung, war versucht, den roten Knopf zu drücken, dann wäre endlich Schluss, aus und vorbei, doch ihr Kind sollte leben, bloß war das ein Leben? Entschlossen drückt sie den grünen, beginnt von zwanzig rückwärts zu zählen, hält ihr Baby fest in den Armen, ihre Beine sind wie gelähmt. Da ist sie bei elf, als sie sich aufrafft, zum Wickelraum eilt. Die Toilettenfrau hält die Tür bereitwillig auf. Gaidha kauert sich ins äußerste Eck, beugt sich schützend über ihr Kind, als läge es geborgen im Mutterleib. Da kracht die gewaltige Detonation.Verzweifelt schreit Gaidha: „Rache für Seitun!“

      Die Explosion hat die Tür eingedrückt. Die Luft voll Staub, der Spiegel gesprungen, die Scheiben, trotz geöffneter Fenster, zerborsten. Gaidha hielt ihr Baby, das jetzt fürchterlich schrie, fest an sich gepresst. Die Toilettenfrau lag auf dem Boden, über ihr eine Blutspur an der Kachelwand. Die Halle – ein einziger Scherbenhaufen. Gaidha betete die erste Sure, zählte von zwanzig rückwärts, dann gellte aus ihr: Rache für Seitun! Da lag der junge Mann vom Sicherheitsdienst, ein Glasteil ragte spitz aus seinem Genick. Rache für Seitun! Sie sah das nicht. Tappte blindlings zum Ausgang hin. Um sie herum schrieen und flohen die Menschen. Sirenen heulten. Jemand berührte sie. Ihr Cousin führte sie zu einem Automobil, Ambulanzfahrzeuge rasten kreuz die quer. Sie trafen die fremde Frau mit Gaidhas Kinderwagen.

      Der Cousin fuhr mit Gaidha und dem Baby im Bus. Ihre Mutter, ohnmächtig vor Angst, fiel ihnen vor die Füße. Azrail, der Engel des Todes, nahm sie mit sich fort. Gaidha versteinert, spult immer wieder die gleiche Leier gebetsmühlenhaft ab: die erste Sure, die Zahlen von zwanzig abwärts, der Racheschrei; die erste Sure, die Zahlen, der Schrei.

      Stunden-, tage-, wochenlang. Nun schon seit Jahren. Mal kreischend, mal flüsternd, wie in ihre Seele eingebrannt. Sinn und Gemüt versandend.

      Fortwährend: der Schrei ... röchelnd, verhallend ...

      Heute noch.

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