null H.Loof

Kleine Ewigkeit


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dem Dein Weib getötet wurde.“, und mit einem boshaften Lächeln fügte er hinzu: „Der ehemalige Besitzer kann in seinem jetzigen Zustand nichts mehr damit anfangen.“

      Eine Pause entstand, in der sich die beiden Männer anschauten.

      „Ich habe noch ein weiteres Geschenk für Dich. Der Priester, der Deine Frau getötet hat, wird nächste Woche mit einem zukünftigen Bräutigam in dieses Dorf kommen, um die Braut zu prüfen.“

      „Kerwin, wie hast Du das denn hinbekommen?“

      „Der Bräutigam ist sehr mächtig und reich. Deshalb kommt der Priester persönlich mit und übernimmt die Prüfung der Braut. Ich sage Dir, es war nicht ganz einfach zu organisieren. Denk daran, den Kleriker zu töten ist schwer. Er ist gut bewacht. Du musst dicht an ihn rankommen, bevor Du zuschlägst und es ist wohl unmöglich, danach die Wachen zu überleben!“

      Owen grinste „Aber ein Sterbenskranker, der nichts zu verlieren hat, kann es schaffen. Ich danke Dir. Aber jetzt lass uns noch ein letztes Mal feiern und von den guten alten Zeiten reden.“, mit diesen Worten ging er zum Schrank, holte eine Flasche Schnaps und zwei Becher.

      Sie saßen noch lange zusammen, lachten über alte Begebenheiten und trotzdem konnten sie ihre tief sitzende Traurigkeit nicht überwinden.

      Der Abschied von ihrem Vater am nächsten Morgen verlief sehr tränenreich. Amber konnte sich später nicht an viel erinnern. Nur der traurige Blick ihres Vaters hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt und sie würde ihn wohl niemals vergessen können.

      Auf dem Weg zum Eingangstor des Dorfes begegnete ihnen keine Menschenseele. Kerwin sprach mit der Wache am Tor. Der Wachmann wünschte ihnen noch eine gute Reise und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter, bevor er das Tor öffnete. Amber murmelte irgendetwas als Erwiderung, dann machten sich beide auf die Reise.

      Hinter ihnen schloss sich das Tor wieder. Das Geräusch ließ Amber zusammenzucken. Es hatte für sie etwas so Endgültiges.

      Die nächsten Tage bestanden nur aus Laufen, Essen und Schlafen. Sobald es hell genug war brachen sie auf und machten erst zum Abend wieder halt. Dabei trieb Kerwin Amber immer wieder zur Eile an.

      Harte Arbeit war Amber gewohnt, aber dieser Anstrengung glaubte sie nicht lange gewachsen zu sein. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, sondern sich nur noch auf die nächsten Schritte konzentrieren.

      Am dritten Tag fing es an zu regnen und das Fortkommen wurde noch schwieriger. Kerwin verließ die Straße und bog mit ihr in einen Wald ab.

      Als sie an diesem Abend unter einer dicken Wurzel Rast machten, sackte Amber nur noch auf dem Boden und war binnen einer Minute eingeschlafen.

      Auch die nächsten beiden Tage waren die reinste Qual. Jede Bewegung verursachte höllische Schmerzen. Die Blasen, die sie sich gelaufen hatte, waren schon längst aufgeplatzt und bei jedem Schritt scheuerte das rohe Fleisch in den Schuhen.

      Das Denken hatte sie nun gänzlich eingestellt und die Schritte erfolgten nur noch automatisch.

      Langsam wachte Amber auf und bemerkte erstaunt, dass sie in einem richtigen Bett lag. Sie blickte auf und musterte den Raum. Er war sehr klein und bestand nur aus zwei Betten einem Tisch und einem Stuhl. Ein schmaler Lichtstrahl fiel durch ein rundes Loch, das wohl als Fenster dienen sollte und erzeugte eine diffuse Helligkeit.

      Sie versuchte sich aufzusetzen, aber der Schmerz in ihren Beinen war überwältigend. So einen starken Muskelkater hatte sie ihr Lebtag noch nicht gehabt.

      Amber starrte an die Decke, die wie der Rest des Zimmers aus Holz bestand und versuchte zu ergründen, wie sie hier her gelangt ist. Das Letzte, an das sie sich erinnerte, war das schier endlose Laufen und die schmerzenden Füße.

      Sie wollte gerade ihre Füße begutachten, als plötzlich die Tür aufging. Es kam eine unglaublich fette Frau in den Raum und lächelte sie freundlich an.

      „Ich habe hier etwas zu Essen. Du musst ja schon am Verhungern sein. Ich bin übrigens Berta.“, mit diesen Sätzen stellte sie ein Tablett mit einer Vielzahl von Speisen auf den Tisch.

      Der Anblick machte Amber sprachlos. Es kam ihr so vor, als ob Berta fast den ganzen Raum einnahm. Das Kleid war mehr ein Zelt und hatte eine leuchtend orange Farbe. Die blonden Haare vielen auf ein aufgedunsenes Gesicht, das sie stark an die Hängebauchschweine in ihrem Dorf erinnerte.

      „Hast Du auch einen Namen oder muss ich Dich einfach nur Mädchen rufen?“, fragte Berta immer noch mit einem Lächeln im Gesicht.

      Mit einem Mal wurde Amber sich bewusst, dass sie Berta mit offenem Mund anstarrte. Sie blickte schnell zu Boden. Es war ihr unendlich peinlich.

      „Mein Name ist Amber.“, murmelte sie.

      „Meine perfekte Figur hat schon ganz andere Leute aus der Fassung gebracht. Dafür musst Du Dich nicht schämen.“, erwiderte Berta mit einem ironischen Unterton.

      „Aber jetzt lass mich erst mal Deine Wunden ansehen.“, mit diesen Worten wälzte sie sich zu Amber ans Bett und schlug die Decke von den Beinen.

      Die Verbände an Ambers Füßen hatten sich rot gefärbt.

      „Das gefällt mir aber gar nicht.“, sagte Berta mit einem kritischen Blick darauf und fing an sie vorsichtig zu lösen.

      „Mal sehen wie es Deinen Füßen geht. Als ich Dich gestern verbunden habe, waren sie ja kaum noch als solche zu erkennen.“

      Amber musste die Augen zukneifen und die Zähne fest zusammenbeißen, um nicht laut aufzuschreien.

      „Sieht aber wirklich nicht gut aus. Du musst wohl ein paar Tage meine Gastfreundschaft genießen, bevor Du wieder rumhüpfen kannst.“, und in eindringlicherem Ton fügte Berta hinzu: „Das nächste Mal lässt Du Dir das von Kerwin nicht gefallen. Dir so was anzutun! Ich glaube, ich werde ein paar ernste Worte mit ihm wechseln müssen!“.

      Nachdem Berta die neuen Verbände angelegt hatte, wollte sie schon den Raum verlassen, als Amber sie ansprach: „Kann ich Dir ein paar Fragen stellen?“

      „Aber nur wenn Du dabei etwas isst“, kam prompt die Antwort.

      Erst jetzt merkte Amber, dass sie wirklich Hunger hatte. Daher achtete sie nicht auf die Schmerzen in den Beinen und setzte sich auf. Berta schob ihr den Tisch ran und platzierte sich gegenüber auf das andere Bett. Die Situation erschien Amber völlig irreal. Langsam fing sie an zu essen.

      „Wo bin ich hier?“, war ihre erste Frage.

      Berta antwortete, in dem sie ihre Arme ausbreitete und sagte: „Du bist hier in meiner Taverne ZUR DICKEN BERTA in einem Gästezimmer. Einen besseren Ort wirst Du weit und breit nicht finden.“

      „Und wie bin ich hier hergekommen?“

      Nun hatte Amber das Gefühl, als ob Berta sich die Worte zurechtlegen musste, bevor sie antwortete: „Kerwin und Du kamen mitten in der letzten Nacht hier an. Du warst bewusstlos. Ich glaube er hat Dich eine kleine Ewigkeit getragen. Jedenfalls habe ich ihn noch nie so erschöpft gesehen.“

      Irgendwie hatte Amber das Gefühl, dass ihr nicht die ganze Wahrheit erzählt wurde, aber sie hatte auch nicht das Bedürfnis hier weiter zu bohren.

      Stattdessen fragte sie: „Wo ist Kerwin jetzt?“

      „Nun, er hat mir gesagt, er müsse noch etwas Wichtiges erledigen und ist spätestens in ein paar Tagen wieder hier. In der Zwischenzeit soll ich mich um Dich kümmern. Dich wieder auf die Beine bringen und Dir nützlichere Kleidung verschaffen. Heute wirst Du Dich erst mal ausruhen. Morgen kommt dann der hiesige Schneider und Schuster. Deine Kleidung ist für das Leben in der Wildnis denkbar ungeeignet.“

      Berta wollte schon aufstehen, als Amber ansetzte: „Eine letzte Frage habe ich noch. Warum tust Du das für mich?“

      „Weil Kerwin mich dafür gut bezahlt.“, mit diesen Worten verließ Berta den Raum.

      Als die Tür zufiel, konnte sie hören