null H.Loof

Kleine Ewigkeit


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hast einen der drei Männer getötet und die anderen Beiden hast Du einfach laufen lassen. Meinst Du nicht, sie könnten sich rächen wollen?“

      „Nun, zum einen glaube ich, dass sie nicht mutig und dumm genug sind, das zu versuchen. Zum anderen widerstrebt es mir Menschen zu töten, wenn es nicht notwendig ist.“, kam die Antwort.

      „Berta meinte, es wäre nicht einmal notwendig gewesen überhaupt jemanden zu töten.“, bohrte Amber weiter.

      Kerwin schaute zu ihr auf: „Und was meinst Du? War es richtig?“

      Amber dachte an den Mann und fasste sich dabei unwillkürlich an die Wange, wo er sie berührt hatte.

      „Ich bin froh, dass er tot ist.“, sagte sie schließlich.

      Kerwin nickte nur.

      Während sie aß, schaute sie sich den Raum näher an. Er war viel größer als es von oben zu sehen war. Der Boden war nicht aus Holz sondern aus Erde. Wenn sie so darüber nachdachte, kam sie zu der Erkenntnis, dass der Raum unterhalb des Baumes sein musste. Die anderen Gäste schauten ab und zu verstohlen zu ihnen rüber. Wenn sie bemerkten, dass sie von Amber dabei beobachtet wurden, ging der Blick schnell in eine andere Richtung.

      „Die Leute scheinen sich über uns zu unterhalten“, bemerkte sie.

      „Sollen sie ruhig. Es kann nur von Vorteil sein, wenn sich der kleine Zwischenfall rumspricht.“, erwiderte Kerwin mit einem Lächeln: „dann wird es hoffentlich nicht noch mal notwendig sein.“

      „Als der Mann mich“, setzte Amber an: „als der Mann mich belästigte, hatte ich einfach nur Angst. Ich wünschte ich wäre so mutig wie Du und könnte auch so gut kämpfen.“

      Kerwin schaute in Ambers Gesicht. Es kam ihr so vor, als ob er versuchte ihre Gedanken zu lesen. Gleich wird er sagen wie töricht ich bin. Eine Frau und kämpfen, dachte Amber traurig.

      Nach einer kleinen Ewigkeit erwiderte er schließlich: „Nun, ich habe Deinem Vater versprochen, dass ich Dich in meine Obhut nehme und gut auf Dich aufpasse. Dein Vater kannte mich gut. Ich glaube, dass er wollte, dass ich Dir beibringe Dich zu verteidigen. Und .. Angst ist etwas ganz Normales. Du musst nur lernen, sie so weit unter Kontrolle zu halten, dass sie Dein Handeln nicht beeinträchtigt.“

      Amber konnte es kaum glauben: „Das heißt, Du wirst mir beibringen wie man kämpft?“

      „Soweit ich das kann, werde ich es tun. Allerdings wird es nicht einfach werden. Vielleicht wirst Du mich dafür sogar noch hassen.“

      Nachdem sie aufgegessen hatten, brachte Kerwin Amber hoch zu ihrem Zimmer.

      Als sie die Tür hinter sich schloss, stand er noch nachdenklich davor und murmelte leise: „So mutig wie Du glaubst, bin ich nicht.“

      Dabei schaute er auf seine Hand, die kaum merklich zitterte.

      Schweißgebadet wachte Amber aus einem Alptraum auf. Sie brauchte einige Sekunden bevor sie wusste wo sie war. Nachdem sie sich etwas gefangen hatte, bemerkte sie das laute Klopfen an ihrer Tür.

      „Raus aus dem Bett, wir haben heute noch viel vor!“, war die Stimme von Kerwin zu hören.

      Missmutig stand Amber auf und begann sich anzuziehen.

      „Ich komme ja schon!“

      Gemeinsam gingen sie nach unten, um zu frühstücken. Bis auf einen dunklen Fleck auf der Erde, der wohl von dem vielen Blut stammte, war nichts mehr von dem gestrigen Geschehen zu sehen. Die dicke Berta war schon da und begrüßte sie froh gelaunt. Amber fragte sich, wann Berta überhaupt schlief.

      Es gab ein reichhaltiges Frühstück.

      „Lang ruhig ordentlich zu. Es wird noch ein anstrengender Tag werden. Du willst doch immer noch, dass ich Dir beibringen wie Du Dich wehren kannst?“, fragte Kerwin.

      „Ja, bring mir das Kämpfen bei!“, kam prompt die feste Antwort von Amber.

      Nachdem die beiden ausgiebig gegessen hatten, machten sie sich auf den Weg nach draußen. Das war in der Waldstadt gar nicht so einfach. Zuerst mussten sie wieder zum Ausgang von Bertas Baum aufsteigen, um dann über mehrere Brücken und andere Bäume zu einer großen Plattform zu gelangen. Von hier konnte man über eine einholbare Strickleiter nach unten klettern. Neben der Strickleiter war noch eine Vorrichtung, eine Art Fahrstuhl, um größere Gegenstände in die Waldstadt zu befördern. Der scheinbar einzige Eingang zur Waldstadt wurde von zwei Männern bewacht, die aussahen als ob sie keinen Spaß verstanden. Kerwin trat an einen der beiden heran und sprach kurz mit ihm. Anschließend ging er mit Amber zu der Strickleiter.

      „Wir treffen uns unten. Ich werde als erster die Leiter benutzen.“

      Amber schaute zu, wie Kerwin geschickt die Strickleiter herabstieg. Als sie so in die Tiefe blickte, breitete sich ein seltsames Kribbeln in ihren Händen und Füßen aus. Der Waldboden musste mindesten 5 Meter entfernt sein. Nachdem Kerwin unten angekommen war, machte sie sich daran herabzusteigen. Mit verkrampften Händen und etwas unsicher benutzte sie die Strickleiter. Sie spürte genau, wie sie von den beiden Wachen und von Kerwin dabei beobachtet wurde und sie wollte nicht als plumpes kleines Mädchen angesehen werden. Deshalb nahm sie sich zusammen und absolvierte den Abstieg in recht kurzer Zeit.

      Unten angekommen, wurde sie von Kerwin mit den Worten begrüßt: „Nun, Klettern scheinst Du ja einigermaßen zu können. Nicht alle schaffen die Strickleiter beim ersten Mal so problemlos.“

      Amber konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Als sie dann aber Kerwin folgen wollte, der schon wieder unterwegs war, merkte sie, dass sich ihre Knie butterweich anfühlten. Die ersten paar Schritte musste sie sich stark konzentrieren, damit sie sich überhaupt auf den Beinen halten konnte. Amber hoffte, dass Kerwin nichts mitbekam. Als sie ihn verstohlen beobachtete, konnte sie zumindest keine Reaktion erkennen.

      Sie liefen, bis sie außer Sichtweite der Waldstadt waren. Dann hielt Kerwin inne und drehte sich zu Amber um.

      „Ich denke, hier wird uns keiner stören.“, sagte er, schaute sich um und sammelte einen etwas dickeren Zweig auf, den er in drei handliche kleinere Teile zerbrach.

      „Du bist zweifelsfrei eine Frau, was beim Kämpfen ein großer Nachteil sein kann.“

      Als Amber ihn fragend anschaute, sprach Kerwin weiter: „Ein Mann hat in der Regel mehr Kraft als Du. Deshalb musst Du diesen Nachteil irgendwie ausgleichen und darfst Dich nicht in Situationen drängen lassen in denen es auf die reine Körperkraft ankommt.“

      Dabei fing er an mit den drei Stöcken zu jonglieren.

      „Als erstes sollst Du lernen, Deinen Körper besser zu beherrschen. Wir fangen mit einer einfachen Übung an.“

      Mit diesen Worten fing er die drei Stöcker wieder auf und überreichte sie Amber. Sie schaute auf die Hölzer in ihrer Hand und versuchte dann unbeholfen damit zu jonglieren, wobei sie sofort zu Boden fielen.

      Als sie Kerwin anschaute, sagte dieser nur: „Übe solange, bis Du es kannst“

      Dann setzte er sich auf einen Baumstumpf und schaute ihr zu.

      Auch nach 2 Stunden intensivem Übens konnte Amber immer noch kein bisschen jonglieren. Nur ihre Hände begannen immer mehr zu zittern, so dass ihr ab und zu die Stöcker schon beim Aufheben aus der Hand rutschten.

      „Ich denke mit dem Jonglieren machen wir morgen weiter.“, meldete sich Kerwin endlich, „jetzt wollen wir mal sehen, wie es mit Deiner Kondition aussieht!“

      Daraufhin begann für Amber ein Martyrium, an das sie sich später nur undeutlich erinnern konnte. Der Rest des Tages bestand nur aus Laufen, Springen, Liegestütz und weiteren Grausamkeiten. Nach einer schier unendlich langen Zeit brach Kerwin das Training ab und sie machten sich auf den Heimweg. Während Kerwin noch frisch wirkte, konnte Amber sich kaum noch auf den Beinen halten. Bei der Strickleiter angekommen, machten sie erst mal eine kleine Pause, wobei Kerwin Amber genau beobachtete.

      „Schaffst Du es die Strickleiter hochzuklettern?“, fragte