null H.Loof

Kleine Ewigkeit


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      „Danke, ich hoffe Du hast Dich geirrt.“, erwiderte Amber.

      Doch der Blick von Kerwin ließ sie frösteln.

      In dieser Nacht wurde Amber wieder mal von Alpträumen geplagt. Die kurzen Tiefschlafphasen hatten kaum Erholung gebracht und sie fühlte sich wie gerädert. Mühsam quälte sie sich aus dem Bett und überlegte, ob sie noch frühstücken sollte, entschied sich aber dagegen. Sie hatte keine Ruhe und wollte unbedingt gleich zu Gideon. Daher machte sie sich sofort auf den Weg.

      Es war ein düsterer, regnerischer Morgen, der gut zu Ambers Stimmung passte. Der Wind zerrte an den Ästen und das Rauschen der Blätter war überwältigend. Nur mit Mühe konnte sich Amber auf den Ästen bewegen, ohne abzurutschen. Sie schwankten und waren durch den Regen glitschig geworden. Endlich bei Gerloffs Laden angekommen, fragte sie sich, ob sie wirklich eintreten sollte und was der wahre Grund für diesen Besuch war. Ihre Hände kribbelten und sie glaubte nicht, dass sie ihre Nervosität verbergen konnte. Gerade als sie lieber wieder umdrehen wollte, ging die kleine Holztür auf. Ein älterer Herr mit grauen Haaren und einem langen weißen Bart kam heraus und hätte sie beinahe umgerannt.

      „Verzeihung, junge Frau. Bei diesem Wetter habe ich nicht mit Kundschaft gerechnet. Aber kommen Sie doch erst mal in meinen Laden.“

      Amber bückte sich und folgte ihm durch die niedrige Tür. Im Laden schaute sie sich neugierig um. Er war nicht gerade groß und voll mit Waren des täglichen Bedarfs, sowie einigen anderen Gegenständen, die sie noch nie gesehen hatte.

      „Was möchten Sie denn haben?“

      Die Frage riss Amber aus ihrer Betrachtung.

      "Nun, ähm ..eigentlich wollte ich nicht direkt etwas kaufen", stotterte sie.

      „Wie kann ich Ihnen dann weiterhelfen?“

      „Ich suche einen jungen Mann. Er heißt Gideon und er hat mir erzählt, dass er hier bei Meister Gerloff arbeitet.“

      „Mmh.., Herrn Gerloff haben Sie schon gefunden. Den Meister können Sie ruhig weglassen.“, antwortete der alte Mann freundlich.

      „Und ich vermute Sie sind dann Amber. Gideon hat in den vergangenen Tagen viel von Ihnen erzählt.“

      Amber hatte ein seltsames Gefühl in der Magengegend und sie bekam etwas Herzrasen.

      „Ach ja. Was hat er denn so gesagt?“, versuchte sie möglichst beiläufig zu fragen.

      Gerloff lächelte wissend.

      „Oh, er schwärmte in den höchsten Tönen. Wie liebreizend Ihr wärt und seit gestern auch über Eure Hilfsbereitschaft.“

      Bei diesen Worten musste sie wieder an den Unfall denken. In diesem Augenblick ging die Ladentür auf und Gideon trat ein. Seine blonden Haare hingen ihm in die Stirn. Als er aufblickte und Amber im Laden stehen sah, fingen seine Augen vor Freude an zu funkeln. Wie er so vor ihr stand, mit seinen nassen Haaren, von denen sich langsam die Wassertropfen lösten, hätte sie ihn am liebsten umarmt.

      Stattdessen sagte sie einfach nur: „Hallo!“

      „Hallo Amber“, antwortete Gideon: „Du kommst wohl, um Dich nach Peter zu erkundigen.“

      Bei diesen Worten verfinsterte sich sein Gesicht. „Leider hatte Dein Freund recht.“, fuhr Gideon fort. „Ich komme gerade von ihm. Er ist gestorben.“

      Amber wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.

      Es herrschte eine betretende Stille, bis sie endlich durch Meister Gerloff durchbrochen wurde.

      „Du musst doch müde sein Gideon. Komm setz Dich erst mal.“

      Amber und Gideon setzten sich an einen kleinen Tisch der im Laden stand, während Gerloff im hinteren Raum verschwand. Nach ein paar Minuten kam er mit drei Bechern und einer Kanne heißem Tee zurück. Amber war froh, dass sie sich jetzt auf den Tee konzentrieren konnte und nicht gezwungen war, sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Nach einer Weile stand sie auf und verabschiedete sich. Gideon umarmte sie noch und Amber merkte, wie gut ihr das tat.

      Der Regen hatte inzwischen aufgehört und die Sonne kam hinter den Wolken vor. Amber ging langsam über die Wege der Waldstadt bis sie zu der Plattform kam, auf der sie das erste Mal Gideon getroffen hatte. Sie setzte sich einfach auf den Boden, ließ ihre Beine herunter baumeln und schaute in den Wald. In Gedanken sah sie immer wieder Gideon vor sich stehen, mit seinen nassen Haaren und durchweichten Kleidern. Wenn sie an seine Umarmung zum Abschied dachte, konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Irgendwie wusste sie nicht, was sie wirklich für ihn empfand.

      Erst als es wieder anfing zu regnen und die Nässe sich langsam einen Weg in ihre Kleidung suchte, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Sie schaute auf, aber von ihrem Platz konnte sie den Himmel kaum sehen. Der Regen wurde immer stärker, daher entschloss sich Amber zurück zu Bertas Taverne zu gehen.

      Die Waldstadt war bei diesem Wetter wie ausgestorben. Jeder schien sich in seiner Hütte oder Baumhöhle aufzuhalten und nicht herauszutrauen. Amber war dies ganz recht, so konnte sie noch etwas allein mit ihren Gedanken sein. Als sie dann endlich bei Berta ankam, war sie völlig durchnässt. Normalerweise würde sie sich ein paar trockene Sachen anziehen, allerdings störte sie die Nässe im derzeitigen Zustand nicht. Also entschloss sie sich in den Schankraum runter zu gehen.

      Es war inzwischen fast Mittag. Trotzdem saßen nur eine Handvoll Leute an den Tischen. Amber schaute sich unschlüssig um, entschied sich dann aber zu Berta an die Bar zu gehen.

      „Was ist denn mit Dir passiert“, begrüßte Berta sie.

      „Wie? Was? Ach so, Du meinst weil ich etwas feucht geworden bin.“, antwortete Amber.

      „Alles klar!“, dabei schaute Berta demonstrativ auf die Pfütze, die sich zu Ambers Füßen gebildet hatte. „Was ist mit Dir denn nun wirklich los? Du bist so nachdenklich.“

      Amber zögerte etwas mit ihrer Antwort: „Ich weiß auch nicht so recht. Es ist nur .. alles so seltsam. Vor ein paar Wochen war ich noch in meinem Dorf und nun das hier.“

      „Was meinst Du denn damit? Wo warst Du denn überhaupt heute?“, fragte Berta.

      „Ich war bei Meister Gerloff und Gideon und wollte mich nach dem Zustand von diesem Peter erkundigen. Du weißt doch, der Mann, der gestern verunglückt ist.“

      „Und wie geht es ihm?“, fragte Berta weiter.

      „Er ist tot.“

      „Das macht Dir also zu schaffen. Solche Unglücke passieren immer mal wieder. Darüber solltest Du nicht weiter nachdenken. Es ist jetzt sowieso nicht mehr zu ändern.“

      „Nein, das ist es nicht. Es ist etwas anderes. Sag mal Berta, kennst Du Gideon, den Gehilfen von Meister Gerloff? Was hältst Du von ihm?“, wollte Amber wissen.

      Berta fing an zu lächeln: „Also daher weht der Wind. Du scheinst Dich in den Jungen verliebt zu haben.“

      „Nein! Er interessiert mich nur. Er ist so ganz anders als die Anderen hier. So nett, lächelt immer und hat für jeden ein paar freundliche Worte.“, entrüstete sich Amber.

      Aber ganz sicher war sie sich nicht, dass vielleicht doch ein bisschen Wahrheit in der Vermutung von Berta steckte. War sie vielleicht gerade auf dem Weg sich in Gideon zu verlieben?

      „Du hast mir immer noch nicht auf meine Frage geantwortet.“, setzte sie erneut an.

      Bertas Lächeln verbreiterte sich etwas: „Eigentlich weiß ich nicht allzu viel von dem Knaben. Als Gerloff vor einem viertel Jahr von einem seiner Reisen wiederkam, hatte er den Jungen dabei. Er erzählte mir, dass er Ihn unterwegs getroffen hatte. Da er gerade etwas Hilfe benötigte, und sich Gideon wohl nicht dumm anstellte, hat er ihn gleich als Gehilfen eingestellt. Ansonsten kann ich nicht viel zu ihm sagen. Er ist wirklich etwas anders als die Anderen hier. Die meisten Leute kommen in meine Schänke um sich die Zeit zu vertreiben und auch mal ordentlich einen zu Trinken. Gideon war höchsten 2-mal hier und