Eike Ruckenbrod

Franzi und die Ponys - Band IV


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      Sallys Mutter brachte ein Tablett herein. Auf dem dampften Tassen mit heißer Schokolade und Kaffee, standen Teller mit Wurst- und Käsebrötchen, Kuchen und ein Schälchen Pudding. Sally schüttelte ungläubig den Kopf.

      „Mami, wie soll ich denn das alles essen?“

      „Ich setze mich zu dir und wir essen zusammen.“ Sally freute sich über das Angebot. Ihre Mutter stellte das Tablett auf den Tisch.

      „So, jetzt mache mir mal ein bisschen Platz!“ Sie deutete auf das Bett. Sally runzelte erstaunt die Stirn und augenblicklich fuhr ihr der Schmerz hinein. Sie biss die Zähne zusammen. Gern rückte sie zur Seite und Brigitte Kircher kuschelte sich zu ihrer Tochter ins Bett.

      „Geht’s dir gut?“, fragte sie besorgt. Vor der Begegnung mit dem Pony hätte sich Sally schon wieder über die übertriebene Besorgnis aufgeregt, aber jetzt antwortete sie: „Mir geht‘s gut, Mutti, du brauchst dir echt keine Sorgen zu machen.“

      Frau Kircher nickte zufrieden und hielt ihrer Tochter das Tablett hin. Sally griff nach dem Kakao und einem Brötchen und biss herzhaft hinein. Tief sog sie die Luft in die Lungen und genoss die Nähe ihrer Mutter.

      Nachdem der größte Hunger gestillt war, fing Sally an zu erzählen: „Ich hatte einen Traum. … Du darfst aber nicht lachen!“, fing sie an und blickte ihrer Mutter beschwörend in die Augen.

      „Nein, ich lache nicht.“ Brigitte Kircher wunderte sich über die plötzliche Verwandlung ihrer Tochter und hörte gespannt zu.

      „Ich hab‘ ein Pony getroffen.“ Sally sah abwartend zu ihrer Mutter. Die nickte ihr aufmunternd zu.

      „Wir haben uns direkt in die Augen geguckt. Mir wurde es plötzlich ganz heiß. Ein voll schönes Gefühl durchströmte meinen Körper. Und stell dir vor, ich sah mich auf einem echten Pony reiten.“

      Frau Kirchers Kinn zitterte, Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie blickte starr auf ihre Hände und drehte an ihrem goldenen Ehering.

      „Wir galoppierten auf einer grünen Wiese. Es hatte eine ganz lange Mähne. Die kitzelte so an meinen Armen und in meinem Gesicht, dass ich laut gelacht habe.“ Sally schaute ihre Mutter an. Die ergriff ihre Hand und streichelte sie. Sie konnte ihre Tochter gut verstehen. Als Mädchen wollte sie auch immer ein Pony, aber sie hatten kein Geld dafür.

      „Das war ein wunderschöner Traum, Sally", sagte sie leise. „Du musst fest daran glauben, dann wird er auch wahr.“

      Sally freute sich, dass ihre Mutter sie ernst nahm, und legte den Kopf an ihre Schulter. Nachdem ihre Atemzüge immer langsamer und tiefer wurden, schob Brigitte Kircher vorsichtig Sallys Kopf von ihrer Schulter und stand nachdenklich auf.

      Als ihr Mann nach Hause kam, erzählte sie ihm von Sallys Unfall, dem Traum und was er bei ihr bewirkt hatte. Ralf Kircher runzelte die Stirn. „Du weißt genau, dass das unmöglich ist. Warum bestärkst du sie darin? Möchtest du ihr noch mehr Schmerz zufügen?“

      „Ralf bitte, sprich leiser! Nimm ihr nicht das bisschen Hoffnung, das ihr Kraft gibt. … Weißt du, was ich in ihrem Schrank gefunden habe?“

      Ralf Kircher sah seine Frau fragend an. Sie ging an den Küchenschrank, zog einen Schuhkarton heraus, klappte den Deckel auf und hielt den geöffneten Karton ihrem Mann hin. Er sah erstaunt hinein. „Was ist das?“

      „Das ist das Essen deiner Tochter der letzten zwei Tage. Sie hat es versteckt.“

      „Oh Gott.“ Mit weichen Knien sank er auf einen Stuhl. „Das ist ja schrecklich.“

      „Das war der Grund, warum sie allein in ihrem Zimmer essen wollte.“ Frau Kircher setzte sich zu ihrem Mann und suchte seine Hand.

      „Wir müssen sie darin bestärken, reiten zu lernen, das kann sie retten und ihr neuen Mut geben. Das Pony wird ihre Beine ersetzen.“

      Ihr Mann sah sie ungläubig an. „Dabei wird sie sich den Hals brechen“, murrte er.

      „Ich habe im Internet recherchiert und einige interessante Seiten über therapeutisches Reiten gefunden. Wenn du magst, zeige ich sie dir heute Abend, wenn Sally schläft. Jetzt essen wir erst mal.“

      „Wie kannst du jetzt nur an Essen denken …“, sagte ihr Mann vorwurfsvoll, stand auf, holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, setzte sich in den Sessel, angelte nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.

      Brigitte Kircher ließ ihn in Ruhe und machte sich in der Küche zu schaffen. Sie öffnete die Schranktür, knotete den Beutel des Abfalleimers zu und trug ihn hinaus.

      In Gedanken versunken, warf sie die Tüte in die schwarze Tonne.

      „Guten Abend, Frau Kircher.“ Sie sah auf. Ihr Nachbar stand mit seiner weißen Schäferhündin vor ihrem Grundstück.

      „Ah, Herr Sonnabend. Danke, Ihnen auch.“ Backira lief schwanzwedelnd zu ihr. Sie beugte sich zu der Hündin hinunter.

      „Na, meine Schöne. Sally schläft ein bisschen, sie kann jetzt nicht mit dir spielen.“

      Die Hündin hielt den Kopf schräg und sah sie freundlich mit ihren schwarzen Knopfaugen an. Frau Kircher lächelte und wandte sich an den Nachbarn. Sie plauderten eine Weile, bis er seinen Blick durch ihren Vorgarten streifen ließ, die Ponyspuren entdeckte und fragte: „Na, hatten Sie Besuch von dem Ausreißer?“

      „Was? Was für ein Ausreißer?“, fragte sie verwirrt und starrte auf die Spuren im Schnee. Die Hufabdrücke führten zum Tannenbaum, darum herum und zu Sallys Fenster. Kein einziger Krümel Futter lag mehr darauf. Von dort führten tiefe Abdrücke weg vom Haus. Brigitte Kircher ging ein Licht auf und sie erzählte Herrn Sonnabend von Sallys Traum.

      „Das Pony war echt, das hat die Kleine nicht geträumt. Ich hab‘ dem jungen Mann sogar noch geholfen, den Anhänger zu wenden. Das Mädchen ist zum Hof geritten, da das Pony nicht mehr in den Hänger ging“, berichtete der Nachbar. Seine Hündin fiepte leise. Er strich ihr über den Kopf.

      „Zum Hof geritten ..., dann wissen Sie sicher auch, zu welchem Hof sie geritten ist?“, fragte Frau Kircher voll Hoffnung. Ihre Wangen glühten.

      „Sie wollten zu Knolls. Die haben doch den Ponyhof hinten im nächsten Tal. Eine halbe Stunde von hier“, erklärte er.

      Nie hätte Brigitte Kircher gedacht, dass sie so schnell Erfolg haben würde. Sie strahlte. Das Schicksal schien es gut mit ihnen zu meinen.

      „Das ist ja ein schöner Zufall. Wir werden dem Hof gleich morgen früh einen Besuch abstatten."

      „Da wird sich Ihre Kleine aber freuen. Sagen Sie ihr einen Gruß von mir.“ Er gab seinem Hund ein Kommando und ging die Straße entlang in Richtung der Felder. Freudestrahlend eilte die Mutter ins Haus.

      „Ralf, stell‘ dir vor, ich habe gerade mit Herrn Sonnabend gesprochen ...“ Sie hielt inne, da Sally neben ihrem Vater im Rollstuhl saß, und vor ihrer Tochter wollte sie nicht mit ihm diskutieren.

      „Hallo mein Schatz, hast du ausgeschlafen?“

      Sally drehte sich zu ihrer Mutter um. Ihre Augen strahlten glücklich. „Hallo Mami, stell‘ dir vor, Papa hat mir erlaubt, reiten zu lernen.“

      Brigitte sah sie überrascht an. Sie stellte sich hinter ihre Tochter und massierte ihren Nacken.

      „Das ist wunderschön, Sally“, sagte sie mit erstickter Stimme. Sie legte eine Hand auf die Schulter ihres Mannes und drückte sie dankbar.

      „Ich habe auch eine Neuigkeit: Herr Sonnabend nannte mir einen Ponyhof ganz in der Nähe, da können wir morgen ja mal hinfahren.“

      Sally zuckte im Stuhl herum. „Morgen? Juhu“, schrie sie, umarmte ihren Vater und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange.

      Schnell stand er auf und eilte in die Küche; in seinen Augenwinkeln glitzerte es.

      „Wie hast du denn das so schnell hingekriegt?“, fragte ihre