Martin Cordemann

Sie sind durchschaut, Mr. Bond!


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Kapitel 13 wird Essen zwar erwähnt, aber nur, wie andere das tun. Dafür bietet Kapitel 14 gleich zwei Mahlzeiten: Abendbrot (Fisch in weißer Soße, ein Streifen Truthahn) und ein paar Sandwiches (nachdem Leiter seine Begegnung mit den Haien hatte). Eine kleine Änderung im Speiseplan gibt es dann im 15. Kapitel, wo einer der Bösewichte dann selbst vom Hai verspeist wird (eine Auflistung von Beilagen o.ä. bleibt leider aus). Kapitel 16 beginnt kulinarisch mit einem trippeldecker Sandwich und erwähnt noch ein frühes Abendessen vor dem Abflug nach Nassau (Flugzeugbewirtung wird Bond – und dem Leser – erspart). Nach einem nicht näher spezifizierten Frühstück in Kapitel 17 bereitet Quarrel in 18 etwas auf einem kleinen Kocher zu, doch unser Hunger nach mehr wird erst wieder am Ende von 22 gestillt – ebenso wie der der Haie, die Mr. Big verspeisen. Im letzten Kapitel wird dann noch erwähnt, dass Quarrel den besten Koch im Dorf organisiert hat, es wird schwarze Krebse, Ferkel und einen Avocado Salat geben… aber das soll eine Überraschung sein!

      Wir sehen, einzig das Nennen von Rezepten fehlt, um dem ganzen den richtigen Schliff zu geben. Sätze wie „Bond kochte… vor Wut“ würden in einem solchen Fall in einem völlig neuen Zusammenhang gesehen. (Das mit den Rezepten hat Manfred Taut in seiner Satire „James Bomb jagt die Zombies“ (Moewig) dann nachgeholt – wobei das Standardwerk in diesem Bereich zweifelsohne „Es muß nicht immer Kaviar sein“ von Johannes Mario Simmel ist.)

      Unterm Strich kann man also sagen, angemessener wäre der Titel „Live and let diet“… wobei dann aus „Goldfinger“ möglicherweise „Fishfinger“ geworden wäre, was eine ganze Industrie vorweggenommen hätte. Tja, damals war Bond eben oft seiner Zeit voraus.

      Spiel mir das Lied vom Bond

       Das James Bond Thema und die Frage: Wie wichtig ist die Filmmusik?

      Was macht einen Bond Film aus? Na, was? James Bond war mal ein gut aussehender, rauchender, gebildeter Mann aus der höheren Gesellschaft, der jede Menge Frauen abgeschleppt und nebenbei die Welt gerettet hat, ein paar Morde inbegriffen. Aber, machen wir uns nichts vor, das ist inzwischen alles austauschbar geworden. Alles? Naja, fast alles. Denn es gibt eine Sache, wirklich nur noch eine Sache, die Bond aus der Masse hervorheben, die ihn individuell, erkennbar, einzigartig machen kann – also warum zur Hölle nutzt man sie nicht?

      Die Rede ist, wie man unschwer dem Titel entnehmen kann, von der Musik. Hier hat man einen der größten Schätze der Filmgeschichte in der Hand und behandelt ihn völlig stiefmütterlich. Denn das James Bond Thema ist wohl eine der besten Action-Musiken aller Zeiten. Was den Wiedererkennungswert angeht spielt es locker in einer Liga mit „Mission: Impossible“, der „Star Trek“ Fanfare oder dem Thema von „Der weiße Hai“. Das Bond Thema ist einprägsam, leicht erkennbar, variabel und anpassungsfähig. Ich erspare uns jetzt, die Frage zu klären, wer nun mehr zu dieser Musik beigetragen hat, ihr eingetragener Komponist Monty Norman oder ihr Arrangeur John Barry – dazu gibt es Bücher, schlagen Sie es nach, wenn es Sie interessiert.

      Aber warum ist diese Musik – in meinen Augen – so wichtig und warum höre ich nicht auf, die Leute damit zu nerven? Nun, weil sie, wie gesagt, das einzige ist, wodurch sich Bond heutzutage noch von anderen Actionfilmen unterscheiden kann. Dieses Thema ist quasi das einzige, das nicht austauschbar ist. Diese Noten verliehen den Filmen ihre persönlichen Noten. Das Bond Thema ist zeitlos, es funktioniert in den 60ern genauso wie in den 90ern und im neuen Jahrtausend. Es hat Feuer, Klasse, Action. Es adelt jede Actionszene und lässt sie besser aussehen, als sie ist. Um „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ zu zitieren: „Es hebt… die Stimmung!“ Schauen Sie sich einfach mal den Anfang von „Moonraker“ an: Fallschirmspringen und Bond Thema – mehr braucht man nicht zu sagen!

      Von diesem Standpunkt es ist schon mal schwer nachvollziehbar, warum man diesen Schatz in letzter Zeit so selten nutzt, hätte er doch sogar eine Gurke wie „Ein Quantum Toast“ vielleicht wie einen halbwegs passablen Film aussehen lassen – oder zumindest über ein paar seiner Schwächen hinwegtäuschen können. Oder vergleichen Sie doch einfach mal „Skyfall“ mit „Largo Winch“. Streckenweise klingt die Musik beider Filme recht ähnlich – und nicht bondig. Bond wird mehr und mehr austauschbar und verliert, im wahrsten Sinne des Wortes, seine persönliche Note.

      Aber da ist noch etwas: Diese Musik (und nur diese Musik!) ist der einzig verbliebene Identifikationsfaktor. Es hat diverse Bonddarsteller gegeben, diverse Ms, Qs, Moneypennys, Leiters und sogar vier Blofelds. Die Räumlichkeiten haben gewechselt, die Autos, die Frauen. Nur eins ist Bond in all den Jahren treu geblieben: Seine Musik.

      (Exkurs: John Barry, den ich als das wahre Genie hinter dieser Musik vermuten würde, hat für „Liebesgrüße aus Moskau“ ein Stück mit dem Titel „007“ geschrieben, das er quasi als Gegenstück zum Bond Thema etablieren wollte. Es hat nicht so richtig funktioniert und man hört es nur in vier Soundtracks, die allesamt von Barry stammen… und in denen oft Boote zur Musik zu sehen sind.)

      Das Bond Thema ist zeitlos – und man kann es jederzeit einsetzen. Und das, ohne dass es langweilig wirkt und immer gleich klingt. Der beste Bond Soundtrack ist der, der es schafft, die Melodie des Titelliedes mit dem Bond Thema zu verbinden. So bleibt einerseits die Erkennung „Bond“ erhalten, andererseits erhält das Thema aber auch seine individuelle, dem jeweiligen Film entsprechende Note. John Barry war ein Meister darin, beide Musiken miteinander zu verweben und auch David Arnold macht seine Sache sehr gut – wenn man ihn lässt.

      „Goldfinger“ ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie beide Themen miteinander verwoben werden und gleichermaßen die Individualität des Films betonen aber auch die Integrität der Reihe gewahrt wird (ja, das klingt ein wenig hochgestochen, hat aber was). Auch bei „Feuerball“ verschmelzen beide Elemente hervorragend miteinander. Auf Wunsch kann, wie bei „Man lebt nur zweimal“ auch gerne ein Hauch Lokalkolorit (japanisch) eingeflochten werden, das Bond Thema macht es mit.

      „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ ist einer der Sonderfälle, in dem der Name des Films nicht im Titellied auftaucht. (Welche Überraschung! Aber auch „Octopussy“ ist hiervon nicht verschont geblieben und der Song von „Der Spion, der mich liebte“ heißt „Nobody does it better“, auch wenn eine Textzeile auf den Titel verweist.) Das Lied in „Geheimdienst“ heißt „We have all the time in the world“ und wird während des Films gespielt. Zur Abwechslung (und zum ersten und einzigen Mal seit „Liebesgrüße aus Moskau“) hat der Film einen instrumentalen Anfangssong, der aber auch hier durchgehend und erfolgreich in den Soundtrack integriert wird.

      Ein Beispiel, das etwas aus der Reihe läuft ist „Der Hauch des Todes“. Es scheint, als habe Barry seine Differenzen mit A-ha, den Schöpfern des Titelliedes gehabt – das kann man im Internet sehr schön nachlesen. Da stehen unschöne Bezeichnungen, die er für diese Gruppe hatte… und er setzt diese Differenzen auch in seiner Musik um: Er verwendet die Melodie von „The Living Daylights“ äußerst selten – dafür hatte er aber offensichtlich Spaß an der Musik, die man für den Killer Necros bei dessen ersten Einsatz gewählt hatte, und so pflegt er die Melodie von „Where Has Everybody Gone“ immer wieder – man hat das Gefühl: gerne – in die Filmmusik ein. Leider macht Necros irgendwann den Abgang und so muss er auf das „Daylights“ Thema zurückgreifen.

      Auch David Arnold hat einen eigenen Stil für die Bond Musik entwickelt. Er unterscheidet sich etwas von dem Barrys, aber doch schafft er es, die Action auf den Punkt und das Bond Thema auf die Szene zu bringen. Auch das Verweben der Melodien gelingt ihm sehr gut. Zu traurig also, dass seine Musik für „Toast“ so enttäuschend ausgefallen ist. Bei „Casino Royale“, dem „Bond wird Bond“ Film, schafft er es auf wunderbare Weise, den Prozess dieser Entwicklung auch in der Musik widerzuspiegeln. So wie Bond baut sich auch sein musikalisches Thema nach und nach auf. Ein bisschen Bond hier, ein Touch da, bis man am Ende das hat, was man haben möchte: Das James Bond Thema. Dass er es in „Toast“ kaum verwendet verwundert – aber vielleicht hat er den Film auch nicht für einen Bondfilm gehalten?!

      Wir sehen also: Das Bond Thema kann altvertraut und doch immer frisch und neu, der Situation, den Film angemessen sein. Und sie ist, neben dem Namen (und ich schreibe bewusst nicht „Charakter“) James Bond,