Nina Lührs

Nela Vanadis


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Euch nicht ein ruhiges Pferd, Huscarl?“, erklang verständnislos eine Stimme aus einer schattigen Ecke. Nelas Blick wanderte dorthin, und sie erkannte den aufdringlichen Mann von vorhin.

      „Das versteht Ihr nicht, Fido“, entgegnete Jarick ihm nachsichtig. „Ich habe den Hengst aufgezogen.“

      „Ja und? Er ist einfach kein gutes Reitpferd.“

      „Seid gegrüßt“, hieß der Schmied Tristan und Nela willkommen, als sie näher an die Schmiede herantraten.

      „Wir möchten zwei Pferde kaufen.“

      „Jarick, entschuldigt Ihr mich kurz? Es dauert ohnehin, bis Euer Teufel zurückkommt“, bat der Schmied. Jarick gab seine stumme Zustimmung, während dieser Fido ein verächtliches Schnaufen herausließ.

      „Folgt mir“, forderte Will sie im Gehen auf. Schnell schlossen Tristan und Nela auf.

      Auf einer großen Koppel neben der Scheune befanden sich mehrere Pferde. Sofort fielen Nela zwei Füchse auf, die sie an das Pony erinnerten, auf dem sie als Kind reiten gelernt hatte. Unvermeidlich kehrte die Erinnerung an ihren geheimnisvollen Schutzengel zurück. Kurz schaute Nela zu Tristan. Sein Profil glich der Silhouette ihres damaligen Schutzengels frappierend.

      „Die beiden Füchse sehen vielversprechend aus“, meinte Jarick, während er über den Zaun kletterte.

      „Huscarl! Ich rede mit Euch“, rief Fido empört von der Schmiede herüber. Jarick ignorierte ihn, und hielt auf die Pferde mit dem rötlich-braunen Fell zu. Sanft streichelte er über den Mähnenkamm, bevor er dem Ross das Halfter anlegte. Schließlich führte er die zwei Pferde zu ihnen ans Gatter.

      „Euer Benehmen lässt zu wünschen übrig, Huscarl“, stieß Fido erzürnt aus, als er an die Koppel kam. Er hatte die Kapuze seines Umhangs über seinen Kopf gezogen.

      „Nennt mich nicht Huscarl“, platzte es verärgert aus Jarick heraus.

      „Wieso nicht? Ihr seid doch Mitglied der Garde. Also seid Ihr ein Huscarl.“

      „Ich war ein Huscarl. Ich gehöre nicht mehr zur Garde.“

      „Für mich bleibt Ihr ein Huscarl“, blieb Fido zänkisch.

      „Will“, wandte sich Jarick an den Schmied, „mach einen anständigen Preis mit Zaumzeug und Sattel.“ Der Schmied öffnete das Gatter, danach ergriff er die zwei Führstricke, die Jarick ihm reichte. Zusammen mit Tristan und den beiden Stuten im Schlepptau ging der Schmied in die Scheune. Während Tristan das Finanzielle regelte, wartete Nela draußen mit dem Wikinger.

      „So schnell sieht man sich wieder“, plauderte Jarick mit einem charmanten Lächeln, das sich kurz darauf in ein schelmisches verwandelte. „Und wie ich sehe, diesmal mit Stiefel.“

      „Ja“, fiel Nela nichts Besseres ein. Stille breitete sich zwischen ihnen aus.

      „Da ist Euer Teufel“, zeigte Fido wichtigtuerisch auf den Rappen, der erst zögernd vor der Schmiede verharrte, dann auf Jarick zu trottete.

      Langsam ging Nela zu dem Pferd, das sie mit seinen Augen musterte. Vorsichtig berührte sie das edle Tier an seiner Stirn und streichelte seine lange schwarze Mähne. Sein Fell fühlte sich wie Samt an. Verwundert stellte Nela fest, dass sich der Hengst in ihrer Gegenwart ruhig verhielt.

      „Vorsicht“, warnte Jarick sie. „Normalerweise ist Samru nur bei mir zahm. Vor allem gegenüber Fremden wird er sehr jähzornig.“ Der Wikinger lehnte mit verschränkten Armen an einem Balken des Schauers.

      „Samru? Ein ungewöhnlicher Name.“

      „Es ist eine Zusammensetzung aus den Wörtern Samt und ruhig.“ Er stieß sich von dem Balken ab, um näher an sie und das Pferd heranzutreten.

      „Dann wollen wir mal“, verkündete der Schmied arbeitswütig. Augenblicklich wurde der Rappe unruhig und tänzelte auf der Stelle.

      Schaulustig lehnte Tristan sich mit seinen Armen auf einen Holzzaun ab. Augenblicke später gesellte Nela sich zu ihrem Schicksalswächter. Unweit der Feuerstelle stand Jarick, um dem Schmied bei seiner Arbeit zuzuschauen. Will schürte das Feuer, erhitze das Hufeisen und ergriff die Fersen des Pferdes, das wild austrat.

      „Vielleicht klappt es, wenn ihn jemand festhält, dem er vertraut“, mischte Nela sich couragiert ein. Jarick trat an Samru heran, behutsam hob er den vorderen Huf hoch.

      „Das ist doch alles verschwendete Zeit“, meinte Fido verächtlich, der sich in einer dunklen Ecke der Schmiede herumdrückte.

      Zu Nelas Freude verhielt Samru sich ruhig. Auch als der Schmied das Hufeisen befestigte, blieb der Rappe lammfromm. „Es klappt“, stieß Will erfreut aus, daher fuhr er zügig mit dem Beschlagen der Hufe fort.

      „Warum habt Ihr die Garde verlassen?“, fragte Fido verständnislos. In seiner Stimme schwang ein Vorwurf mit.

      „Ich wollte ein anderes Leben“, antwortete Jarick ihm genervt, denn er wusste, dass Fido seine Antwort nicht nachvollziehen konnte.

      „Wie kann man der Garde ein anderes Leben vorziehen? Ihr und Till seid dumm“, brummte Fido verächtlich. „Seit fünf Jahren lebt Ihr nun schon in dieser Gegend und verzichtet auf das Ansehen und den Ruhm, den Ihr in der Garde erlangen könnt.“ Jarick erwiderte darauf nichts, sondern kümmerte sich weiter um seinen Hengst. „Nichts weiter als dieser Gaul interessiert Euch!“ Fido stieß einen abwertenden Ton aus, während er die Schmiede verließ. Erleichtert atmete Jarick auf, als der unsympathische Kerl ihn endlich in Ruhe ließ.

      „Lass uns eine Taverne aufsuchen“, schlug Tristan vor, nachdem Will den letzten Huf beschlagen hatte. Zögernd stieß Nela sich von dem Zaun ab und machte sich mit ihrem jetzigen Schutzengel auf den Weg. Nur wenige Schritte waren sie gegangen, als Jarick zu ihnen aufschloss. „Wartet!“ Tristan und Nela blickten zu ihm. „Lasst mich Euch zum Essen einladen“, hoffte Jarick auf eine Zustimmung. Nur widerwillig ließen seine Augen kurz von Nela ab, um Tristan anzusehen.

      „Sehr gerne“, nahm Nela die Einladung an. Freude spiegelte sich auf Jaricks Gesicht wider.

      Tristan zog sie beiseite. „Nela, wir sollten vorsichtig sein.“ Seine Stimme mahnte sie eindringlich und erinnerte sie an die Gefahr, in der sie schwebte. Ihr Blick wanderte zu Jarick, spontan verließ sie sich auf ihr Bauchgefühl.

      „Ich möchte keinen Streit provozieren.“ Jarick wandte sich ab.

      „Wartet, Jarick“, rief Tristan ihn zurück, bevor Nela den Wikinger aufhalten konnte. „Versteht mich nicht falsch… Wir nehmen sehr gerne Eure Einladung an.“ Mit einem nachdenklichen Blick bedachte Jarick die beiden aus Midgard.

      Gleich in die erste Taverne kehrten sie ein. Nela nahm das, was der Wirt ihnen empfahl. Ruppig stellte er ihnen einen Krug gefüllt mit Met und einen mit Wasser auf den Tisch. Danach servierte er ihnen das Essen: einen Laib Brot und gebratenes Hühnchen. Darbend stillten Nela und Tristan ihren großen Hunger, während Jarick nur Met aus seinem Becher trank.

      „Ihr wart Gardist?“, begann Tristan neugierig das Gespräch.

      Jarick stellte seinen Becher auf den Tisch. „Vor fünf Jahren habe ich meine Berufung aufgegeben. Seitdem führe ich hier ein neues Leben.“

      „Stammt Ihr von hier?“, mischte Nela sich in die Unterhaltung ein, bevor sie ein Stück Brot aß.

      „Nein“, antwortete Jarick. „Wie bestreitet Ihr Euren Lebensunterhalt, Tristan?“

       „Ich bin Chronist in der Ordensbibliothek der Walküren und Walkür.“

      „Ich wusste es gleich, dass Ihr ein Wächter seid. Ihr habt die entsprechende Aura.“ Durstig griff Jarick nach seinem Becher, trank einen Schluck, ehe er seinen nächsten Gedanken verriet. „Und dementsprechend seid Ihr eine Walküre.“

      „Nein“, zögerte Nela. Verwundert schaute er zu ihr, dabei wanderten seine Augenbrauen fragend nach oben. „Ich gehöre weder zu dem Orden noch in diese Welt“, reagierte sie auf seinen fragenden