Nina Lührs

Nela Vanadis


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und nahm hastig einen großen Schluck Met. Nela konnte darauf nichts entgegnen, da die schrecklichen Bilder wieder in ihr Bewusstsein drangen. Ihr Vater hielt sich noch an Nelas Tasche fest, bevor er leblos zu Boden fiel.

      „Stimmt etwas nicht?“, fragte Jarick sanft nach einer Weile des Schweigens. Räuspernd wollte Nela ihm antworten, doch sie wurden unterbrochen.

      „Huscarl!“, begrüßte Fido den Wikinger erfreut und setzte sich ungefragt zu ihnen. „Es gibt zwei Möglichkeiten einen Gardisten zu finden, wenn er keinen Dienst hat. Saufend in einer Taverne oder hurend in einem Freudenhaus.“ Er lachte frivol. Dieser Fido wurde ihr von Minute zu Minute unsympathischer.

      „Fido, Ihr solltet die Worte gegenüber einer Dame mit Bedacht wählen“, entfuhr es Jarick gereizt. Doch der Angesprochene zuckte desinteressiert mit seinen Schultern und lugte in die beiden Krüge. Enttäuscht fragte er Jarick: „Keinen Lebenssaft?“

      „Nein“, erwiderte der Wikinger kühl. „Geht und bestellt Euch Euren Lebenssaft.“ Fragend schaute Nela zu Tristan, der mit einem Kopfschütteln andeutete, dass er ihr später die Frage beantwortete.

      Lustlos schlurfte Fido zur Theke. „Was soll das heißen, der Vorrat an Lebenssaft ist ausgegangen?“, brüllte er plötzlich trotzig. Augenblicklich wurde es ruhig in der Gaststube, denn die Gäste richteten ihre Aufmerksamkeit auf den Störenfried. Sofort sprang Jarick auf, eilte zu dem Unruhestifter und griff ihn am Kragen, bevor dieser über den Tresen zum Wirt gelangte.

      „Fido, dies ist eine Taverne für Menschen. Nicht für Drauger. Wenn Ihr Lebenssaft möchtet, dann begebt Euch dorthin.“ Jaricks kalte Stimme ließ Nela einen Schauer über den Rücken laufen.

      „Was soll das? Ihr seid doch auch ein Drauger!“, empörte Fido sich, als Jarick ihn aus der Lokalität hinauswarf.

      „Dieser Fido Tanner ist die reinste Plage!“, regte der Wirt sich auf. Nela konnte seine Äußerung sehr gut nachvollziehen, denn in ihr war dieser intensive Drang geweckt worden, sich so schnell wie möglich aus Fidos Reichweite zu entfernen.

      „Ja“, seufzte Jarick, als er zum Wirt ging, der sich überschwänglich bei ihm bedankte.

      „Wir sollten uns ausruhen“, meinte Tristan besorgt, sobald er Nelas Erschöpfung bemerkte.

      „Gerne“, hauchte sie ermattet, denn sie war hundemüde und sehnte sich nach einem Bett.

      Tristan gesellte sich zu Jarick und dem Wirt, um eine Schlafstätte zu erfragen. Da die drei Männer zu weit entfernt waren, und der Geräuschpegel in dem Gastraum wieder anstieg, verstand Nela das Gesprochene nicht. Also wanderte ihr Blick durch die Gaststube. Vereinzelt saßen Gruppen von Männern und Frauen an Tischen, doch ihr Augenmerk blieb an einem Mann hängen, der in einem abgeschiedenen Winkel des Wirtshauses saß. Er war groß, von kräftiger Statur, hatte rotblonde Haare und trug einen Vollbart. Sein dunkles Gewand sowie seine Waffen zeichneten ihn als Krieger aus. Wachsam beobachtete er seine Umgebung. Nela wandte ihre Augen ab, als sie den stoischen Blick des Kriegers bemerkte. Eine zierliche Frau mit langen hellblonden Haaren, deren Kleidung in verschiedenen Grüntönen gehalten war, saß an dem Nachbartisch und beobachtete sie neugierig. Neben ihr auf dem Tisch lag ein Bogen, den sie sachte mit ihrer Hand berührte.

      Während Tristan sich wieder zu ihr setzte, erzählte er von dem Gästezimmer in der Taverne. Nachdem sie ihre Getränke ausgetrunken hatten, erhoben sie sich von der Holzbank, daraufhin kam Jarick vom Tresen auf sie zu.

      „Danke für alles“, verabschiedete Nela sich mit einem Lächeln. „Vielleicht begegnen sich unsere Wege wieder.“

      „Bestimmt, wenn es das Schicksal will“, flüsterte er leise. Tief schaute er in ihre Augen, bevor er sich ruckartig losriss und die Taverne verließ.

      Die Frau des Wirts zeigte ihnen ihre Unterkunft für die Nacht und entzündete eine weiße Kerze auf einem kleinen Tisch. Der Raum war karg mit zwei Betten an den Wänden sowie einer kleinen Schrankkommode möbliert. Durch das kleine Fenster drang nur spärlich das Licht der Abenddämmerung.

      „Nela, ich denke, es ist einfach besser, wenn wir uns ein Zimmer teilen. Wenn…“, begann Tristan zögernd.

      Nela nickte. „Ich verstehe es. Ich bin sogar froh darüber.“ Tief atmete sie durch. „Da ist dieses Band...“

      Verstehend nickte Tristan. „Es ist schwer in Worte zu fassen. Das Schicksalsband verbindet uns. Ein unsichtbarer Faden, den das Schicksal gesponnen hat, um uns zusammenzubringen und -zuhalten. Ich spüre es, wenn du in Gefahr bist“, versuchte er es ihr zu erklären. „An deinem vierzehnten Geburtstag führte das Schicksal mich zu dir. Ich wusste sofort, dass ich dein Schicksalswächter bin. Seitdem beschütze ich dich im Verborgenen.“ War Tristan tatsächlich ihr Schutzengel?

      „Ich spüre diese besondere Freundschaft immer deutlicher“, gab Nela zu, während sie sich auf ein Bett setzte.

      „Ich möchte dir etwas schenken“, sagte Tristan leise, dabei holte er ein Lederband mit einem Steinanhänger, auf dem eine Rune eingraviert war, aus seiner Hosentasche.

      „Das ist die Rune Elhaz. Jeder Wächter gibt seiner Walküre diese Kette. Offiziell bist du nicht meine Walküre, und ich bin auch kein Wächter, sondern ein Chronist. Der Orden sieht es nicht vor, Unwissenden einen Wächter zur Seite zu stellen.“ Nela nahm das Geschenk dankbar entgegen, augenblicklich legte Tristan die Kette um ihren Hals. Erschöpft ließ sie sich auf das Bett nieder und schloss die Lider.

      Neue Wegbegleiter

      In dem einzigen Blothus der Stadt saß Jarick in einer dunklen Ecke, gedankenverloren starrte er den Lebenssaft in seinem Becher an. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu den beiden Menschen aus Midgard. Zufällig war er ihnen im Eichenhain begegnet und ohne zu zögern, befreite er sie aus einer lebensbedrohlichen Situation mit dem aufgehetzten Wolfsrudel. Innerlich lachte Jarick spöttisch auf. Es war kein Zufall, sondern Schicksal. Immer war es das Schicksal.

      „Huscarl!“, erklang Fidos erfreute Stimme, ihn gefunden zu haben. Eilig durchquerte er den Gastraum. „Seid Ihr endlich diese Nervensägen losgeworden?“ Wieder setzte er sich ungebeten zu ihm. „Das hier ist der richtige Ort für uns.“ Der Drauger breitete seine Arme aus, als er den letzten Satz verkündete, und Jarick seufzte resigniert. Wann gab dieser Fido es endlich auf, ihm hinterherzulaufen?

      „Wirt, bringt mir Lebenssaft!“, verlangte er laut.

      „Wenn Ihr an diesem Tisch sitzen bleiben wollt, dann benehmt Euch“, mahnte Jarick kühl, da er keine Muße hatte, ihn schon wieder vor die Tür zu setzen.

      Verständnislos drehte Fido seinen Kopf zu ihm. „Ich benehme mich doch immer!“ Fassungslos lachte Jarick auf, denn Fidos Vorstellung von Benehmen unterschied sich erheblich von der Norm.

      Der drauganische Wirt brachte einen Krug gefüllt mit Lebenssaft und einen Becher. „Wohl bekommt`s“, wünschte er dem Drauger, flugs verschwand er wieder. Gierig schenkte Fido seinen Becher voll und nahm einen großen Schluck. Mit Wucht stellte er das kleine Gefäß auf den Holztisch, sodass etwas von der Flüssigkeit hinausschwappte, dabei rote Spritzer auf der Tischplatte hinterlassend.

      „Ihr müsst mir erzählen, wie Ihr und Till es angestellt habt, in die Garde aufgenommen zu werden“, verlangte Fido.

      Der Angesprochene lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Fido, stellt Euch bei der Garde vor, wenn Ihr unbedingt ein Huscarl werden wollt.“

      „Das werde ich auch. Aber ich muss wissen, was ich tun muss, damit ich ganz sicher aufgenommen werde.“

      „Ich weiß es nicht“, log Jarick. Er kannte die Eigenschaften, die ein Anwärter für die Garde besitzen musste. Fido besaß keine Fähigkeiten, um als außenstehender Drauger in der Garde zu dienen. Schlichtweg eignete er sich nicht dafür. Unweigerlich stellte Jarick sich die Frage, warum Fido ausgerechnet zur Garde wollte.

      „Wie habt Ihr es geschafft?“, forschte Fido nach. Ahnungslos zuckte Jarick mit den Schultern. „Was