Hanns Sedlmayr

Fides. Chronik eines Frauenlebens.


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zuständig sind, in Gehirnzellen umzufunktionieren, die für Empathie sorgen.

      Es war für mich ein bewegender Moment als ich in die Klinik komme und sie mich erstmals seit 15 Jahren nicht mit einem angeekelten Gesicht begrüßt.

      In der Klinik gibt es eine Frau, die an der gleichen Krankheit leidet wie Fides. Sie verweigert jeden Kontakt mit Ihrem Ehemann. Der Ehemann ist verzweifelt. Ich beobachtete eine Szene wie er sich weinend auf die Knie wirft und stammelt: „ich bin‘s doch“. Seine Frau wendet sich angeekelt ab.

      Fides konnte bei der Aufnahme in die Psychiatrie noch aufrecht gehen. Bei der Entlassung sitzt sie im Rollstuhl.

      Meine Frau lebt in einer Wohnung in einem Hochhaus in einem Vorort und wird von einem Pflegedienst betreut. Ich habe in der Wohnung meiner Frau mein Büro. Ich betreibe inzwischen eine ein Mann Firma. Ich entwickle Software für Handwerker. Für meine alte Firma mit den stattlichen Industriekunden musste ich vor ein paar Jahren Konkurs anmelden.

      Unser Familienhaus musste ich verkaufen, um die Schulden zu bezahlen. Geblieben ist uns eine Eigentumswohnung in der Fides jetzt wohnt und ich mein Büro habe.

      Ich wohne in der Innenstadt. Täglich verbringe ich rund 10 Stunden in einem Zimmer in der Wohnung meiner Frau, das ich als Büro nutze.

      Zweimal am Tag wechsle ich ihre Windeln. Am Morgen und am Abend erledigt das der Pflegedienst. Ich bereite das Mittagessen für uns beide und wir essen zusammen. Frühstück und Abendessen für Fides bereitet der Pflegedienst. Die Wochenenden lasse ich sie allein in der Betreuung des Pflegedienstes. Nach mehreren Versuchen habe ich einen guten Pflegedienst gefunden, dem ich sie guten Gewissens anvertrauen kann.

      Seit ich weiß, dass die hässlichen Jahre mit meiner Frau krankheitsbedingt waren, verschwindet auch mein Ekel vor ihr.

      Fides ist zu einem Kleinkind mutiert. In der Nahrungsaufnahme ist sie gierig. Sonst ist sie ohne Interesse. Sie sitzt stundenlang bewegungslos vor dem Fernseher. Wir essen immer schweigend. Fides kann nur einzelne Worte sprechen. Ich weiß nicht was ich ihr erzählen könnte. Ich bin immer froh, wenn ich in mein Arbeitszimmer zurückkehren kann. Ich freue mich immer auf das Wochenende das ich allein verbringen kann.

      Schülerliebe

      Meine erste Begegnung mit Fides war im Fasching.

      Sie sprang die Treppe vor dem Haus der Kunst in München hinunter. Ich stand mit einer Klassenkameradin von ihr vor der Treppe.

      Sie hatte eine Strumpfhose an und drüber ein dunkel blaues sehr elegantes kurzes Nachthemd.

      Ihre Beine waren von einer, mir damals unvorstellbaren Vollkommenheit.

      Meine Mutter hat Säbelbeine, meine Schwester kräftige Oberschenkel. In meiner Nachbarschaft gabt es drei Schwestern mit hübschen Gesichtern, aber alle drei haben die kurzen dicken Beine der Mutter geerbt. In meiner alten Klasse in meiner Kleinstadt gab es die hübsche Renate, in die ich damals verliebt war, bei ihr stimmten die Proportionen zwischen Oberschenkel und Unterschenkel nicht.

      Als die Besitzerin der schönen Beine bei uns ankommt, sehe ich in ein Gesicht mit sehr klaren Linien. Eine kleine gerade Nase, ein kleiner schön geschwungener Mund mit einer leicht gewölbten Unterlippe. Eine makellose blasse Haut.

      Ihr Gesicht wirkt ein wenig kühl. Es ist zu makellos in seinen Proportionen. Die dichten dunkelblonden Haare sind zu einem Krönchen hochgesteckt. Unter dem leicht durchsichtigem Nachthemd zeichneten sich schmale Hüften und ein wohlgestalteter Busen ab.

      Sie wird mir als Fides vorgestellt, ich drücke kurz ihre Hand.

      An diesem Abend weiche ich nicht mehr von der Seite dieses Mädchens. Wir küssen uns an der Bar. Es ist ein feuchter etwas ungelenker Kuss.

      Später durfte ich sie nach Hause bringen. Unser Weg führt uns über den Viktualienmarkt. Dort ziehe ich sie in den Schatten eines verlassenen Standes und küsse sie wieder und wieder, bis sie sich mir entwindet.

      Wir verabredeten uns für den nächsten Nachmittag im Café Rischart.

      Lange vor der verabredeten Zeit sitze ich im Café. Ich bin sehr aufgeregt und sehr ungeduldig.

      Die verabredete Zeit ist längst verstrichen. Sie kommt nicht.

      Ich denke schon daran zu gehen.

      Da kommt sie.

      Sie ist angezogen wie eine Internatsschülerin. Dunkelblauer Rock graue Strickjacke, weiße Bluse. Die dichten Haare sind leicht gewellt. Sie trägt sie offen. Sie ist nicht geschminkt.

      Ich bin hingerissen von ihrer Schönheit.

      Sie erklärt mir, sie wollte eigentlich gar nicht kommen. Erst nachdem die verabredete Zeit eine halbe Stunde überschritten war, habe sie sich entschieden doch noch zu kommen. Sie ist ein wenig schnippisch und sie schaut mich nicht direkt an.

      Ihre beiden Eltern sind Ärzte. Sie wohnt nur ein paar Schritte entfernt vom Viktualienmarkt bei Ihren Eltern. Sie hat drei Schwestern. Sie macht nächstes Jahr Abitur und will französische Sprache studieren. Sie spricht keinen Dialekt.

      Ich bin eine Klasse tiefer als sie, weil ich einmal sitzengeblieben bin. Ich lebe in einer Kleinstadt nahe München und fahre tägliche nach München in die Schule. Meine Mutter hat weder eine Bildung noch einen Beruf. Mein Vater war Anwalt und ist vor 3 Jahren beim Bergsteigen ums Leben gekommen. Ich war bei dem Unfall dabei und habe den Schmerz über den Tod meines Vaters nur unvollständig verarbeitet. Ich kann nur mit einem Stipendium studieren. Mein Hochdeutsch ist mangelhaft. Meine Schulnoten sind kläglich.

      Ich bekomme Angst, dass es mir nicht gelingen wird die Liebe dieses Mädchens zu gewinnen.

      Ich darf sie noch ein Stück begleiten. Ich wage es nicht ein neues Treffen vorzuschlagen. Beim Verabschieden lädt sie mich zu einer Faschingsparty am Aschermittwoch ein.

      Ihre Eltern verreisen erst am Aschermittwoch, deshalb kann die Party erst stattfinden, nachdem der Fasching vorbei ist.

      Der Aschermittwoch begann gut. Ich wurde bei unserem jährlichen Skirennen am Wallberg Schulmeister. Alle 9 und 8-kässler von einem 7-klässler geschlagen. Mein stärkster Rivale war ein 6-klässler.

      Auf der Party war ich der einzige nicht maskierte.

      Die männlichen Besucher waren Studenten. Die weiblichen kamen überwiegend aus der Abiturklasse von Eva der Schwester von Fides.

      Star des Abends war Udo, der Freund von Eva.

      Udo hatte Medizin studiert und studierte jetzt Physik. Er hatte eine Assistenten Stelle an der Uni und fuhr einen MG. Er liebte es seinen Intellekt glänzen zu lassen und war gegenüber seinen Gesprächspartnern gnadenlos. Er versuchte sie regelrecht zu vernichten. Mit mir ist ihm das sehr gut gelungen.

      Er hielt Hof am Familientisch. Es wurde über Literatur diskutiert. Als ich mich der Gruppe näherte verstand ich den Namen Musil. Ich hatte erst vor kurzer Zeit von Musil den Roman “Törless“ gelesen und ich setzte mich dazu und ergriff auch bald das Wort und brachte meiner Begeisterung für den “Törless“ zum Ausdruck.

      Udo winkte ab, der Törless sei ganz nett aber uninteressant. Der „Mann ohne Eigenschaften“ sei das packende an Musil.

      Ich hatte noch nie vom “Mann ohne Eigenschaften“ gehört und fragte lernbegierig, was das für ein Buch sei. Meine Frage wurde überhört und Udo erörterte weiter die Dreiecksbeziehung Agathe, Ulrich und Diotima im “Mann ohne Eigenschaften“.

      Fides war eine sehr gefragte Tänzerin. Haupt Tänzer von Fides war ein gewisser Fabian. Spross einer persischen Intellektuellen Familie, die vor dem Schah fliehen musste.

      Fides trug das gleiche Kostüm wie an dem Faschingsball an dem ich sie kennenlernte, aber keine Strumpfhose, sondern eine kurze und sehr enge Short.

      Ihre Beine waren weiß und ohne Strumpfhose noch schöner und erotischer als ich sie in Erinnerung hatte. Die einzige Beleuchtung in dem Raum in dem getanzt wurde, waren glimmende Zigaretten. Es wurde sehr eng getanzt. Ich konnte nicht sehen, ob Fabian Fides küsste.

      Als