Michael Schenk

Die Pferdelords 11 - Die Schmieden von Rumak


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der wohl von seinem alten Rudel verstoßen wurde.“

      „Warum dann die Mühe?“ Marnalf verzichtete auf die weitere Anwendung der Aura. Das konnte er sich nun ersparen. Er ritt langsam näher und zügelte dann sein Pferd, reckte sich seufzend und stieg aus dem Sattel. „Wenn er verstoßen wurde, kann er nicht lange überleben.“

      „Lange genug.“ Der Jäger spuckte aus. „Der Graupelz hat ein Kind unseres Dorfes getötet, und wenn ein Raubtier erst einmal gemerkt hat, wie leicht sich ein Mensch töten lässt, wird es das wieder tun. Ein Mensch ohne Waffen ist nicht so wehrhaft wie eine Raubkralle, ein Pelzbeißer oder ein Hornvieh.“

      „Ich verstehe. Dann kann ich Euch nur gute Jagd wüschen.“ Marnalf bot dem Mann Wasser aus seiner Feldflasche an, doch der Jäger winkte dankend ab.

      „Ihr seid vom Stadtvolk, wie Eure Kleidung verrät.“ Der Mann deutete um sich. „Was führt Euch in die Ostprovinz? Folgt Ihr dem Aufruf des Königs, hier zu siedeln?“ Er lachte freundlich. „Dann reist Ihr mit sehr leichtem Gepäck.“

      Marnalf schüttelte den Kopf. „Ich bin ein Gelehrter des Pferdevolkes“, erklärte er, und in gewisser Weise stimmte das ja auch. „Ich studiere ferne Länder und vor allem ihre Tiere.“

      „Ein Gelehrter also, ein Hoher Herr? Nun, mich interessieren vornehmlich jene Tiere, die man jagen kann“, bekannte der Jäger. „Vor allem der verfluchte Heulbeißer.“

      „Ich hörte von einem merkwürdigen Krater, der sich in dieser Gegend befinden soll. Ihr wisst nicht zufällig, wo ich ihn finde?“

      „Das seltsame Erdloch? Dort werdet Ihr keine interessanten Tiere finden.“

      „Ah, an einem fremden Land wie dem Euren ist alles interessant. Ich sah noch nie einen solchen Krater. Man munkelt, er sei durch ein Himmelsfeuer entstanden.“ Marnalf sah den Mann verschwörerisch an. „Das ist die richtige Würze für meinen Reisebericht, Ihr versteht?“

      Der Jäger schnaubte leise. „Es liegt direkt hinter diesem Hügel. Ihr könnt das Loch nicht verfehlen, Hoher Herr. Aber viel zu sehen gibt es dort wahrhaftig nicht.“

      Sie gingen nebeneinander zur höchsten Erhebung der Hügelreihe. Marnalfs Pferd folgte langsam und zupfte dabei an den saftigen Gräsern. Oben angelangt deutete der Jäger vor sich. „Dort könnt Ihr das Loch sehen, Hoher Herr. Was immer es geschlagen hat, es muss großen Schrecken bei den Tieren ausgelöst haben.“

      Der Krater war unübersehbar, was nicht nur an seiner Ausdehnung lag, sondern vor allem an dem Erdauswurf. Die Tiefe konnte Marnalf noch nicht abschätzen, aber der Krater hatte wohl dreißig Längen im Durchmesser. Erde und Steine waren herausgeschleudert worden und bedeckten in weitem Umkreis das Gras der Ebene. Die dunklen Flecken waren noch nicht von frischem Grün überwachsen. Der meiste Auswurf lag in westlicher Richtung, für den Magier ein Hinweis, dass der Feuerball aus östlicher Richtung gekommen und schräg eingeschlagen war.

      Der Krater war gute fünf Längen tief, doch seine Wände waren nicht besonders steil. Der Jäger verharrte oben am Kraterrand bei Marnalfs Pferd. Der stieß seinen Knotenstab in die Erde und legte die Zügel seines Reittieres darum. Marnalf spürte die Unruhe des Tieres, was an der Nähe zum Krater liegen mochte. Ohne Zaudern machte sich der Magier daran, in den Krater hinabzusteigen. Der Boden war locker, und er musste darauf achten, nicht auszurutschen.

      „Warum macht Ihr euch die Mühe, dort hinabzusteigen?“, rief ihm der Jäger nach. „Der Boden ist gefährlich, und Ihr könntet zu Sturz kommen.“

      „Wir Gelehrten sind nun einmal neugierige Wesen“, antwortete Marnalf.

      Die Blicke des Magiers glitten über die Kraterwände und den Untergrund. Am Boden hatte sich Grundwasser angesammelt. Die Natur würde diese Einschlagsstelle bald wieder mit ihrem Pflanzenwuchs überdecken. Vermutlich diente sie dann als Wasserstelle für die Tiere. Gräser und Büsche würden jegliche Spuren rasch bedecken, und Marnalf war froh, dass er vor dieser Zeit gekommen war.

      Er war überzeugt, dass es sich bei den Feuerbällen um Geschosse handelte. Er kannte die Sonnenfeuer, welche die bösartigen Zauberer von Lemaria aus dem Reich Jalanne einst auf das ferne Rushaan geworfen hatten. Sie hatten glühende Feuerstürme entfacht, und der Druck ihrer Explosion hatte das Land verwüstet und verändert. Sie waren jedoch weitaus wirkungsvoller gewesen als jenes Geschoss, welches diesen Krater verursacht hatte. Auch die Druckbomben, welche die Metallvögel Rushaans vor so langer Zeit aus dem Himmel hatten fallen lassen, waren hiermit nicht vergleichbar. Rushaan und Jalanne waren gleichermaßen untergegangen, es gab keine Metallvögel und keine Lemarier mehr. Hatte sich jemand an altes Wissen erinnert oder eine neue Waffe ersonnen? Dies war das Werk von lebenden Wesen, davon war er fest überzeugt, und so mussten Spuren ihres Wirkens geblieben sein.

      Hier versagte jegliche magische Gabe. Marnalf war ganz auf jene Sinne angewiesen, die auch einem gewöhnlichen Sterblichen zur Verfügung standen. Immerhin hatten seine Augen und Ohren im Verlauf seines langen Lebens nicht gelitten, wie es bei den Menschen im Alter geschah. Nein, seine Sinne waren scharf und, vielleicht durch die Erfahrung so vieler Menschenalter sogar noch empfindlicher geworden.

      Ein Gegenstand erregte seine Aufmerksamkeit.

      Er war schwarz und gezackt, zeigte jedoch eine ungewöhnlich regelmäßige Wölbung. Marnalf bückte sich nach dem handtellergroßen Objekt und stellte fest, dass es im Boden steckte. Er konzentrierte sich und löste es behutsam mit etwas Wuchtzauber. Nun erkannte er, dass es sich um ein gut unterarmlanges Fragment handelte. Es bestand aus fingerdickem Metall, von Feuer geschwärzt und mit zahlreichen regelmäßigen Löchern versehen. Dies war der Splitter eines sehr viel größeren Gegenstandes, und der Magier versuchte abzuschätzen, welche Form und Größe das Geschoss wohl ursprünglich besessen haben mochte. Er konnte sich nur ein ungefähres Bild machen, und es gefiel ihm in keiner Weise.

      Er hörte ein leises Knarren.

      Es war sehr leise, aber ein so typisches Geräusch, dass es unverwechselbar war. Es entstand nur dann, wenn die Sehne eines Bogens gespannt wurde und das Holz der Waffe unter Zug stand.

      Marnalf sprang auf und wirbelte herum.

      Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der Jäger vom Kraterrand einen Pfeil auf den Magier löste.

      Das graue Wesen handelte mit dem Instinkt seines langen Lebens.

      Ein Arm schnellte hoch, die offene Handfläche dem heransausenden Geschoss zugewandt. Der Wuchtzauber traf den Pfeil und ließ ihn zerschellen. Noch während seine Fragmente auseinandersprengten, begriff der heimtückische Schütze, dass sein Versuch fehlgeschlagen war. Die Konzentration auf dem Gesicht des Jägers wandelte sich in Überraschung, während er zugleich nach einem zweiten Pfeil griff.

      Marnalf lächelte kalt. Sein Blick bannte den Mann, dessen Bewegungen gefroren. „Du hast dich mit dem Falschen angelegt, mein Freund.“ Er behielt sein Ziel im Auge, tastete nach dem Metallfragment, um es aufzuheben, und machte sich dann an den Aufstieg. „Du wirst mir wohl ein paar Fragen zu beantworten haben.“

      Der Magier ließ sich Zeit, denn der heimtückische Mann konnte ihm nicht entkommen.

      Dann traf der Fuß des Zauberers auf lockeren Grund, der unter ihm nachgab.

      Während er einen ärgerlichen Fluch ausstieß, stürzte Marnalf vornüber.

      Obwohl er sich hastig wieder erhob, hatte der Gegner den kurzen Augenblick genutzt, in dem der Bann wirkungslos wurde, und war vom Kraterrand verschwunden.

      Das Graue Wesen stieß einen leisen Seufzer aus und machte sich erneut an den Aufstieg. Wäre ein Wald in der Nähe gewesen, so hätte sich der Fremde vielleicht sogar in Sicherheit bringen können, denn die Bäume hätten ihm Schutz vor den verhängnisvollen Blicken des Zauberers geboten. Aber im Umkreis des Kraters gab es keine solche Deckung. Marnalf hörte das Wiehern seines Pferdes und lächelte kalt. Kein Pferd konnte schnell genug laufen, um seinen Blicken zu entkommen.

      Als er endlich oben stand, konnte er den Jäger sehen, der Marnalfs Pferd zu rasendem Galopp antrieb.

      Der