Michael Schenk

Die Pferdelords 11 - Die Schmieden von Rumak


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ihren Bewegungen einzufrieren, und es sah erschreckend aus, wie beide erstarrten. Normalerweise wäre das Pferd gestürzt, da nicht all seine Hufe den Boden berührten, und tatsächlich geschah dies auch. Doch der Fall verlief so langsam, dass Pferd und Reiter zur Reglosigkeit verdammt schienen.

      Der gute Magier hielt das Metallstück in der Hand und nutzte seinen Stab als Stütze, während er langsam, fast gemütlich, in die Ebene hinaustrat und seinem Gegner folgte. Die Sinne des Mannes waren ebenso erstarrt wie die des Pferdes. Marnalf lockerte den Zauber, sodass er den Reiter aus dem Sattel werfen konnte. Das Pferd, vom Bann befreit, galoppierte noch ein gutes Stück, bevor es langsamer wurde und schließlich anhielt. Der Magier hielt den Jäger mit seinem Blick fest und stieß einen Pfiff aus, der sein Reittier zurückholte.

      Marnalf ließ dem Mann gerade genug Spielraum, dass dieser sich zwar nicht bewegen konnte, seine Sinne aber die Lage erfassten. „Du hast versucht, mich heimtückisch zu töten“, sagte er freundlich, „und ein wahrer Jäger würde einen harmlosen Reisenden nicht ermorden wollen. Somit bist du kein Jäger, sondern etwas anderes, und du wirst mir nun erklären, was dich zu diesem Mordversuch getrieben hat.“

      „Ein Graues Wesen“, keuchte der Mann, und das Entsetzen stand überdeutlich in sein Gesicht geschrieben. „Ihr … Ihr seid ein Graues Wesen. Wie kann das sein? Ihr Grauen seid die Diener des Allerhöchsten!“

      „Des Allerhöchsten?“ Marnalfs Lächeln vertiefte sich. „Nur die Kreaturen der Finsternis bezeichnen den Schwarzen Lord so. Somit gehörst du zu ihnen. Lass mich raten, Jäger, du gehörst zu den Menschen, die ihm verfallen sind?“

      Der Magier streifte die Ärmel des Mannes hoch und nickte, als er die Abbildung eines Kreuzes auf der Innenseite des rechten Armes, knapp über dem Handgelenk, entdeckte. Sie war mit roter Tinte unter die Haut gestochen worden und schon ein wenig verblasst. „Dachte ich es mir doch. Du gehörst zu den heimtückischen Mördern der Bruderschaft des Kreuzes. Du bist ein Rumaki.“

      „Ihr werdet nichts von mir erfahren“, keuchte der Mann.

      „Sehr tapfere und sehr dumme Worte. Da du weißt, dass ich ein Graues Wesen bin, dürftest du ebenso wissen, dass mir Möglichkeiten zur Verfügung stehen, jede Kreatur zum Reden zu bringen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass es einer Sprache mächtig ist“, dozierte Marnalf freundlich. „Da du über eine Zunge und Sprache verfügst, wird es mir leichtfallen, sie dir zu lösen.“

      Der Rumaki erwiderte furchtsam seinen Blick und nickte hastig. „Ich werde reden, Graues Wesen, ich werde reden.“

      „Natürlich wirst du das.“ Der Magier seufzte leise. „Aber du wirst verstehen, dass ich kein Geschwätz hören will, sondern die Wahrheit. Ich fürchte, es gibt nur den Weg des Schmerzes, um dir die Wahrheit zu entlocken.“

      Marnalf wusste, dass der Mann Angst vor ihm hatte. Ganz offensichtlich kannte er die Macht der Grauen Wesen. Die Furcht würde ihn zum Sprechen bringen, aber das war kein Garant dafür, dass er dabei auch die Wahrheit sagte. Es gab nur eine effektive Möglichkeit, sie ihm zu entlocken, und diese bestand darin, dem Jäger Schmerzen zuzufügen. Solche Schmerzen, dass er alles tat, um sie zu beenden. Kein sterbliches Wesen war stark genug, die Wahrheit unter der Folter zu verschweigen.

      Der Magier empfand keinerlei Gewissensbisse, den Mann durch Flammzauber und Wuchtzauber zu foltern. Es gab Wesen, die Gefallen daran fanden, anderen Qualen zuzufügen. Für den Magier war das Leid jedoch nur Mittel zum Zweck. Mitleidlos marterte er seinen Gefangenen, bis dessen letzter Widerstand gebrochen war und er alles sagte, was er wusste.

      Als Marnalf sich von dem wimmernden Opfer erhob und sich ein paar Schlucke aus seiner Wasserflasche gönnte, empfand er keinerlei Erbarmen. Der Rumaki hatte versucht ihn heimtückisch zu ermorden und, wie der Magier nun in Erfahrung gebracht hatte, andere Leben auf ähnliche Weise beendet. Allerdings hatte er dies nicht aus reiner Mordlust getan, sondern um seine Aufgabe zu erfüllen. Das war etwas, das der Zauberer respektierte.

      Die Verletzungen, unter denen der Jäger nun litt, waren schwer, wenn auch nicht lebensbedrohend. Marnalf hatte jedoch nicht vor, sich auf seinem Weg mit dem Gefangenen zu belasten, und freilassen konnte er ihn ebenso wenig.

      „So stirb nun wohl, Diener der Finsternis“, sagte der Magier leise und tötete den Mann mit einem Flammzauber, der die Überreste zur Unkenntlichkeit verbrannte.

      Das Pferd scheute vor dem Gestank zurück, und Marnalf sprach leise Worte, um es zu beruhigen. Er schob das Fragment des Feuerballs in die Satteltasche, zusammen mit einem polierten Metallstück, welches er dem Toten abgenommen hatte. Dann saß er auf.

      „Nun wird uns der Weg in die Hochmark führen“, sinnierte er. „Bedauerlich, dass der Rumaki nicht so viel wusste, wie ich gehofft habe. Dennoch werden es unangenehme Neuigkeiten sein, die wir unseren Freunden überbringen.“

      Kapitel 8

      Aus dem vorderen Innenhof der Burg von Eternas drang fröhliches Geschrei. Dort stand ein achteckiger Brunnen mit einer Pferdestatue, aus deren Maul Wasser plätscherte, und die kleine Neliana machte sich einen Spaß daraus, mit den Händen gegen den Wasserstrahl anzukämpfen. Pferdefürst Nedeam hörte die Laute kaum, denn seine Aufmerksamkeit galt wieder einmal den Listen und Büchern, die das Leben des Pferdevolkes dokumentierten.

      Fangschlag lehnte entspannt neben der Tür, die ins Treppenhaus führte, an der Wand. Er vertraute seine imposante Erscheinung und sein beträchtliches Gewicht nur selten einem Stuhl des Pferdevolkes an. Aus gutem Grund, denn wenn er sich nicht sehr behutsam setzte, konnte ein solches Möbel leicht nachgeben. In Nedeams Amtsraum trug man dem Rechnung. Dort stand ein Sitzmöbel, welches den Anforderungen eines wahren Rundohrs gerecht wurde. Dennoch bevorzugte Fangschlag es meist, mit leicht gespreizten Beinen zu stehen.

      Der Ork war mit einigen Schwertmännern am Südpass gewesen und hatte die dortige Befestigung inspiziert. Nun sah er zu, wie Nedeam rechnete und seine Eintragungen machte. Das gelegentliche Seufzen des Pferdelords zeigte dessen Unbehagen.

      „Das ist nicht die Arbeit eines Kriegers“, sagte Fangschlag mitfühlend.

      Nedeam hob den Kopf von einer Liste und sah ihn ernst an. „Im Gegenteil, Fangschlag, dies ist die Arbeit eines Kriegers.“

      „Ein Krieger muss sich im Umgang mit Waffen üben.“

      „Auch dies ist ein Kampf, mein Freund. Wenn auch mit Zahlen und um goldene Schüsselchen.“

      „Dann ist es der Kampf eines Handelsherren.“

      „Auch der eines Pferdefürsten.“ Nedeam legte die Schreibfeder zur Seite und lehnte sich zurück. „In einer Mark gibt es viele Dinge zu regeln, die der Aufmerksamkeit ihres Fürsten bedürfen. Das meiste hat mit der Sicherheit ihrer Bewohner zu tun. Du weißt ja, dass der Pferdefürst die ständige Wache der Schwertmänner unterhält. Männer und Pferde müssen versorgt und ausgerüstet werden. Da sie keine andere Arbeit verrichten können, denn sie müssen ja Streife reiten und die Grenzen sichern, bringen die anderen Bewohner der Mark die notwendigen Kosten auf. Als Pferdefürst Garodem die Hochmark gegründet hat, verfügte er nur über fünfzig Kämpfer. Jetzt bringen wir schon acht Beritte in den Sattel, und der neunte wird schon bald folgen.“

      Fangschlag nickte. „Garodem war ein guter Krieger und ein ehrenhafter Kämpfer.“

      „Ja, das war er.“ Nedeam blickte unbewusst nach Osten, wo das Grab des einstigen Pferdefürsten lag. „Nun, ich brauche goldene Schüsselchen, damit all die Schwertmänner versorgt sind, und ich brauche ebenso goldene Schüsselchen zum Auffüllen der Vorratshäuser, zur Ausbesserung der Handelsstraßen und für viele andere Dinge. Wer im Pferdevolk nicht kämpft und nicht zu den Pferdelords gehört, der leistet seinen Beitrag, indem er einen Teil dessen, was er erwirtschaftet, an mich abgibt. In Form von Waren oder von goldenen Schüsselchen. Manche sind davon befreit.“

      Nedeam erhob sich hinter dem Schreibtisch und trat an eines der Fenster, um über die Stadt zu blicken. „Nimm zum Beispiel ein kleines Gehöft, welches von einer Familie betrieben wird. Vielleicht