noch heiß, danach schlafen sie wie ein Lämmchen. Für Rufus mache ich ihn auch immer. Er kann in Vollmondnächten nämlich sehr schlecht schlafen.“
Laura blieb noch eine weitere Stunde, danach verabschiedete sie sich. Weihnachtsdekor brauchte sie nicht mehr zu besorgen, da Emma ihr versprochen hatte, ihr einige Kleinigkeiten zusammenzupacken, die sie Rufus mittags mitgegeben wollte, wenn er ohnehin Laura besuchen kam.
Mit hochgezogenem Kragen, und Vivaldi an ihrer Seite, lief Laura weiter ins Dorf hinein. Beim Krämer kaufte sie sich einige Lebensmittel für die nächsten Tage, wie auch einen Korb, in dem sie ihren Einkauf verstaute. Auch beim Bäcker machte sie Halt. Kaufte Brot und Gebäck, und für mittags, wenn Rufus käme, einige Kaffeeteilchen, von denen sie glaubte, dass sie dem Jungen schmecken könnten.
11 Das Phantom
„Omi weiß nichts davon, aber die Eltern meines Freundes sagen, dass hier im Haus ein Phantom haust. Hast du das Phantom schon einmal gesehen, Laura?“, fragte Rufus aufgeregt, während er nach einem Zimtteilchen mit Zuckerguss griff.
Laura schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, ich habe bisher noch kein Phantom gesehen. Aber, Rufus, glaubst du tatsächlich, dass man ein Phantom überhaupt zu Gesicht bekommen kann?“
„Weiß nicht. Muss ich einmal den Oskar fragen, der weiß das vielleicht.“
„Oskar?“
Rufus nickte. „Oskar, das ist mein Freund.“
„Verstehe.“ Laura schenkte Rufus Kakao nach. Ein Phantom, hier, in diesem Haus. Das wird ja immer besser, dachte Laura, der immer noch die Haare zu Berge standen, wenn sie an Emma’ und Sams Erzählungen dachte. Doch sie hatte sich vorgenommen, sich nicht von irgendwelchen Gerüchten Angst machen zu lassen noch, veranlasste es sie dazu, aus dem Haus wieder auszuziehen. Im Gegenteil, vielleicht war es ja genau das, was sie brauchte, um auf andere Gedanken, um über Franks Tod hinwegzukommen.
„Die Kuchenteilchen sind echt lecker.“ Rufus fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, um auch ja nichts von dem Puderzuckerguss zu vergeuden, während Ödipus versuchte, nach seinem Teilchen zu schnappen.
Kurz vor Anbruch der Dunkelheit, klopfte es zaghaft an der Haustür.
„Das ist bestimmt Omi. Sie hat Angst, dass ich im Dunkeln noch hier bin. Ganz bestimmt.“ Rufus sah erwartungsvoll zur Haustür, während Laura ging, um sie zu öffnen. „Emma, das freut mich aber, Sie hier zu sehen. Kommen Sie doch, bitte, herein. Kaffee ist auch schon fertig“, freute Laura sich, Emma wiederzusehen.
Emma stand zögernd vor der Tür, unsicher darüber, was sie tun, wie sich sich verhalten sollte. „Ich weiß nicht …“ Sie blickte hoch zum Himmel. Lange würde es nicht mehr dauern, bis die Dunkelheit über das Dorf hereinbrach.
Laura machte einen Schritt auf Emma zu. „Jetzt scheuen Sie sich doch nicht.“ Auch Laura sah zum Firmament. „Die Vögel sind noch dabei, sich ein Quartier für die Nacht zu suchen“, versuchte sie, Emma zum Eintreten zu überreden, während sie den Vögeln nachblickte. „Es braucht noch eine kleine Weile, bis es dunkel ist.“
„Ja, aber …“ Auf der einen Seite wollte die ältere Frau das Angebot nicht ausschlagen, das wäre Laura gegenüber unhöflich gewesen; dennoch konnte sie sich des unguten Gefühls nicht erwehren, das sie erfasst hatte, gleich in dem Augenblick, als sie die erste Stiege zur Veranda hoch, bestiegen hatte. „Sie wissen doch, Laura, was Sam und ich Ihnen erzählt haben.“ Unschlüssig blickte sie auf ihre Füße hinunter, als müsste sie sie vom Eintreten zurückhalten. „Dass ich Rufus überhaupt erlaubt habe, Sie hier, in diesem Haus, zu besuchen, hat nur damit zu tun, dass ich Sie so gut leiden kann.“ Etwas leiser fügte sie hinzu: „Zumal das Haus erst in der Dunkelheit zur Gefahr wird.“
Laura nahm Emma am Arm und zog sie ins Haus. „Jetzt stellen Sie sich nicht so an, Emma! Ich habe eine ganze Nacht hier verbracht, ohne, dass etwas Merkwürdiges geschehen ist. Was also, soll uns hier passieren? Sehen Sie doch, auch Rufus geht es gut. Uns beiden geht es gut.“
Widerstrebend ließ sich Emma von Laura in die Küche führen. Als sie Ödipus auf Rufus’ Schulter herumkrabbeln sah, schüttelte sie entrüstet den Kopf. „Rufus, wie oft muss ich dir noch sagen, dass deine Ratte zuhause zu bleiben hat, wenn du jemanden besuchen gehst!“
„Aber, Omi, Ödipus tut doch gar niemandem ‘was. Und Laura findet ihn auch ganz toll. Nicht wahr, Laura?“ Hilfe suchend sah er zu Laura.
Laura zog für Emma einen Stuhl zurecht. „Setzen Sie sich doch, Emma.“ Mit einem Blick auf die braunmelierte Ratte, deren rote Augen wie Rubine leuchteten, sagte sie lächelnd: „Mich stört Ödipus nicht, auch wenn es das erste Mal ist, dass eine Ratte mir so nahe gekommen ist.“ Sie hob den Arm an Rufus’ Schulter und bereits im nächsten Moment krallte sich die Ratte an Lauras Arm fest und krabbelte hinauf auf ihre Schulter.
Skeptisch verfolgte Emma das Schauspiel. „Wirklich, es macht Ihnen nichts aus?“ Sie schüttelte den Kopf. „Die Meisten ekeln sich vor der Ratte. Schon alleine ihrer roten Augen wegen.“
„Die Augenfarbe, die ist schon sehr ungewöhnlich bei einer braunen Ratte. Wenn sie weiß wäre, aber so …“, gab sie lächelnd zur Antwort. „Dennoch stört mich das Tierchen keineswegs.“
„Ödipus ist auch eine ganz besondere Ratte, und sehr gelehrig“, verteidigte Rufus, seinen vierbeinigen Nagerfreund.
Emma sah sich um, während sie sich zögernd setzte und sich von Laura Kaffee einschenken ließ.
Bevor Laura jedoch Emma ein Kaffeeteilchen, mit Pudding gefüllt, anbot, setzte sie Ödipus zurück auf Rufus’ Schulter.
„Omi, darf ich morgen bei Laura übernachten? Oh, Omi, bitte!“
Mit entsetztem Blick schaute Emma ihren Großenkel an. „Um Gotteswillen, Rufus, wie kommst du nur auf solch eine Idee?“
„All der Weihnachtsschmuck … Ich dachte, ich könnte Laura beim Schmücken des Hauses helfen.“
„Ja, und danach würden Rufus und ich, uns gemütlich beim Raclette Weihnachtsgeschichten erzählen.“ Sie sah auf die Ratte. „Ödipus kann er natürlich auch mitbringen“, kam Laura dem Jungen, bei seiner Bitte, zu Hilfe.
Emma schüttelte den Kopf. „Rufus, du weißt ganz genau, dass ich nicht will, dass du dich bei Dunkelheit auch nur in der Nähe dieses Hauses aufhältst. Und jetzt willst du auch noch hier übernachten“, kopfschüttelnd schaute sie den Jungen an. „Ich bitte dich, wie kannst du nur!“
„Oma, bitte!“ Rufus gab nicht nach. Er stellte es sich faszinierend vor, die Nacht in einem Spukhaus zu verbringen. Er wusste jetzt schon, dass er sicherlich kein Auge zutun würde. Zudem wollte er unbedingt Oskars Phantom zu Gesicht kriegen. Dann hätte auch er einmal etwas Abenteuerliches, was er seinem Freund, würde, berichten können.
Doch schon am Blick seiner Oma erkannte er, dass es Schwerstarbeit bedurfte, sie davon zu überzeugen, dass ihm das Haus auch bei Nacht nichts anhaben würde.
Laura sah von Rufus zu Emma. Sie legte ihre Hand auf Emmas Arm. „Überlegen Sie es sich, bitte. Ich komme morgen früh in Ihrem Laden vorbei, und dann sehen wir weiter. Okay?“
„Sie sind sich sehr sicher, Laura, auch diese Nacht in dem Haus unbeschadet zu verbringen.“
Laura lief zu dem alten Herd, strich mit der Hand darüber, während sie sich umsah. „Ich wüsste nicht, was mir das Haus antun sollte. Und weshalb.“
Emmas Blick ging zum Fenster. Abrupt stand sie auf. „Los, Rufus, wir müssen gehen! Verabschiede dich von Laura. Hurtig, es wird gleich dunkel!“
Rufus tat, wie ihm geheißen. Immerhin wollte er morgen bei Laura übernachten, und da war es besser, wenn er seiner Oma keinen Grund zum Unmut gab.
Kurz bevor sie zur Tür hinaus war, drehte sich Emma nochmals um. „Das hätte ich ja beinahe vergessen. Ich hab’ Ihnen ein Buch mitgebracht,