die man als Außenstehender nicht verstehen kann. Der Stein der Weisen – wie schon erwähnt – wird auch als Lapis Philosophorum, Roter Löwe, Roter Drache, Rotes Elixier, Rote Tinktur, Großes Elixier, Magisterium, Panazee des Lebens, philosophischer Stein oder auch Astralstein genannt.
Wenn man keinen Zugang zur Alchemie hat, wenn man nicht weiß, dass mit einem „roten Löwen“ eigentlich eine Mixtur gemeint ist, wird man nicht wirklich auf die korrekte Lösung kommen können. Daher sind die blumigen und sehr metaphorischen Begriffe bewusst, und aus Gründen der Codierung bzw. der Verschleierung, gewählt worden. Wie sinnig oder unsinnig dieses Vorgehen ist, muss sich jeder selbst beantworten. Fakt ist, dass durch eine unlösbare Verschleierung Wissen verloren gehen kann, fakt ist aber auch, dass es stets „Diebe, Halunken und Schurken“ gegeben hat, die Ideen, Entdeckungen, Einfälle, Entwürfe und Erkenntnisse von anderen stahlen, um diese selbst zu vermarkten.
In Bezug auf das Lebenselixier muss man diesen Gedanken im Hinterkopf behalten, denn selbstverständlich gab es auch hier Charaktere, die das alchemistische Geheimnis in Profit verwandeln wollten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die verschiedenen Inhaltsstoffe – die zum Teil Namen wie „Geheimes Salzfeuer“, „philosophischer Merkur“, „Metallsamen“, „fermentierenden Kräften“ und „Weingeist der Adepten“ trugen – durch Allgemeinwissen nicht ohne Weiteres entschlüsselt werden konnten. Man konnte zwar raten, was es für Substanzen waren - philosophischer Merkur kann reines Quecksilber aber auch ein Quecksilbersalz sein -, doch ist Raten keine gute Idee, wenn man exakte Werte bzw. Ergebnisse erzielen will. Ferner ging es natürlich auch darum, dass die verwendeten Stoffe auch den korrekten energetischen Charakter trugen, sodass, wenn Metalle wie Blei, Zinn, Eisen, Gold, Kupfer, Quecksilber und Silber aufgelöst oder mit anderen Substanzen zusammengebracht wurden, auch die archetypische Planetenenergie transportiert werden. Gleiches galt auf für Edelsteine, die wieder verarbeitet und zum Teil auch aufgelöst wurden. In der Alchemie spielte daher nicht nur das exakte Reagenz eine wichtige Rolle, sondern auch der Zustand des Alchemisten, der seine innere Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele beherrschen konnte.
Und selbst wenn man die korrekten Substanzen und auch das nötige spirituell-energetische Wissen besaß, musste man zusätzlich den Gebrauch der Laborgerätschaften meistern. Auch hier wurden blumige und metaphorische Bezeichnungen gewählt, was eine erneute Codierung oder Verkomplizierung ergab. Man muss hierbei berücksichtigen, dass die falsche Verwendung eines Laborgerätes – falscher Kolben, falscher Filter, Destillationsapparatur etc. erneut das Endprodukt verfälschen oder auch vernichten konnte. Dies ist heute wie damals ein aktuelles Thema. Man kann und darf nicht einfach nach gut dünken seine Materialien auswählen – genau deswegen gibt es ja so viele komplizierte Laborgeräte aus Glas und Plastik. Selbst wenn man feste Stoffe mischt oder sie zerreibt, muss man schauen, ob man einen Mörser aus Metall, als Porzellan, aus Stein oder aus Plastik verwendet, da manche Stoffe mit Mörsern und Pistillen reagieren können. Ein weiterer Umstand waren bestimmte Planetenkonstellationen, wobei es hier auch wieder um die energetischen Faktoren der Archetypen, der Himmelskörper ging, und nicht um die materiellen Himmelsgiganten. Wie immer ist hier der Protagonist der Brennpunkt, und wenn dieser für sich entschlossen hat, dass der Mond nur ein toter Gesteinsbrocken ist, wird er ein anders Ergebnis bei zunehmenden Mond erzeugen, als jemand, der für sich überzeugt ist, dass die Mondphasen eine große Bedeutung und auch Einfluss auf magische Arbeiten haben.
Man sieht also, dass das Lebenselixier oder auch das trinkbare Gold, für die Alchemisten keine Kleinigkeit war. Es war eines der wichtigsten Zielpunkt der Alchemie selbst, auch wenn dieser Zielpunkt viele Namen hatte und zum Teil abenteuerliche Verknüpfungen und Erklärungen anbot. Eine Vokabel, die auch immer wieder mit dem Lebenselixier in Zusammenhang steht, ist „Alkahest“ oder auch „Alcahest“. Hierbei handelt es sich auf der einen Seite um ein hypothetisches Lösungsmittel, das alles lösen kann und daher universell einzusetzen ist und auf der anderen Seite um das Lebenselixier selbst.
Bei dem Begriff „Alkahest“ handelt es sich wahrscheinlich um ein Kunstwort, welches von Philippus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim (Paracelsus) möglicherweise erfunden wurde und sich primär auf den Stoff „Sal Alkali“ (latinisierte Form des arabischen Wortes al-qalya, was man lapidar mit Pottasche übersetzen kann) bezieht, was – in Bezug auf Paracelsus – meist Kaliumcarbonat K2CO3 (was auch mit Pottasche immer noch betitelt wird), gelöst in Alkohol, war. Aus heutiger und chemischer Sicht muss man sagen, dass es sich hierbei um Substanzen handelt, die mit Wasser eine alkalische Lösung – also eine Lauge (PH >7,5) bilden. Hierbei besitzen diese Stoffe die Charakteristika, dass sie eine Wasser- oder Alkohollöslichkeit besitzen, sich mit Säuren, Salzen, Fetten, fetten Ölen chemisch zu verbinden und u. a. via Verseifung Seife und Glycerin entstehen lassen und auf organische Produkte (egal ob pflanzlich, tierisch oder menschlich) einen eher verätzenden Charakter haben. Im Mittelalter hingegen wurde die Substanz als „Alleslöser“ oder auch „Allesauflöser“ gesehen, sodass man im Grunde das Alkahest überhaupt nicht lagern konnte – es wurde schließlich, in der Vorstellung der Alchemisten, alles aufgelöst, auch das Lagerungsgefäß. Dies wurde später natürlich etwas verifiziert, sodass man sagte, dass das Alkahest die chemische Substanz in die Elemente auflöst, aus denen die jeweiligen Stoffe bestehen (hierbei sind nicht die klassischen fünf Elemente Äther, Feuer, Wasser, Luft und Erde gemeint). Ferner wurde nicht immer Kaliumcarbonat verwendet. Paracelsus z. B. verwendete ein Gemisch aus Calciumoxid (CaO), Alkohol (C2H5OH) und Calciumcarbonat (CaCO3), wobei auch diese Mischung unter chemischen Gesichtspunkten der Zusammenfassung „Alkahest“ zuzuordnen ist. Doch auch wenn Alkahest Stoffe oder „Körper“ auflösen kann, so würde das Alkahest niemals den Kern oder den Samen des jeweiligen Stoffes / Körpers auflösen. Hierdurch bleibt die Quintessenz der jeweiligen Substanz, die sich dann zu einem Salz formen würde – aus Gold würde dann ein Goldsalz werden.
Durch diese Idee schwang sich das Alkahest nicht nur zu einem universalen Lösungsmittel auf, sondern auch zu einer Substanz, die Stoffe von etwas „Überflüssigen“ befreit. Diese Idee wurde dann natürlich sofort auf den Menschen übertragen, denn schließlich ging es in der Alchemie primär darum, dass ein unedler Geist zu einem goldenen, großmütigen Geist aufsteigt. Zwar glaubte man nicht, dass man durch einfaches Schlucken des Alkahest eine innere Reinheit und Feinheit erreichen würde (was gesundheitlich nicht so schlimm wäre, da der Stoff nur reizend ist und die letale Dosis weit über 1Kg pro Kilogramm Körpergewicht liegt), dennoch ging es darum, dass die Fähigkeit des Alkahest – „Gegenstände“ bleiben in ihrer Essenz „unverletzt“, dennoch wird der widerspenstige Teil des Körpers/Stoffe aufgelöst – absolut essenziell für das Lebenselixier war, denn wenn man es so deuten will, sind Krankheiten, Alterung und menschliche Unpässlichkeiten, nichts anders als widerspenstige Teile des Lebens.
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Sichtweisen und Grundideen der Alchemie
Nach dem nun die wichtigen Begriffe „Stein der Weisen“ und „Lebenselixier“ soweit beleuchtet wurden und auch die Alchemie in sehr groben Zügen charakterisiert wurde, will ich nun einmal etwas genauer auf die verschiedenen Sichtweisen und Grundideen der Alchemie bzw. der Selbstevolution mit Hilfe der Alchemie eingehen. Bis jetzt weiß man, dass die Alchemie ein geistiges und gleichzeitig ein physisches Kunsthandwerk darstellt, da die Arbeiten in den jeweiligen Laboratorien sehr gewissenhaft, achtsam und bewusst durchgeführt werden mussten, sodass man hier wahrlich ein Kunsthandwerk sehen kann. Ob man dieses Kunsthandwerk nun darauf münzen will, dass man den eigenen Geist veredelt, sein Leben bzw. seine Gesundheit verlängert, neue chemische Verfahren erkennt, versteht und fokussiert erarbeitet, ist erst einmal sekundär. So wie es in der heutigen Chemie unglaublich viele Bereiche gibt – mehr als 40 spezielle Bereiche, wobei man