Frater LYSIR

Magisches Kompendium - Alchemie


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Alchemie verschiedenste Bereiche und letztlich auch Philosophien. Die Bereiche treffen sich im Umkehrschluss aber auch an gewissen Knotenpunkten, die man zusammengefasst als „Großes Werk“ beschreiben kann bzw. als „Opus Magnum“, da der deutsche Begriff „Großes Werk“ letztlich auch für das kosmische Agieren auf anderen Ebenen im dualen Spiel der Gesamtexistenz verwendet wird, muss man selbst entscheiden, welchen Begriff man favorisieren will. Das „Opus Magnum“ kann man daher in Bezug auf die Alchemie so deuten, dass der jeweilige alchemistische Zweig ihre (Haupt)Ziele erreichen wollten. Dies konnte der Stein der Weisen sein, das Lebenselixier, aber auch die Entdeckung eines neuen Stoffes, den man wiederum weiter verarbeiten kann.

      Wenn man einen Alchemisten mit einem magischen Autor vergleichen will, kann man sagen, dass das jeweilige aktuelle Buchprojekt des Autos sein jeweiliges „Opus Magnum“ ist, welches für ihn selbst ein Baustein im kosmischen „Großen Werk“ ist. Aus diesem Blickwinkel kann man sagen, dass die Alchemisten wieder und wieder ihr „Opus Magnum“ erfolgreich beenden konnten, um ein weiteres „Opus Magnum“ zu beginnen.

      Ähnlich muss auch der alchemistische Begriff der „ersten Materie“, des Ursprungsstoffes (Prima Materia) gedeutet werden. Auf der einen Seite ist hier wirklich etwas Materielles gemeint, ein Ausgangsstoff, aus welchem man sein gewünschtes Produkt anfertigen konnte. Da das Lebenselixier und auch der Stein der Weisen sowohl ein philosophisches wie auch materielles Projekt der Alchemie war, war z. B. die „Prima Materia“ für beide Operationen / Werke der Ausgangspunkt. Gleichzeitig war die „Prima Materia“ aber auch eine Verbildlichung der aristotelischen Entelechie. Entelechie bedeutet so viel wie „in Ziel von“ oder „in Ziel haben/halten“ und bezieht sich auf ein philosophisches Prinzip, welches jedem Stoff eine „Urform“ oder eine „Urinformation“ / „Urschwingung“ zuschreibt. Wenn es um ein lebendes Objekt geht, wäre die Lebenskraft oder der Evolutionswille, der Begriff den man mit dem Wort „Entelechie“ beschreiben kann, da die Entelechie die Entwicklung und auch die Vollendung des jeweiligen „Objektes“ bewirkt. Im weit gefassten Sinn, kann man hier auch das Konzept des wahren Willens und des kosmischen Seins erkennen. Entelechie besagt also, dass jedes Ding – egal, ob anorganisch oder organisch – seine Zieleigenschaft oder den Drang der Vollendung bereits in sich trägt. Der Wille der Natur oder der Pflanzen, zu wachsen und sich zu vermehren, sodass die Art erhalten bleibt, könnte auch mit der Vokabel „Entelechie“ umschrieben werden. Natürlich spielt hier auch wieder die Vier-Elementen-Lehre eine essenzielle Rolle, genauso wie das Konzept des Äthers, der Quintessenz und des unbestimmbaren Urstoffes.

      Da man die Alchemie nicht als abgeschlossene oder umschlossene Lehre sehen darf, muss man auch stets berücksichtigen, dass verschiedene Strömungen einen gewissen Einfluss hatten. Hierbei spielen auch die jeweiligen Panthea der verschiedenen Kulturen (römisches, griechisches, ägyptisches Pantheon etc.) eine wichtige Rolle, da hier immer wieder Helden, Mythen und Sagen übernommen und adaptiert wurden. Speziell ist hier die Figur des „Hermes Trismegistos“ zu nennen, aber auch die Mythen um Isis und Osiris sowie die verschiedenen Göttersagen der griechischen Welt. Hierbei muss Hermes Trismegistos (dreimal größter Hermes) jedoch etwas stärker beäugt werden, da er für die Alchemie einen sehr wichtigen Part verkörpert bzw. – nach weitverbreiteter Meinung – ein Werk geschaffen hat, welches die Geheimnisse und das Wissen der verschiedenen übersinnlichen Welten beinhaltet. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Tabula Smaragdina, welche Hermes Trismegistos direkt zugesprochen wird. Zwar findet man historische Spuren, die u. a. zeigen, dass das entsprechende Werk im Mittelalter verfasst wurde, doch wird dies oft damit abgetan, dass Hermes Trismegistos entweder im Mittelalter einfach eine entsprechende Inkarnation wählte oder dass die Ergebnisse falsch sind. Gleichzeitig gibt es aber auch Hinweise, dass die Texte aus den ersten Jahrhunderten stammen, wobei sie unter anderen Namen geführt wurden. Die Tabula Smaragdina ist eine Sammlung von inspirierten Texten, die sich auf die Themengebiete der Astrologie, der Medizin und der Magie beziehen, sodass sie den Alchemisten neue Ansichten präsentieren konnten und gern als „Schlüssel“ zur Herstellung des Steins der Weisen gesehen wurde. Im Grunde ist dies auch nicht falsch, da der Stein der Weisen letztlich die Selbstveredelung bzw. die Selbsterleuchtung ist.

      Da die Alchemie ein riesiges Gebiet ist, welches auf die verschiedensten magischen Disziplinen, Ansichten und Philosophien zugreift, ist es nicht verwunderlich, dass man in den alchemistischen Ausführungen die Grundgedanken der babylonischen bzw. chaldäischen Astrologie findet, genauso wie der Gnosis, der Kabbalah und der rituellen Magie.

      Stück für Stück wurden magische Fragmente integriert. Nicht alle wurden bis zum Schluss verwendet. Zwar wird in der Alchemie auch rituell gearbeitet, doch ist hier u. a. auch die Laborarbeit gemeint. Die prachtvolle Robe wurde eher durch einen Laborkittel ersetzt – was nicht immer verkehrt ist, da weite Ärmel wirklich schnell Feuer fangen können. Was jedoch ein roter Faden blieb, ist der Forschungsdrang und die Neugier. Egal ob nun Alchemist, Zeremonialmagier, Hexe, Schamane oder sonst magisch interessierte Person, Neugier und Forschungsgeist sind immer vorhanden. Bei den Alchemisten wurde dies aber auch auf die Laborarbeit übertragen, sodass Stück für Stück die Alchemie zur aktuellen Naturwissenschaft wurde. Ob nun Chemiker, Physiker, Astronomen, Mediziner, Pharmazeuten oder Biologen – sie alle hatten im Mittelalter etwas mit der Alchemie zu tun, da diese als „ganzheitliche Wissenschaft“ verstanden wurde, welche nicht nur die Naturwissenschaft enthielt, sondern auch die Sozial- und Geisteswissenschaften. Religion, Wissenschaft und Kunst wurden in der Alchemie kombiniert und verschmolzen. Erst mit der Zeit und den jeweiligen neuen Erkenntnissen und Spezialisierungen schwand der Begriff der Alchemie als „Pansophie“ bzw. als „All-Wissenschaft“ und die einzelnen Bereiche – Mathematik, Physik, Chemie, Medizin, Pharmazie, Astronomie, Psychologie, Religion, Sozialdenken und Pädagogik – wurden forciert. Die Universalgelehrten wurden wieder zu Fachgelehrten, da die Wissensgebiete immer komplexer und komplexer wurden. Eigentlich ist dies sehr schade, denn wenn man sich die Egos der verschiedenen Wissenschaftler auf allen Gebieten anschaut, muss man deutlich sagen, dass eine „Veredelung des Geistes“ – was auch Demut und Zurückhaltung, genauso wie Selbsterkenntnis und Reflexionsvermögen bedeutet – vielen guttun würde. Eine geistige Transmutation, der Schritt in die energetische Transzendenz, würde vieles erleichtern, zumindest, wenn man immer noch mit einer großen Portion Skepsis und Selbstkritik arbeitet und nicht alle aktuell unerklärlichen Phänomene einfach einem monotheistischen Gott zurechnet.

      Zwar haben auch heute einige Wissenschaftler den Wunsch, Leiden zu minimieren und den Tod so lange wie möglich zu verzögern, doch hapert es immer noch mit der Umsetzung der „Auferstehung“, die natürlich rein geistig und nicht körperlich / materiell zu suchen ist. Durch die Chance der eigenen Imaginationskraft, sodass man in sein eigenes Chaos Ordnung bringt, reift man Stück für Stück heran. Ob diese Arbeit im Labor, im OP, im Tempel oder am Schreibtisch vollzogen wird, ist hierbei irrelevant. Einige versuchen dies wirklich, andere verlassen sich darauf, dass am Ende des Monats der Gehaltsscheck ausreichend ist, um zu begründen, dass man das macht, was man macht. Schade!

      Da die Alchemie also eine rein geistige Wissenschaft sein kann bzw. eine Wissenschaft, die sich sehr stark auf das eigene Selbst und somit auf die eigene Psyche bezieht, ist es ein relativ kleiner Schritt zur Psychologie, zur Psychoanalyse und zu Carl Gustav Jung. Kurz und knapp kann man hier sagen, dass C.G. Jung durch seine Forschungen, Studien und Vergleiche, die Bildsprache der Alchemie – egal, ob nun wirklich als bildhafte Kunst oder als bildhafte Sprache – erkannte und diese dann für seine Zwecke adaptierte. Die verschiedenen Allegorien und Gleichnisse der Alchemie passten natürlich sehr gut für psychische Transformationsprozesse, denn C.G. Jung erkannte recht schnell, dass die verschiedenen alchemistischen Metaphern, Darstellungen, Abbildungen, Arbeitsanweisungen und allgemeine Mythen u. a. Grundthematik der Menschlichkeit sind. Es geht um Leben, Tod, Wiedergeburt und die Vereinigung mit den eigenen höheren Fragmenten, sodass man sein Leben und seine Existenz wahrlich leben kann. Wie sehr dies alles auch mit den Träumen eines Menschen zu tun hat, muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist, dass die alchemistischen Ideen zum Teil klassische Archetypen sind, sodass man diese natürlich auch in den eigenen Träumen finden kann.

      Wenn dann auch noch die Erkenntnis kommt, dass man die zum Teil bewusst rätselhaften hermetischen und alchemistischen Ausführungen mit den Archetypen und ggf. auch mit den eigenen Träumen