Frank Solberg

EIN ZACKEN AUS DER KRONE


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Beantwortung der vierten Frage (Was und wie muss man schreiben?) fällt ausgesprochen leicht: Ich es weiß nicht. Es gibt ihn nämlich nicht ‚den typischen deutschen Leser‘. Was jemand liest, ist geschmacks-, bildungs-, milieu- und geschlechterabhängig und wird womöglich sogar durch das Wetter, die Spritpreise oder den japanischen Aktienindex beeinflusst. Offenbar, aufgehorcht, spielt Humor hier keine nennenswerte Rolle, das würde nämlich eindeutig den gängigen Klischees widersprechen, die im Ausland über uns kursieren. Danach ist der Deutsche (Zitat „Süddeutsche Zeitung“): pflichtbewusst, diszipliniert, humorlos und biertrinkend. Bedauerlicherweise hat man bei dieser Aufzählung unseren Hang zur Gründlichkeit, zum Sauerkrautessen sowie unsere Vorliebe für Lederhosen und Schwarzwälder Kuckucksuhren unterschlagen. Sei’s drum, da ich es, wie erwähnt, nicht besser weiß, setze ich unter anderem auf diese Vorurteile.

      Es wird zu beweisen sein, dass Gottes Ebenbild auf Erden, der Mensch, zumal der deutsche, sich weitaus komischer verhält, als uns die ausländischen Vorurteile glauben machen wollen. Insofern steht meiner steilen Karriere als Lästermaul nichts mehr im Wege. Allenfalls der Verleger (oder seine Lektoren) und selbstverständlich sie, verehrtes Publikum.

      Aber was, um alles in der Welt, mache ich bloß, wenn die Kritik Gefallen an meinen satirischen Geh- und Stehversuchen finden sollte? Wer wird dann noch meine Bücher kaufen? Bliebe mir noch die Möglichkeit, in die Politik zu gehen, aber dazu bin ich nun wirklich nicht unbegabt genug.

      Kein Pseudonym

       Im Garten Eden bekam man einen Vornamen verpasst, etwa Adam, Eva, Schlange, Kamel, Rotbarsch et cetera. und das war’s und dabei blieb's. Heutzutage braucht man zusätzlich einen Hausnamen. Außerdem gibt es Doppel- und Dreifach-Namen, sowohl vorne wie hinten. Wem seine Namen nicht oder nicht mehr zusagen, der geht einfach zum Amt und lässt sie ändern oder ergänzen. Und wem auch dies noch nicht reicht, der legt sich ein Pseudonym zu – oder gleich mehrere.

      ‚Namen sind Schall und Rauch‘, so lautet eine alte Spruchweisheit. Und sie stimmt, sofern man nicht Eiertanz, Pferdemist, Müller, Kurpfuscher oder Brczykowarczsky heißt - oder nicht gerade von der Polizei gesucht wird. Wobei Brczykowarczsky eine gute Chance hätte, durch die Maschen der Fahndung zu schlüpfen (welcher Beamte im mittleren Dienst kann das schon buchstabieren, schreiben oder gar behalten?).

      Ernsthaft. Ich habe überlegt, mir ein Pseudonym zuzulegen. Nicht, weil mir mein Hausname nicht gefällt (es gibt schlimmere), sondern weil sonst jeder sofort weiß, welche Person dahinter steckt. Das ist eben der Vorteil eines Pseudonyms, man kann sich, zumindest für eine gewisse Zeit, quasi unsichtbar machen. Sehr wichtig, wenn man einmal einen Flop landet oder jemand keine Lust auf Öffentlichkeit hat. Außerdem hat schon manch seltsamer oder unglücklicher Familienname dem Misserfolg einer Künstlerkarriere geradezu Vorschub geleistet; die Herren Eiertanz, Pferdemist, Müller, Kurpfuscher oder Brczykowarczsky werden wissen, worüber ich rede. Deshalb auch die vielen Künstlernamen.

      Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber: der Name bleibt. Es gibt schließlich nichts, was zu verbergen wäre. Allerdings habe ich an anderer Stelle einige Korrekturen vorgenommen, insbesondere bei den Menschen, über die ich berichte. Immerhin muss ich mir die Gewogenheit meiner Verwandten, Freunde, Bekannten und Nachbarn erhalten, sonst versiegen möglicherweise meine Quellen.

      Da ich mit einer erfolgreichen Auflage rechne, habe ich mir in den letzten Tagen vorsorglich eine gesonderte Bankverbindung zugelegt. In Luzern, in der Schweiz: dort werde ich nicht unter meinem Namen geführt, sondern bin als 84853-24197354-62 registriert. Man hat ja schließlich seine Sorgfaltspflichten, vor allem dem Finanzamt gegenüber.

      Außerdem, was ist ehrenrührig an einem Nummernkonto?

      CHRONISCHES VON HEIM UND HERD

      Besser eine Familie, als gar keinen Spaß.

      Mein Großvater

      Wir müssen heiraten

       Die Zeiten haben sich geändert seit der Erschaffung des Menschen. Das ist beispielsweise das Herstellungsverfahren, bei dem Lehm und Wasser nur noch selten eine Rolle spielen. Durchaus eine angenehme Entwicklung übrigens, wenngleich häufig mit schwerwiegenden Folgen verbunden: Ehe und Familienleben.

      Ich war immer ein überzeugter Junggeselle, zumindest bis zu meiner Heirat. Meine ehemalige Verlobte behauptet gar, das sei ich auch jetzt noch. Sie muss wissen, wovon sie redet, denn schließlich sind wir seit mehr als zwanzig Jahren gesetzlich liiert. Zu meiner Entlastung darf ich jedoch geltend machen, dass mein Eintritt in den Stand der Ehe nicht ganz freiwillig erfolgte.

      „Mein Schatz“, so sprach eines schönen Oktobertages vorerwähnte Verlobte zu mir, „wir müssen heiraten.“

      Ich war wie vom Donner gerührt. Wie konnte das geschehen? Eigentlich war meine Liebste penetrant genau und sehr verlässlich in solchen Dingen.

      Obwohl, es kann natürlich etwas passieren, wenn es einmal passiert (oder auch öfter). Darüber hinaus sind wir nicht die ersten, die zunächst guter Dinge und dann guter Hoffnung waren (und die letzten schon gar nicht). Und außerdem, wir kannten uns mehr als drei Jahre, was also war beklagenswert daran?

      Nun, ja, wir sahen uns maximal drei oder vier Mal in der Woche. Dies wiederum bedeutete, dass wir uns drei bis vier Tage in der Woche nicht sahen, und diese Zeit waren ungetrübtem, freiem Junggesellentum vorbehalten. Aus und vorbei.

      Wie dem auch sei, es war nicht zu ändern. Und man konnte das auch positiv sehen: Ich als Vater, eine tolle Sache.

      Zärtlich nahm ich meine Zukünftige in die Arme. „Und wann ist es soweit?“

      „Am 10. Dezember“, antwortete sie prompt.

      „Kann man das auf den Tag vorhersagen?“, fragte ich überrascht.

      „Natürlich“, ihre Bestimmtheit schloss jeden Zweifel aus. Sie ist sehr präzise in diesen Dingen, ich sagte es bereits. „Aber vorher müssen wir noch renovieren“, ließ sie mich dann unvermittelt wissen.“

      Ich verstand nurmehr Bahnhof. „Was müssen wir?“, fragte ich entgeistert.

      „Na, renovieren. Es ist nämlich keine Neubauwohnung, aber trotzdem ein schnuckeliges, kleines Nest. Mit etwas Farbe, Kleister und Tapeten richten wir uns das herrlich ein. Du wirst sehen.“

      Ich hatte den Eindruck, dass der Zug ohne mich abfuhr. „Ich meine, wann das Baby kommt?“, startete ich einen letzten Versuch der Verständigung.

      Meine über alles Geliebte sah mich an, als hätte ich meine goldene Uhr – ein Geschenk von Onkel Ewald – gegen eine ungültige Kinokarte umgetauscht. „Bist du verrückt geworden?“, erkundigte sie sich spitz. „Wer hat von einem Kind gesprochen?“

      „Aber hattest du nicht gesagt“, wandte ich ein, „wir müssten heiraten?“

      Sie war plötzlich wieder oben auf. „Natürlich, aber nur deshalb, du Schaf, weil wir die Wohnung sonst nicht kriegen. Am 10. Dezember ziehen wir ein. Und heiraten werden wir am 5.“ Sie war sehr präzise und zielstrebig in diesen Dingen, ich habe das schon mehrfach ausgeführt. Auf jeden Fall war ich geschlagen (ein Gefühl, das mir später noch des Öfteren zuteil werden sollte).

      Flittern konnten wir damals nicht. Dazu fehlte das Geld, das wir dringend für die Einrichtung der Wohnung brauchten und obendrein die Zeit, die wir ebenfalls für die Einrichtung der Wohnung benötigten.

      Wir zogen planmäßig ein. Neun Monate später war ich Vater. Sie wissen schon: meine liebe Gattin ist äußerst genau in diesen Sachen.

      Zermürbungstaktik

       Der liebe Gott wird gewusst haben, warum er